Der Chor des Reichssenders Leipzig [II-02]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores Die Jahre 1935-1941
von Rüdiger Koch
→ Gleichschaltung im Rundfunk
→ Leipzig sendet unter neuem Sendernamen
→ Erstmalige Festanstellungen
→ Chormitglieder als Solisten
Curt Kretzschmar
→ Gewachsenes Arbeitspensum
Das Wagner-Jubiläum
Von der Liveübertragung zur Tonaufzeichnung
Die frühesten A-cappella-Aufnahmen des Chores des Reichssenders Leipzig
Reinhold Merten – schwacher Ersatz für Weisbach
Große Namen
→ Erste Kriegsauswirkungen
→ Friedbert Sammler – mehr als eine Notlösung

Programmeintrag der ersten Sendung des Kammerchores des Reichssenders Leipzig in der Programmzeitschrift „mirag“ vom 5. Juli 1934
Dokument: Sammlung Rüdiger Koch
Das Repertoire des Leipziger Solistenchores belegt viererlei:
Seit Juli 1934 sang der Leipziger Rundfunkchor unter dem Namen Kammerchor des Reichssenders Leipzig. Das Leipziger Sinfonieorchester blieb der Klangkörper, mit dem der Chor regelmäßig zusammenarbeitete, das Repertoire veränderte sich in keiner Weise, die Dirigenten blieben im Wesentlichen dieselben.
Diese Aussagen können nur bedeuten, dass der Kammerchor des Reichssenders Leipzig kein neues Ensemble ist, sondern dass der Leipziger Solistenchor lediglich in Kammerchor des Reichssenders Leipzig umbenannt wurde.
Diese Feststellung wird auch gestützt durch die bereits zitierte Aussage von Käthe Brinkmann, dem Leipziger Rundfunkchor von 1930 bis 1950 angehört zu haben. Der Bassist Erhard Neukirch bestätigt diesen Übergang ebenfalls.
Er wurde, um der Geschichte etwas vorzugreifen, Sänger im Bruckner-Chor, ging mit diesem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Stuttgart, wo er für kurze Zeit Sänger im neu gegründeten Südfunk-Chor wurde.
Ein handschriftlicher Lebenslauf, den er im Zusammenhang mit seiner Bewerbung geschrieben hatte, befindet sich noch heute in der Personalabteilung des SWR in Stuttgart. In diesem Lebenslauf bestätigt Neukirch, von 1931 bis 1935 dem Leipziger Solistenchor und ab 1935 dem Chor des Reichssenders Leipzig angehört zu haben.
Die Ursache dafür, dass Neukirch die Jahreszahl 1935 für die Änderung des Chornamens angibt und nicht 1934, mag darin zu suchen sein, dass es in diesen beiden Jahren mehrere Veränderungen im Zusammenhang mit dem Sender und Chor gegeben hatte. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bemächtigten sich diese schnell des Mediums Rundfunk und zerschlugen dazu die bisher selbstständigen regionalen Sender.
Leipzig sendet unter neuem Sendernamen
Für die Mitteldeutsche Rundfunk-A.-G. bedeutete die Neuausrichtung durch höchstzuverlässliche Parteigenossen zunächst die Umwandlung in die Mitteldeutsche Rundfunk GmbH, die dann in den Reichsrundfunk überführt wurde.
Am 1. April des Jahres 1934 wurden alle bisherigen Sendeanstalten in Reichssender umbenannt, der Leipziger Sender in Reichssender Leipzig. Eine logische Konsequenz dieser Gleichschaltung war es, den Leipziger Solistenchor in Kammerchor des Reichssenders Leipzig umzubenennen. Diese Umbenennung erfolgte allerdings erst mit einer Verspätung von drei Monaten zum 1. Juli 1934.
Zum Ende des Jahres 1934 tritt auch ab und zu schon der Name Chor des Reichssenders Leipzig in den Programmzeitschriften auf, 1935 vorübergehend auch die Bezeichnung Funkchor, bis sich dann ab Ende 1935 der sperrige Name Chor des Reichssenders Leipzig endgültig durchsetzt. Dem Leipziger Sinfonieorchester, dessen Träger die Orchestergesellschaft war, blieb das Schicksal der Umbenennung noch einige Jahre erspart.
Jedoch wurde 1939 auch die Orchestergesellschaft zerschlagen und der Klangkörper als Orchester des Reichssenders Leipzig ebenfalls gleichgeschaltet.
Für den Chor brachte das Jahr 1935 zwei weitere wesentliche Veränderungen mit sich.
Mit dem Beginn der Spielzeit 1935/36 wurde mit Curt Kretzschmar ein neuer Kapellmeister beim Sender unter Vertrag genommen, jedoch nicht nur als Kapellmeister, sondern als „Kapellmeister, Chorleiter und musikalischer Sachbearbeiter“.
Fortan dirigierte Kretzschmar die meisten Konzerte des Chores des Reichssenders Leipzig. Ob er bereits einen Titel wie Chorleiter oder Chordirektor trug, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall hat er eine entsprechende Funktion für den Chor ausgeübt.
Die anderen beiden Veränderungen betreffen das Wirken des Chores und die persönliche Existenz der Chormitglieder selbst und sind sicher in einem engen Zusammenhang zur Berufung von Curt Kretzschmar zu sehen.
Im Herbst des Jahres 1935 wird die Anzahl der Stellen des Chores des Reichssenders deutlich auf 32 erhöht. Aus dem Leipziger Melderegister ist zu entnehmen, dass im Oktober und November die Chormitglieder Heinrich Born aus Frankfurt/M., Johannes Diener aus Chemnitz, Julius Ester aus Bevergern, Leonore Eichhorn, Richard Einhorn und Waltraute Groch-Männel aus Dresden sowie Käthe Erkert, Trude Fischer-Demann, Hans Remagen und Maria Winkler-Schmitz aus Köln zuzogen. Vermutlich kam auch Heinz Degen während dieser Zeit aus Frankfurt/M. nach Leipzig.
Am 1. Oktober 1935 erhielten die Sängerinnen und Sänger des Leipziger Rundfunkchores, die während der Phasen der Oratorienvereinigung und des Solistenchores als freie Mitarbeiter beschäftigt waren, feste Verträge.
Dieses Datum ist einem Arbeitszeugnis über Leistungen der Sängerin Käthe Brinkmann zu entnehmen, in dem der Leiter des Reichssenders Leipzig, Dr. Wilhelm Hitzig, bestätigt, dass Frau Brinkmann vom 1. Oktober 1935 bis zum 31. Dezember 1942 als Mitglied des Chores angestellt war und sich auch solistisch bewährt hat.
Weil die Sopranistin auch schon dem Leipziger Solistenchor angehört hatte, dürfte sie einen festen Vertrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt erhalten haben. Die Angabe von Clemen: „1934 … Der Sender unterhält einen Chor, dessen Mitglieder fest angestellt sind“ , fußt sicher auf Angaben von Fred Malige und muss auf den 1. Oktober 1935 korrigiert werden.
Der Personalbestand des Chores des Reichssenders Leipzig kann anhand der Bühnen-Jahrbücher, des Leipziger Melderegisters, der Leipziger Adressbücher und der Angaben in der Betriebs- und Feldpostzeitung „Das leere Haus“ für den Zeitraum 1935 bis 1942 sehr genau festgestellt werden:
Sopran | Alt | Tenor | Bass |
---|---|---|---|
Eva Anschütz | Emmy Daehne | Heinrich Heinz Degen | Heinrich Born |
Charlotte Beuster Sommer (ab 1938) auch Altistin |
Leonore Eichhorn | Johannes Hans Diener (bis 1936) |
Hans Heimbach |
Charlotte Boenisch (ab 1940) |
Käthe Erkert Matzen (1935 bis 1937) |
Richard Einhorn | Gerhard Hofmann |
Käthe Brinkmann | Trude Fischer-Demann (bis 1936) |
Julius Ester eigentl.: Eiter (vorher Bass) |
Rudolf Müller (1936 bis 1939) |
Erna Dietrich (bis 1939) |
Irmgard Fritzsche (ab 1937) |
Friedrich Fahrig (ab 1938) |
Erhard Neukirch |
Lilly Goerger (1936 bis 1940) |
Waltraute Groch-Männel | Walter Kretschmar | Hans Remagen |
Edith Haßelmann | Marie-Käthe Herre | Friedrich Marr (bis 1939) |
Johannes Hans Rothe (ab 1941) |
Käthe Jena (ab 1941) |
Charlotte Hein | Erich Purfürst | Friedrich Fritz Schmidt |
Eva Kornetzky (1936 bis 1938) |
Dorothea Schröder (ab 1939) |
Albert Schwarzburger | |
Ursula Thate (ab 1939) |
Mary Trautner (ab 1937) |
Hans-Herbert Weigel | |
Elly Volkenrath (1936 bis 1937) |
|||
Maria Winkler-Schmitz (bis 1941) |
Fast alle Sängerinnen und Sänger aus dem Chor des Reichssenders Leipzig waren auch solistisch tätig, entweder in Sendungen, an denen auch der Chor teilnahm oder in anderen Sendekonzerten. Es ist anzunehmen, dass die Verpflichtung zu Soloaufgaben, wie im Falle von Käthe Brinkmann, bei den meisten von ihnen im Arbeitsvertrag verankert war.
Besonders häufig traten Eva Anschütz, Käthe Brinkmann, Emmy Daehne, Erna Dietrich, Edith Haßelmann, Marie-Käthe Herre, Dorothea Schröder, Walter Kretschmar und Hans Remagen als Solisten auf.
Die interessantesten Persönlichkeiten aus diesem Kreis sind Erna Dietrich, Dorothea Schröder und Walter Kretschmar.
Den beiden Damen widmet sogar das Sängerlexikon von Kutsch und Riemens jeweils eigene Artikel.
→ VITA ERNA DIETRICH
→ VITA DOROTHEA SCHRÖDER
→ VITA KÄTHE BRINKMANN
→ VITA WALTER KRETSCHMAR
Die Leipziger Rundfunk-Chorsänger traten auch vor 1946 häufig auf dem Gebiet des Kammermusik auf.
Als einzige ständige Kammermusikvereinigung hatten sich Käthe Brinkmann, Charlotte Hein und Marie-Käte Herre unter dem Namen die Leipziger Lerchen zusammengeschlossen.
Der Kapellmeister und Chorleiter Curt Kretzschmar kam, wie sieben Jahre vorher schon Heinrich Werlé, aus Frankfurt am Main. Dort war er seit 1922 als Kapellmeister und Chordirektor beschäftigt, hatte einen großen Opernchor zu leiten und dirigierte das gesamte Repertoire von der großen Oper bis zur Operette. Kürzlich entdeckte der Autor eine Briefkarte seines Freundes, des Schriftstellers Otto Czierski, der sich enthusiastisch über eine von Kretzschmar um 1930 dirigierte Maskenball-Aufführung äußert. Daneben leitete Kretzschmar die Opernchorklasse des Hoch‘schen Konservatoriums.
Ob sich Curt Kretzschmar und Heinrich Werlé in ihrer Frankfurter Zeit begegnet sind, ist nicht bekannt, jedoch recht wahrscheinlich. In Leipzig arbeiteten beide noch einige Wochen nebeneinander. Kretzschmars Vertrag hatte am 1. Juli 1935 begonnen, Werlé dirigierte sein letztes Sendekonzert am 4. November 1935.
→ VITA CURT KRETZSCHMAR
Warum es Curt Kretzschmar an den Leipziger Sender zog, ist nicht bekannt. Auszuschließen ist jedoch nicht, dass der neue Leipziger Rundfunkintendant Carl Stueber, der in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre als Sachwalter der Nationalsozialisten das Opernhaus in Frankfurt am Main interimistisch geleitet hatte, Kretzschmar nach Leipzig holte. Die erhalten gebliebenen Akten belegen, dass auch Curt Kretzschmar mit dem Nationalsozialismus sympathisierte.
Das von Curt Kretzschmar am Reichssender Leipzig dirigierte Repertoire lässt erkennen, dass er ein Routinier im besten Sinne des Wortes gewesen sein muss. Unter seiner Leitung standen gleichermaßen Konzerte, Sendungen und Aufnahmen von Opern, Operetten, A-cappella- und Volksliedprogramme.
daraus: Chorszenen
Violetta – Lea Piltti · Alfred – Walther Carnuth · Flora
Käthe Brinkmann [Chormitglied] · Gaston – Paul Reinecke · Barone – Philipp Göpelt · Marqui – Robert Büssel · Dottore – Peter Russ
Sinfonie-Orchester und Chor des Reichssenders Leipzig
Dirigent: Curt Kretzschmar
Aufnahme: Reichssender Leipzig am 6. Mai 1938 in Großen Saal des Neuen Gewandhauses
Originaltonträger: Rundfunk-Schallplatten [unbearbeitet].
Quelle:
Die Leipziger Opernaufnahme ist als Gesamtaufnahme im DRA Frankfurt archiviert
Einen breiten Raum nahmen in Kretzschmars Tätigkeit heitere, bunte Sendungen ein.
Er scheint auch der Schöpfer der Sendereihen „Leipziger Kaleidoskop“ und „Leipziger Dienstags-Zeitung“ gewesen zu sein, für die er zum Teil auch die Bearbeitungen geliefert hat.
Kretzschmar ließ ab 1935 regelmäßig auch Militärkapellen, SA-Musikzüge und Soldatenchöre gemeinsam mit dem Chor des Reichssenders Leipzig und dem Leipziger Sinfonieorchester auftreten. Die Namen anderer Dirigenten werden in diesem Zusammenhang nie genannt.
Unter dem Datum des 4. Januar 1956 verzeichnet das Ausgabenjournal der Chorkasse des Leipziger Rundfunkchores Portokosten für einen „Neujahrsglückwunsch an Curt Kretzschmar, Hamburg“. Vermutlich hatten der Vorstand des Rundfunkchores oder Chormitglieder, die Kretzschmar noch aus seiner Leipziger Zeit gekannt und unter ihm musiziert hatten, den Kontakt zum Dirigenten erneuert, was durchaus für eine Verbundenheit mit Kretzschmar und für eine Wertschätzung seiner Person spricht.

Konzertzettel der NS-Kulturgemeinde von 1936 für die Sinfoniekonzerte des „Leipziger Sinfonie-Orchesters“ und den „Chor des Reichssenders Leipzig“
Dokuemnte: MDR Orchesterarchiv
Gewachsenes Arbeitspensum
Die Vergrößerung des Chores des Reichssenders Leipzig im Herbst 1935 und die Festanstellung seiner Sängerinnen und Sänger spiegeln sich auch im Rundfunkprogramm wider. Der Chor ist nun beinahe täglich im Programm vertreten. Für die wenigsten Sendungen kann schon auf Aufnahmen zurückgegriffen werden, sodass die Sängerinnen und Sänger ein sehr großes Arbeitspensum zu bewältigen, also sehr schnell zu arbeiten hatten.
Neben Curt Kretzschmar dirigieren auch die anderen beim Reichssender Leipzig beschäftigten Dirigenten Hilmar Weber, Theodor Blumer, Alfred Schröter und gelegentlich Otto Fricke den Chor.
Die Höhepunkte im Konzertprogramm bleiben allerdings dem Chefdirigenten Hans Weisbach vorbehalten. Er dirigiert zum Beispiel Verdis „La Traviata“, einen Zyklus von Mozart-Opern, Bellinis „Norma“, „Die Fledermaus“ von Johann Strauß, den „Freischütz“ und „Euryanthe“ von Weber, Hans Pfitzners Oper „Das Christelflein“ und dessen Kantate „Von deutscher Seele“ , „Die Schöpfung“ von Haydn, Händels „Cäcilien-Ode“, den „Psalmus hungaricus“ von Kódaly, das Requiem von Verdi und mehrfach Beethovens 9. Sinfonie.
Über ein Konzert vom 1. Januar 1938 mit diesem Werk schreibt die Zeitschrift für Musik in ihrer Februarausgabe des Jahres 1938:
„Die von Hans Weisbach geleiteten Sinfoniekonzerte werden nunmehr in Gemeinschaft mit dem Reichssender Leipzig von der NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude’ (NS-Kulturgemeinde) durchgeführt… Zu der Aufführung von Beethovens ‚Neunter’, die im ersten Konzert stattfand, waren über 15.000 Kartenbestellungen eingegangen…“ (S. 170).
→ VITA HANS WEISBACH
Einen musikalischen Höhepunkt und eine Kraftleistung sondergleichen stellt die Aufführung beinahe aller Wagner-Opern aus Anlass von Richard Wagners 125. Geburtstag dar. Zwischen November 1937 und April 1938 werden „Rienzi“, „Der fliegende Holländer“, „Tannhäuser“, „Lohengrin“, „Tristan und Isolde“ sowie „Parsifal“ unter Beteiligung des Chores des Reichssenders Leipzig aufgeführt und live übertragen. Die Sendungen wurden via Plattenschneider auf Wachsplatten mitgeschnitten.
Von Oktober bis Dezember 1935 hatte Weisbach bereits den gesamten „Ring“ geboten, selbstverständlich hatte der Chor in der „Götterdämmerung“ mitgewirkt.
Auf Rundfunkplatten festgehalten wurde aus der Liveübertragung nur der 3. Akt aus dem Parsifal, von dem sich leider auch nicht alle Platten erhalten haben. Immerhin exisitiert davon eine reichliche Aufnahmestunde:
Wagner: Rienzi
daraus: Chorszenen
Sinfonieorchester und Chor des Reichssenders Leipzig
Rienzi: August Seider · Irene: Franziska von Dobay · Colonna: Rudolf Gonszar · Adriano: Margarete Klose · Orsini: Theodor Horand · Raimondo: Ferdinand Frantz · Baroncelli: Hanns Fleischer · del Vecchio: Rudolf Schmalnauer oder Peter Russ?
Dirigent: Hans Weisbach
Aufnahme: Mitschnitt der Liveübertragung des Reichssenders Leipzig aus dem Großen Saal des Neuen Gewandhauses am 13. November 1937
Originaltonträger: Rundfunkplatten 78 U/min [unbearbeitet]
Quelle:
Die Leipziger Opernaufnahme ist als Gesamtaufnahme im DRA Frankfurt archiviert
Wagner: Parsifal
daraus: Finale
Sinfonieorchester und Chor des Reichssenders Leipzig
Parsifal: Helge Rosvaenge · Gurnemanz: Josef von Manowarda · Amfortas: Paul Schöffler · Kundry: Martha Fuchs · Knappen: Martha Rohs u. Erna Dietrich [Chormitglied]
Dirigent: Hans Weisbach
Aufnahme: Mitschnitt der Liveübertragung des Reichssenders Leipzig aus dem Großen Saal des Neuen Gewandhauses am 25. März 1938
Originaltonträger: Rundfunkplatten 78 U/min [unbearbeitet]
Quelle:
Von der Leipziger Opernaufnahme ist der Dritte Akt erhalten
Von der Liveübertragung zur Tonaufzeichnung
Ab Mitte der dreißiger Jahre haben sich die technischen Voraussetzungen so weit entwickelt, dass auch für den Chor Tonaufzeichnungen möglich werden.
Die Aufnahme der Arie der Marie aus der Oper „Die Regimentstochter“ von Donizetti mit Irma Beilke und dem Leipziger Sinfonieorchester unter Curt Kretzschmar vom 1. März 1937 stellt die erste erhalten gebliebene Aufnahme mit dem Chor des Reichssenders Leipzig dar:
Donizetti: Die Regimentstochter
daraus: Es ist gescheh’n (II,7) Arie der Marie
Marie – Irma Beilke, Sopran
Orchester und Chor des Reichssenders Leipzig
Dirigent: Curt Kretschmar
Aufnahme: Reichs-Sender Leipzig vom 1. März 1937 im Großen Saal des Neuen Gewandhauses
Originaltonträger: 2 Rundfunkplatten 30cm – 78 U/min
Quelle:
Die frühesten A-cappella-Aufnahmen des Chores des Reichssenders Leipzig
Am 12. Juni 1937 findet erstmals eine A-cappella-Produktion von elf deutschen Volksliedern statt.
Leider ist nicht überliefert, wer die Aufnahme dirigiert hat. Allerdings standen drei Wochen zuvor deutsche Volkslieder, dirigiert von Friedbert Sammler, auf dem Programm eines Abendkonzertes. So ist nicht auszuschließen, dass es diese Volkslieder gewesen sind, die auch am 12. Juni aufgenommen wurden, und dass auch hier Sammler der Dirigent gewesen ist.
Friedrich Silcher: Wohin mit der Freud
Chor des Reichssenders Leipzig
Dirigent: [vermutlich] Friedbert Sammler
Aufnahme: Reichssender Leipzig am 12. Juni 1937 im Kleinen Saal des Neuen Gewandhauses
Tonträger: Rundfunkplatten 78 U/min [ubearbeitet]
Quelle:
VOLLSTÄNDIGE AUFNAHMESTAFFEL ANHÖREN
A-cappella- und Volksliederkonzerte werden neben Curt Kretzschmar auch vom Tonmeister Dr. Hellmut Lungershausen, von Kapellmeister Theodor Blumer und sehr häufig auch von Friedbert Sammler dirigiert. Er steht bei einer Folge von mehreren Konzerten unter dem Titel „Unser das Land“ am Pult des Chores.
Reinhold Merten – schwacher Ersatz für Weisbach
Etwa mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ändern sich auch die Arbeitsbedingungen für die Musikabteilung des Leipziger Senders. Der geachtete Hans Weisbach hatte schon 1938 Leipzig verlassen, der unbedeutende Reinhold Merten wird 1939 nur ein schwacher Ersatz.
Auch unter seiner Leitung singt der Chor, beispielsweise die Kantate „Taillefer“ von Richard Strauss in einem Konzert oder den Soldatenchor aus Mozarts „Così fan tutte“ in einer Aufnahme.
Mozart: „Cosi fan tutte“
daraus O wie schön, Soldat zu sein
Orchester des Reichssenders Leipzig
Chor des Reichssenders Leipzig
Dirigent: Reinhold Merten
Aufnahme: 3. Dezember 1939 im Großen Saal des Neuen Gewandhauses.
Original-Tonträger: Rundfunk-Schellackplatte 25cm
Quelle:
Wie es Rundfunkaufnahmen belegen, so kommt es in jener Zeit auch zu einer hochkarätigen künstlerischen Zusammenarbeit zwischen dem Chor und Paul Schmitz, dem gefeierten Generalmusikdirektor des Leipziger Opernhauses.
Mit Margarete Teschemacher wird ein Superstar von der Dresdner Staatsoper geholt.
↔ DAPHNE-URAUFFÜHRUNG DRESDEN
Wagner: „Lohengrin“
daraus Sei gegrüßt Du gottgesandter Mann
Orchester und Chor des Reichssenders Leipzig
Margarete Teschemacher, Sopran · August Seider, Tenor · Gerhard Hofmann [Chomitglied]
Dirigent: Paul Schmitz
Aufnahme: 8. Februar 1941 im Senderaum des Reichs-Senders Leipzig
Original-Tonträger: Rundfunk-Schellackplatte 25cm
Quelle:
Und auch der Gewandhauskapellmeister Hermann Abendroth engagiert den Rundfunkchor für seine Gewandhauskonzerte. Beispielsweise wirkt der Chor bei der deutschlandweiten Übertragung von Beethovens Neunter Sinfonie im ersten Kriegs-Neujahrskonzert 1939 mit.
→ EDITION GEWANDHAUSORCHESTER VOL. 4
In den Reihen der Chöre klaffen wegen der Einberufung vieler Sänger immer größere Lücken. Dadurch kommt das architektonische Gefüge des Leipziger Chores wie aller anderen Rundfunkchöre aus dem Gleichgewicht. Speziell für den Chor hatten sich durch das Ausscheiden Curt Kretzschmars im Sommer 1940 besonders schwierige Bedingungen ergeben. Hatte der Chorleiter die bevorstehenden Veränderungen geahnt oder gar schon von ihnen gewusst? Glaubte er, am Berliner Sender trotz allem noch bessere Arbeitsbedingungen zu haben als in Leipzig? Weil in den beinahe männerlosen Kriegszeiten auch Dirigenten rar waren und das Ende der Leipziger Rundfunkklangkörper ohnehin zu ahnen war, wurde Friedbert Sammler mit der Leitung des Chores betraut. Das Bühnenjahrbuch führt ihn für die Spielzeit 1940/41 nicht mehr als Chorrepetitor, sondern als Chordirigenten. Die Beförderung Sammlers von der Funktion des Chorrepetitors in die Position des Chordirigenten war sicher eine kluge Entscheidung.
Friedbert Sammler – mehr als eine Notlösung
Schon im Gründungsjahr des Mitteldeutschen Rundfunks wurde Sammler Mitarbeiter des Senders. Die Adressbücher bezeichnen ihn treffend als Tonkünstler, denn sein charakteristischstes Merkmal war die Vielseitigkeit. So findet man seinen Namen als Sänger des Leipziger Männerquartetts im MIRAG-Programm und immer wieder als Pianisten. Friedbert Sammler darf guten Gewissens als der am meisten beschäftigte Künstler des Leipziger Rundfunks vor 1945 bezeichnet werden.
Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht am Sendeprogramm beteiligt war: Traten bekannte Instrumental- und Gesangssolisten auf, saß Sammler häufig am Klavier, die Sendereihen „Wir stellen uns vor“ und „Junge Künstler vor dem Mikrophon“ nennen ihn ebenfalls regelmäßig als Klavierbegleiter; suchte MIRAG-Kapellmeister Theodor Blumer für die Aufführung vierhändiger Stücke einen Partner, fiel seine Wahl auf Friedbert Sammler.
→ VITA FRIEDBERT SAMMLER
Wurde ein Cembalo-Solist, Continuo- oder Orchesterklavierspieler gebraucht – auch hier war es Sammler, der den Part übernahm. In der noch von Alfred Szendrei angeregten Reihe der Sendung sämtlicher Bach-Kantaten durch den Thomanerchor unter Karl Straube saß Sammler immer am Cembalo.
Erwähnt wurde schon, dass Friedbert Sammler in allen Phasen der Rundfunkchor-Entwicklung am Pult des Chores stand: in den Morgenfeiern mit der Leipziger Oratorienvereinigung, mehrfach in A-cappella-Sendungen mit dem Solistenchor und immer wieder als Dirigent auch des Chores des Reichssenders Leipzig.
Es drängt sich dem aufmerksamen Betrachter und Kenner der Rundfunkchorpraxis die Vermutung auf, dass Friedbert Sammler eine Funktion innehatte, die heute als Chorassistent bezeichnet würde, dass er also auch Proben für die Chefs Szendrei und Weisbach abgehalten und Einstudierungen für andere Dirigenten betreut hat.
Als der Chor 1941 nach München abgeordnet wird, ist es Sammler, der den Chor dorthin begleitet. Noch im Frühjahr 1945 wird der beinahe 60-jährige eingezogen, gelangt nach Russland, gerät im Frühjahr in Gefangenschaft und kommt in ein Internierungslager auf den Rheinwiesen bei Bad Kreuznach, in dem die amerikanische Besatzungsmacht Zehntausende von Kriegsgefangenen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen interniert hatte. Es ist tragisch zu nennen, dass dieser hoch begabte, vielseitige Künstler die Strapazen der Gefangenschaft nicht überlebt hat.
→ WEITER: AUFGELÖST UND ABKOMMANDIERT
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Übersicht zu den Chronik-Themen
→ Der Leipziger Rundfunkchor der Mitteldeutschen Rundfunk AG · 1924-1932
• Der Chor des Reichssenders Leipzig · 1933-1943
→ Leipziger Rundfunk-Chorsänger im Reichs-Bruckner-Chor · 1943-1945
→ Ein neuer Anfang · 1945 IN ARBEIT
→ Jahresübersicht zum Leipziger Rundfunkchor
→ Literaturverzeichnis I Quellen I Dank IN ARBEIT
Rüdiger Kochs Rundfunkchor-Chronik beruht im Kern auf der Broschüre „Erster kurzer Abriss der Frühgeschichte des MDR Rundfunkchores von 1924 – 1946“, in der im Dezember 2002 die ersten Ergebnisse zusammengefasst wurden und die im März 2003 in einer zweiten Auflage unter dem Titel „Material zu einer Frühgeschichte des MDR Rundfunkchores Leipzig von 1924 – 1946“ aktualisiert wurde.
Unsere multimediale Chronik berücksichtigt die seither gewonnenen Erkenntnisse.
Partner
Die Chronik des Leipziger Rundfunkchores entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt und Potsdam Babelsberg.
Wir bedanken uns bei den DRA-Mitarbeitern Frau Christiane Poos-Breir und Herrn Jörg Wyrschowy für wichtige Archiv-Dokumentationen.
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