Das Proben-„Lokal“ Ballhaus Reichshallen [IV-4]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch
Der Saal im Ballhaus Reichshallen
Fotos: Sammlung Rüdiger Koch
In verqualmten Räumen
Die räumlichen Bedingungen waren für die Leipziger Klangkörper des Mitteldeutschen Rundfunks mehr als bescheiden.
Als Aufnahme- und Probenraum stand dem Leipziger Rundfunk-Sinfonieorchester nach dem Krieg zunächst nur der Saal der „Reichshallen“ in der Elisabethstraße im Leipziger Stadtteil Volkmarsdorf zur Verfügung.
Dazu lesen wir in einem Schreiben des Betriebsrats des Mitteldeutschen Rundfunks:
„Das Probenlokal ‚Reichshallen‘ kann nur als Notbehelf angesehen werden, da wir dort unter sehr ungünstigen Bedingungen hinsichtlich Beleuchtung, Heizung, Lüftung, akustische Verhältnisse usw. arbeiten müssen.“
Trotz miserabler akustischer Verhältnisse probte und produzierte die Musikabteilung des Mitteldeutschen Rundfunks in jenem Theater- und Konzertsaal der Leipziger Vorstadt. Ehemalige Chormitglieder berichteten, dass sie in den Reichshallen vor morgendlichen Proben erst Aschenbecher und Unrat von den am Abend zuvor bewirtschafteten Tischen räumen mussten.
Immerhin entstanden in den „Reichshallen“ mit alter Technik des ehemaligen „Reichsrundfunks“ die Szenen aus „Aida“ am 13. Oktober 1947 mit den Dresdner Sängern Christel Goltz als Aida, Helena Rott als Amneris und Bernd Aldenhoff als Radames mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig und dem Rundfunk-Chor Leipzig. Damit sind wir in der glücklichen Situation, auch eine der frühesten Leipziger Nachkriegsaufnahmen mit dem Rundfunkchor und dem Rundfunk-Sinfonieorchester zu besitzen.
Rundfunkaufnahme
Verdi: Aida
daraus: „Komm, lasse Blumen sprießen” … „O komm, Geliebter” (Szene Amneris aus dem 2. Akt)
„Wohl war euch das Los der Waffen feindlich” (Szene und Duett Aida – Amneris aus dem 2. Akt)
Christel Goltz, Sopran – Aida
Helena Rott, Alt – Amneris
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Rundfunk-Chor Leipzig
Dirigent: Rolf Kleinert
Aufnahme: MDR Sender Leipzig am 13. Oktober 1947 in den „Deutsche Reichshallen“ in der Leipziger Elisabethstraße
Originaltonträger: Tonband 77,2 cm/s. Die Aufnahme galt wegen der Verzerrungen als „nicht sendefähig“.
Quelle: DRA
→ WEITERE HISTORISCHE AUFNAHMEN IN DER „SEMPEROPER EDITION“ VOL. 3
Rolf Kleinert wird sich am 12. Dezember 1957 in einem spontanen Brief nach dem Anhören einer Rundfunkaufnahme mit dem Rundfunkchor an die ersten Aufnahmen in den „Reichshallen“ erinnern:
„Vor reichlich 10 Jahren hatten wir in den Reichshallen unsere erste gemeinsame Sendung, der dann während zweier Jahre viele andere folgten. Unser Wille Musik zu machen war damals ebenso groß wie der Hunger und die verschiedenen großen und kleinen Nöte jedes Einzelnen. Manches gelang uns. Manches glückte nicht so wie wir es uns dachten.
Und trotzdem sind Sie nun ein Klangkörper mit Tradition geworden. Bravo!“
Der Sender setzt alle verfügbaren Kräfte für den Aufbau der Räumlichkeiten in der Springerstraße ein. So wirkt der Chor bei Enttrümmerungsarbeiten als Vorbereitung für den Bau des Sendesaals mit, was vom Chormitglied Annelies Gläser auf zahlreichen Fotos dokumentiert wurde.
Stolz präsentieren die Chormitglieder ein Schild mit der Aufschrift „Wir bauen einen Sendesaal“.
Auferstanden aus Ruinen
→ IV-01 Ein neuer Anfang
→ IV-02 Aufbaujahre unter Horst-Karl Hessel
→ IV-03 Erste Aufnahmen und Konzerte
• IV-04 Das Proben-„Lokal“ Ballhaus Reichshallen
→ IV-05 Wir bauen einen Sendesaal
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