Die C_00-Logo-Uhr-ohne-Rand-for-webhronik-Seiten der SEMPEROPER EDITION

Elfride Trötschel  Sopran – Sächsische Staatsoper Dresden

 

 

Elfride-Troetschel-for-web

Elfride Trötschel
Foto: Familienarchiv

 

 

Steffen Lieberwirth

Im Banne einer Stimme

Dr. Steffen Lieberwirth

Dr. Steffen Lieberwirth
Foto: MDR

Es ist ein Rundfunk-Freitagnachmittag, wie viele andere auch: Die Abendsendungen für das Wochenendprogramm sind vorbereitet. Im Funkhaus zieht langsam Ruhe ein. Eine gute Zeit, im Schallarchiv nach Konzertmitschnitten zu stöbern und die Woche damit sinnlich ausklingen zu lassen. Ein Ritual, das mir liebgeworden ist.

Dieser Freitag im Jahr 2004 aber wird eine ganz besondere Bedeutung erfahren: Die „Edition Staatskapelle Dresden“ ist eben aus der Taufe gehoben worden.
Die ersten fünf CDs mit Rundfunkaufnahmen des weltberühmten Orchesters sind erschienen und auf dem Plattenmarkt weltweit positiv begrüßt worden.
Der künstlerische Anspruch ist damit gesetzt. Und Ansporn!

Die Messlatte, sie hängt hoch. Womit also könnte die Edition fortgesetzt werden? Qualitätsvoll und spannend zugleich? Warum nicht einmal ein Experiment wagen, um die Kapelle auch als traditionsreiches Opernorchester zu würdigen?

Eher spielerisch durchforste ich also die Archivunterlagen zum Sachgebiet „Oper“, als mich der Name eines ebenso großen wie verdienstvollen Dresdner Dirigenten der Nachkriegszeit neugierig macht. Es ist Joseph Keilberth, der erste Chefdirigent der Staatskapelle nach 1945, der mir hier mit seinem Orchester in einer Gesamtaufnahme von Antonín Dvořáks „Rusalka“ ins Auge fällt. Diese Aufnahme vermag meine Neugier zu wecken. Wie würde eine „Rusalka“ aus dem kriegszerstörten Dresden auf uns Nachgeborene wirken? Hätte sie uns heute noch etwas zu sagen? Oder wäre sie überdeckt vom Theaterstaub der Geschichte?

Nun folgt eine mir unendlich vorkommende Zeit ungeduldigen Wartens, bis die alten Tonbänder erstmals seit Jahrzehnten wieder abgespielt und ihr Geheimnis würden preisgeben können. Die alten, in kyrillisch beschrifteten AGFA-Bandkartons, sind vom Zahn der Zeit ziemlich ramponiert und
verfärbt. Vergilbt sind auch die schreibmaschinengeschriebenen Besetzungszettel, die auf den Bandkartons kleben und die Sängerbesetzung verraten.
Mir aber – und ich gestehe es hier freimütig – sagen die Namen derzeit noch nicht viel.

 

Rusalka-Archivbaender-for-web

Die Urbänder der „Rusalka“-Aufnahme des Mitteldeutschen Rundfunks, Sender Dresden, aus dem Jahr 1948.
Diese Bänder kamen in den 1950er Jahren als wichtiger „Dresdner Aufnahmebeleg“ in das Berliner „Rundfunk-Forschungszentrum“.
2007 wurden diese Originalbänder dank der Vermittlung von Dipl.-Ing. Gerhard Steinke, dem ehemaligen Direktor des Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamtes in Berlin-Adlershof, zwecks Veröffentlichung in der „Semperoper Edition“ an den MDR KULTUR Musikchef, Dr. Steffen Lieberwirth, treuhänderisch übergeben.
Nach dem Mastering der CD nach diesen Originaltonträgern wurden die wertvollen künstlerischen Zeitdokumente der Mediathek der Sächsischen Landesbibliothek – Staatsund Universitätsbibliothek Dresden zur dauerhaften und sicheren Verwahrung übereignet.
© Foto: Marco Prosch

 

Antonín Dvořák: Rusalka

 

daraus: Arie der Rusalka Lied an den Mond
Staatskapelle Dresden
Dirigent: Joseph Keilberth
Aufnahme: Sender Dresden 1948

  WEITERE DETAILS: RUSALKA

 

Troetschel-Rusalka-for-web

Elfride Trötschel als Rusalka
Szenenfoto aus ihrem privaten Künstleralbum

Erwartungsvoll lege ich das erste Band auf die Bandmaschine und gerate von Szene zu Szene mehr ins Schwärmen.
Dann kommt das „Lied an den Mond“… Eigentlich ein Klassik-Hit. Aber so inniglich, so leidenschaftlich fordernd gesungen, und doch auch so verletzlich, hatte ich die Arie noch nicht gehört. Diese Rusalka traf mitten in meine Seele.
Was hatte diese Stimme nur, die mich so spontan ansprach und meine Augen feucht werden ließ?

Meine „Wiederentdeckung“ konnte und wollte ich nicht für mich allein behalten. Diese „Rusalka“ müsste unbedingt in der „Staatskapellen-Edition“ veröffentlicht werden.
Also begebe ich mich auf Spurensuche in Dresden nach jener Sängerin mit dieser „Träne in der Puccini-Stimme“, wie sie Joseph Keilberth seinerzeit so treffend charakterisiert hatte.

 

 

Giacomo Puccini: La Bohème

 

Erinnerungen von Elfride Trötschel in einer Radio-Porträtsendung.
anschließemd: Man nennt mich jetzt Mimi Arie der Mimi
Elfride Trötschel – Mimi
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Gerhard Wiesenhütter
Aufnahme: MDR Sender Leipzig im Sendesaal des Funkhauses in der Leipziger Springerstraße am 26. September 1947

  WEITERE DETAILS: LA BOHÈME 

 


Spurensuche

Sobald der Name Elfride Trötschel fällt, geraten ältere Dresdner Opernliebhaber und Kapellmusiker gleichermaßen ins Schwärmen. Dabei überrascht es mich immer wieder, wie sehr die Sopranistin bis heute in der Erinnerung vieler Dresdner lebt und verehrt wird. Lag das an ihrem so warmherzigen und liebenswerten Wesen? Oder an ihrer künstlerischen Gestaltungskraft? Vermutlich an beiden Eigenschaften.
Elfride, wie sie liebevoll die Kapellmusiker nennen, agierte eben nicht nur sängerisch und schauspielerisch. Sie lebte ihre Rollen. Wenn sie auf der Bühne stand, da war sie eben allabendlich eine jener zerbrechlichen Frauengestalten, mit denen sie litt und zugrunde ging. Ganz gleich, ob nun als Rusalka, Katja Kabanowa, Tatjana, Mimí oder Butterfly.

 

Peter Tschaikowski: Eugen Onegin

 

daraus: Briefszene der Tatjana Und sei’s mein Untergang
Elfride Trötschel – Tatjana
Staatskapelle Dresden · Dirigent: Hans Löwlein
Premierenmitschnitt: Sender Dresden im Mai 1949 im Großen Haus

  WEITERE DETAILS: EUGEN ONEGIN

 

Sie hat das gesungen, was sie empfunden hat“, beschreibt sie Professor Reinhard Ulbricht, der langjährige Konzertmeister der Staatskapelle.
Und er hat heute noch vor Augen, „wie die Trötschel reihenweise die Menschen beim Tod der Butterfly zum Weinen gebracht hat“.
Dabei musste nicht nur er sich allein im Orchestergraben zusammenreißen, „um das Instrument nicht abzusetzen und ihr zuzuhören …“

Lisa Otto, ihre langjährige Dresdner Ensemble-Kollegin und einstmalige Konkurrentin in Besetzungsdingen verehrt sie hochbetagt – trotz so mancher unvergessener Besetzungseitelkeit – bis heute: „Sie hatte eine Art, ins Überirdische zu gehen“ …

Und wirklich: Hört man sich heute die vielen überlieferten Aufnahmen mit Elfride Trötschel an, dann kann man immer noch spüren, dass es wohl eine tiefe Seelenverwandtschaft gewesen sein muss zwischen der Sopranistin mit der lyrischen Stimme und ihrem Publikum.

Ich selbst war noch ein Kind, als Elfride Trötschel 1958 viel zu jung mit erst vierundvierzig Jahren und eben am Beginn einer grandiosen Weltkarriere stehend, sterben sollte. Auf der Bühne habe ich sie nie erleben können. Aber wenn mich heute jemand auf die Dresdner „Rusalka“ oder deren Darstellerin hin anspricht, dann kann ich gern offenbaren, dass es diese Stimme mit ihrer so eindringlichen Gestaltungskraft war, die mich nun – sechs Jahrzehnte später – zur klingenden „Semperoper Edition“ inspirieren sollte.

 

Troetschel-Stilleben-for-web

„Elfride“

Was bleibt von ihr, sind vor allem die in vielen eindrucksvollen Rundfunkaufnahmen erhaltenen Erinnerungen an eine zutiefst fühlende Sängerin, die sich wohl in ihrem Rollenspiel selbst so verzehrte wie eine an beiden Enden brennende Kerze.
Ihre Partie der Rusalka (obgleich aufgeführt weit außerhalb auf der primitiven Bühlauer Behelfsbühne des Dresdner Opernensembles) wird für die ausgehungerten und traumatisierten Menschen im schwer zerstörten Dresden des Jahres 1948 buchstäblich zur Lebenshilfe.

Um so zwingender stellt sich uns jetzt die Frage nach dem Menschen hinter der gefeierten Sängerin, die den Menschen so nachhaltig Trost spenden und Hoffnung geben konnte?
Hinweise von Christel Goltz und von Dresdner Rundfunkkollegen führen mich schließlich hin zu Elfride Trötschels Sohn, einem promovierten Tierarzt, ins Fränkische.
Und um es gleich vorweg zu sagen, das Bild, das ich mir von Elfride Trötschel gemacht hatte, wird durch die liebenswerte und warmherzige Art, mit der mich Andreas Trötschel empfängt, noch weiter bestätigt. Schon bald liegen persönliche Briefe, Künstlerfotos und private Familienalben auf dem Tisch. Kurz gesagt, ein bildhaft ausgebreitetes Künstlerleben ersteht vor dem inneren Auge. Zumal es Andreas Trötschel versteht, das Leben seiner berühmten Mutter bescheiden und sinnlich gleichermaßen vorzustellen …

Steffen Lieberwirth

  WEITER: PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN  von Andreas Trötschel

 ↑   SEITENANFANG


 

Weitere Beiträge zu Elfride Trötschel

PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN  von Andreas Trötschel
BESEELTER GESANG  von Jens Uwe Völmecke
  ELFRIDE TRÖTSCHEL – OPERNPARTIEN

 

 

Link-Tipps

SEMPEROPER EDITION
REGISTER-SEITE „MITTELDEUTSCHE OPERNSÄNGER“

 

 

CDs mit Elfride Trötschel

PH06031_Booklet_Rusalka Antonín Dvořák: RUSALKA  Gesamtaufnahme von 1948
EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN VOL. 6
16-Kabanowa-for-web Leoš Janáček: KATJA KABANOWA   Gesamtaufnahme von 1949
EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN VOL. 16
edition-staatskapelle-vol19-cover Antonin Dvořák: DER JAKOBINER  Querschnitt 1944
EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN VOL. 19   PH 07031
26-PH07043_Booklet_Toch-for-web

Paul Hindemith: DIE JUNGE MAGD I Ernst Toch: DIE CHINESISCHE FLÖTE
EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN VOL. 26

27-PH07060-Freischuetz-for-web

Carl Maria von Weber: DER FREISCHÜTZ
EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN VOL. 27

Edition Semperoper Vol.1: Die Stunde Null - HP xxxxxx „GOTT, WELCH DUNKEL HIER!“
DIE STUNDE NULL
  Dresdner Opernszenen in ersten Rundfunkaufnahmen nach 1945
SEMPEROPER EDITION VOL. 1   HP 1007
Edition Semperoper_Booklet.indd

Ludwig van Beethoven: FIDELIO  Unvollständige Gesamtaufnahme von 1948
SEMPEROPER EDITION VOL. 2

Semperoper Edition Vol. 5: Der Freischütz - HP xxxxx

Carl Maria von Weber: DER FREISCHÜTZ  Gesamtaufnahme von 1951
SEMPEROPER EDITION VOL. 5    HP 10032

Edition Semperoper_Vol7_Booklet Kopie 1 1

ELFRIDE TRÖTSCHEL · Lied Bekenntnisse
SEMPEROPER EDITION VOL. 7   HP 13050

 

 ↑   SEITENANFANG

Sorry, the comment form is closed at this time.