
Chronik des Leipziger Rundfunkchores Die Jahre 1945-1949
Anna Maria Banzhaf Sopran

Anna Maria Banzhaf
Einer Pastellkreide-Porträtzeichnung von Elly Rotil [1948] nachempfundene Bleistiftzeichnung von Alexander Schumann [2007]
Sammlung Rüdiger Koch
Die Sopranistin Anna Maria Banzhaf gehörte dem Leipziger Rundfunkchor nur drei Jahre an. Sie war jedoch eine hochmusikalische, vielseitige Künstlerin, stand als Sängerin beim Reichssender Stuttgart schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung zum Rundfunk, fand in der entscheidenden Neugründungsphase in den Leipziger Rundfunkchor und wurde auf tragische Weise wieder aus dem Chor entfernt. All diese Gründe rechtfertigen es, ihr in der Chronik des Leipziger Rundfunkchores eine eigene Vita zu widmen.
Die musikalisch Begabung von Anna Maria Banzhaf zeigte sich schon sehr früh. So berichtete sie selbst, bereits in ihrer Schulzeit die anspruchsvolle Arie des Ännchen aus Webers Freischütz öffentlich und mit Erfolg gesungen zu haben.
Ein Stipendium ermöglichte ihr ein Musikstudium an der Hochschule für Musik in Stuttgart von 1927 bis 1932, zunächst im Hauptfach Klavier und ab 1928 zusätzlich im Hauptfach Gesang. Beurteilungen ihrer Lehrer bescheinigten ihr „eine weit über dem Durchschnitt stehende musikalische Begabung“ (Dagmar Benzinger, Klavier) und eine „ans Geniale grenzende Begabung“ (Ehrengard Foerster).
Nach dem Studium wirkte die Sängerin in der Spielzeit 1932/33 als Elevin am Württembergischen Landestheater im Stuttgart, wo ihr kleinere Solopartien anvertraut wurden. Die Opernschule stand unter der Leitung von Fritz Windgassen, dem Vater von Wolfgang Windgassen. Im Jahr 1933 wechselte Anna Maria Banzhaf als Sängerin in den Chor des Stuttgarter Senders. Hier war sie, wie auch ihre Chorsängerkollegen, als feste freie Mitarbeiterin beschäftigt – also ohne festen Vertrag, jedoch mit einem regelmäßigen pauschalen Einkommen. Ihre Tätigkeit umfasste neben der Mitwirkung im Chor auch Soloaufgaben. So erinnerte sie sich unter anderem daran, als Partnerin von Walter Ludwig das Duett „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ aus Carl Zellers Operette Der Vogelhändler gesungen zu haben.
Da ihre Familie der Sozialdemokratie nahe stand, wurde Anna Maria Banzhaf ab 1937 nicht mehr vom Sender beschäftigt.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der Scheidung ihrer Ehe musste sie allein für den Unterhalt ihrer drei Kinder sorgen und nahm eine Korrepetitorenstelle am Kattowitzer Stadttheater an.
Im Frühjahr 1942 wechselte sie in gleicher Position an die Städtischen Theater in Leipzig. Hier wirkte sie als Pianistin u.a. an der Uraufführung von Orffs Catulli carmina unter Paul Schmitz mit.
Die Zerstörung des Opernhauses beim Bombenangriff am 4. Dezember 1943 beendete die Tätigkeit an der Leipziger Oper.

Laufplan einer Sonntag-Vormittag-Sendung des Mitteldeutschen Rundfunks mit Anna Maria Banzhaf als Solistin vom 16. Januar 1949
Kopien des Sendeablaufs gingen u.a. an die Zensur und den Kontrolldienst
Dokument: Sammlung Rüdiger Koch

Anna Maria Banzhaf [links] mit ihrem Sohn Hans-Martin im Kreise von Sängern des Leipziger Rundfunkchores bei Enttrümmerungsarbeiten im Hof des Funkhauses in der Leipziger Springerstraße
Foto: Annelies Gläser
Zum Leipziger Rundfunkchor fand Anna Maria Banzhaf schon kurz nach der Übernahme des Chores durch den Mitteldeutschen Rundfunk. Sie erhielt einen Vertrag als Sängerin, Pianistin und 2. Korrepetitorin. Es darf vermutet werden, dass diese variable Position schon im Hinblick auf eine mögliche Beendigung von Werlés Chorleitertätigkeit vom Rundfunk geschaffen wurde.
Auch beim Leipziger Sender wurde Anna Maria Banzhaf mit solistischen Aufgaben betreut, wovon einige erhaltene Programmzettel zeugen.
Weil die Sängerin von der Verbringung ihrer Kinder in das besser versorgte Württemberg nach ihrem Urlaub im August 1949 nicht pünktlich nach Leipzig zurückkehren konnte, wurde sie fristlos entlassen.
Sie selbst führte diese Kündigung auch auf ihre westdeutsche Herkunft zurück.
In einem Interview mit dem SWR berichtet sie über ihre damalige Situation in Leipzig:
Interview Anna Maria Banzhaf mit Ulf Scharlau
Aufnahme: SWR 1994
Nach dem menschenverachtenden Rausschmiss aus dem Rundfunkchor durch die Kaderabteilung des Leipziger Senders siedelte sie nach Reutlingen über, wo sie unterrichtete und Konzerte gab. Mit einigen Leipziger Rundfunksängerinnen stand sie noch längere Zeit in Verbindung.
Anna Maria Banzhaf starb am 26. Februar 1999 in Reutlingen.
Arbeitsbuch von Anna Maria Banzhaf






Rundfunkaufnahme
Verdi: Troubadour
daraus: Zweiter Auftritt
Leonore: Maria Reining
Inez: Anna Maria Banzhaf
Graf Luna: Hans-Hermann Nissen
Azucena: Inger Karén
Manrico: Helge Rosvaenge
Ferrando: Wilhelm Strienz
Ruiz: Bruno Müller
Orchester und Chor des Reichssenders Stuttgart
Dirigent: Bernhard Zimmermann
Aufnahme: Reichssender Stuttgart 1936
INEZ: Warum verweilst du? Finstre Nacht umgibt uns; Die Fürstin wünscht dich zu sprechen – Du zauderst?
LEONORE: Und wieder eine Nacht, ohne ihn zu sehen!
INEZ: Deiner Liebe Glut bringt dir Unheil; O sag‘ mir, rede! Wie entbrannte die Lieb‘ in deinem Herzen?
LEONORE: Beim Turniere! Ich sah ihn, Trauergewand und dunkler Helm zierte den Jüngling. Niemand kannte ihn, den mutigen Helden, der auf dem Kampfplatz besiegte die Gegner. Ich schmückte ihn dann mit der Blumenkrone! In den Krieg doch mußt‘ er ziehen, Ich sah ihn nimmer; doch seine holden Züge mir im Traum erschienen. Und so entschwand mir trübe die Zeit! Doch einst –
INEZ: O sprich doch!
LEONORE: So höre! – Es glänzte schon das Sternenheer, der Zephir säuselt‘ leise, der Mond strahlte ein Silbermeer in sanfter Elfenweise. Ach, da ertönt‘ im Abendwind, wie alles still und leise, aus dem Gebüsche zauberisch die wundervolle Weise, ein trüber, ach! und sehnsuchtsvoller Klang, ach, des Troubadour Gesang! – Auf zu dem Himmel stieg sein Gesang, er flehte zu den Sternen; Ich hörte meines Namens Klang Ertönen in weiter Fernen. Schnell eilte ich zum Fenster hin, er war es, er, der Geliebte, und Himmelslust durchströmt‘ mein Herz, selig blickt‘ ich himmelwärts; Mir galt der wundervolle Klang, ja, mir des Troubadour Gesang. Mir galt der wundervolle Klang, ja, mir der zauberische Klang!
INEZ: Ach! deine Worte machen mich beben, und meine Seele erzittert.
LEONORE: Vergebens!
INEZ: Zweifelndes Bangen füllt meine Seele vor dem geheimnisvollen Fremden! Du sollst ihn vergessen.
LEONORE: Was sagst du? O schweige!
INEZ: Vertrau‘ der Freundin warnendem Rat, hör mich!
LEONORE: Ihn vergessen? Ach! dieses Schreckenswort kann nicht fassen mein liebend Herz. – Ein unnennbares Sehnen durchbebet meine Seele, ich lächle unter Tränen, nur er, nur er, nur er liegt mir im Sinn! Ist fruchtlos auch mein Streben, bleibt ungestillt dies Sehnen, kann ich für ihn nicht leben, will sterben, will sterben ich für ihn!
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