Wir bauen einen Sendesaal [IV-05]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch
Slideshow:
Chormitglieder beim Aufbau des Rundfunk-Sendesaales in der Leipziger Springerstraße 22-24
Fotoserie: Annelies Gläser
Erst eingesetzt – dann rausgesetzt
Der Sender setzt alle verfügbaren Kräfte für den Aufbau der Räumlichkeiten in der Springerstraße ein.
So wirkt der Chor bei Enttrümmerungsarbeiten als Vorbereitung für den Bau des Sendesaals mit, was vom Chormitglied Annelies Gläser auf zahlreichen Fotos dokumentiert wurde.
Stolz präsentieren die Chormitglieder ein Schild mit der Aufschrift „Wir bauen einen Sendesaal“.
Das auf einigen dieser Fotos zu sehende, recht abgemagerte Kind ist der sechsjährige Sohn der Sopranistin und Korrepetitorin Anna Maria Banzhaf, einer alleinerziehenden Mutter.
In einem Interview sagte sie später:
„Ich hatte Kinder, die waren nur noch Haut und Knochen, sie weinten manchmal vor Hunger. Es war entsetzlich“.
Deshalb erwirkte Anna Maria Banzhaf im August 1949 eine Aufenthaltsgenehmigung für ihre beiden Kinder bei ihrem Vater in Reutlingen, sollte die Kinder allerdings in Leipzig in den Zug setzen und allein auf die Reise nach Württemberg schicken. Erst kurz vor dem Ende des Sommerurlaubs konnte sie bei den Ämtern erwirken, ihre Tochter und ihren Sohn doch selbst begleiten zu dürfen. Wegen dieser Verzögerungen kehrte sie jedoch erst ein oder zwei Tage nach dem Dienstbeginn wieder nach Leipzig zurück – und erhielt deshalb sofort ihre fristlose Kündigung.
Alles zurücklassend, verließ die Sängerin auf der Stelle Leipzig.
In einem undatierten, handschriftlichen Lebenslauf kommentiert sie den eigentlichen Grund für ihre Kündigung lakonisch: „… als – im ostdeutschen Sprachgebrauch – Westverdächtige … fristlos entlassen.“
→ VITA ANNA MARIA BANZHAF
Insgesamt stellen sich die ersten drei Jahre in der Existenz des neugegründeten Leipziger Rundfunkchores als ein wenig kontinuierlicher und wenig planvoller Prozess dar.
Lediglich die Chorgründung „von unten“ durch Heinrich Werlé und einige Chormitglieder weicht von dieser Aussage ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es wohl für den Rundfunk und seine Klangkörper wichtiger, überhaupt wieder zu arbeiten, zu senden, Musik zu produzieren – trotz schlechter materieller Voraussetzungen, nicht immer geeigneten Personals und der unterschiedlichsten persönlichen Probleme, für die das Schicksal von Anna Maria Banzhaf sicherlich nur als ein Beispiel von vielen steht.
→ V | Jahre der Nachhaltigkeit |
Auferstanden aus Ruinen
→ IV-01 Ein neuer Anfang
→ IV-02 Aufbaujahre unter Horst-Karl Hessel
→ IV-03 Erste Aufnahmen und Konzerte
→ IV-04 Das Proben-„Lokal“ Ballhaus Reichshallen
• IV-05 Wir bauen einen Sendesaal
Sorry, the comment form is closed at this time.