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„Wer kennet ihre Namen?“
                             (Johann Wolfgang von Goethe: „Der Sänger“)

 

Erich Purfürst

Der Tenor Paul Erich Purfürst ist eine interessante Sängerpersönlichkeit und gehörte dem Leipziger Rundfunkchor in vier Phasen seiner Entwicklung an.

Purfürst wurde am 29. August 1900 in Plauen geboren. Am 15. September 1924 begann er ein Gesangsstudium am Leipziger Konservatorium (Inskriptions-Nr. 14767) bei Oskar Laßner. Zuvor war er in Plauen als Lehrer tätig. Ab 18. November 1924 ist Purfürst in Leipzig gemeldet, wohnte zwischenzeitlich aber auch in Erfurt. In der Meldekartei des Sächsischen Staatsarchivs wird er zunächst „Musikstudierender“, später „Opernsänger“ und „Konzertsänger“ genannt. Hier wird zudem angemerkt: „Anstellung Rundfunk Gesellsch.“.

Das Programm der MIRAG verzeichnet Purfürst des Öfteren als Solist.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Erich Purfürst schon im Leipziger Solistenchor gesungen hat, auf jeden Fall dann aber im Chor des Reichssenders Leipzig.

Purfürst wurde 1943 Mitglied des Reichs-Bruckner-Chores und in diesem zum Chor-Obmann bestimmt. Nachdem Günther Ramin dem Bruckner-Chor im Februar 1944 mitgeteilt hatte, ab April nicht mehr Leiter des Chores zu sein, verfasste Purfürst im Namen der Chormitglieder einen Brief an Rundfunk-Reichsintendant Glasmeier und setzte sich dafür ein, Ramin zukünftig zumindest einen Gastvertrag zu geben:

„Die Mitglieder des Bruckner-Chores haben die Mitteilung davon, daß Sie den Vertrag mit Herrn Prof. Ramin nicht erneuern werden, mit tiefer Bestürzung und großer Besorgnis aufgenommen. Wegen der grundlegenden Bedeutung dieser Maßnahme möchten wir uns erlauben, Ihnen mit den folgenden Zeilen unsere Stellungnahme dazu zu unterbreiten. Herr Prof. Ramin bedeutet für uns die Gewähr für die Erreichung des von Ihnen aufgestellten höchsten künstlerischen Zieles. Er hat nicht nur die Mitglieder nach bewährten Gesichtspunkten ausgewählt und aus der Vielheit guter Stimmen durch die konzentrierte Probenarbeit einen Klangkör­per von schon beachtlicher Einheitlichkeit geschaffen, sondern auch durch die ersten sehr starken Aufführungserfolge, die von zukunftsweisender Nachhaltigkeit waren, die Zielsicherheit des eingeschlagenen Weges unter Beweis gestellt. Die Einmaligkeit seiner kraftvollen Künstlerpersönlichkeit ist zu bekannt, als daß wir uns noch berufen fühlen könnten, ihm hiedurch ein Zeugnis ausstellen zu dürfen. Aber die überlegene Aufgeschlossenheit seines musikantischen und erzieherischen Zupackens, seine oft ans Fanatische reichende Arbeits- und Musikbesessenheit, sowohl die großlinige, schwungvolle Gestaltung als auch die lebendige Ausformung jeder Phrase, die doch stets aus dem Geiste des jeweiligen Werkes schöpft, die ihm eigene faszinierende Suggestivkraft, die nicht nur alle Mitwirkenden in energischen Bann schlägt, sondern auch einen großen Saal voller, heute meist abgespannter und für seriöse Werke nicht so ohne weiteres aufgeschlossener Menschen in atemloser Spannung hält, das alles ließ in uns die Gewißheit reifen: So und nicht anders muß es sein! So sieht der gerade Weg des Bruckner-Chores in die Berühmtheit aus! Dabei wollen Sie bitte bedenken, daß diese Erkenntnis keinesfalls nur bei den jungen, leicht zu begeisternden Mitgliedern entstanden ist, sondern auch gerade bei den erfahrenen, die auf diesem Gebiet schon viel erlebt haben … Wir bitten Sie deshalb aus bewegtem Herzen und im starken Glauben an die zukünftigen Aufgaben des Bruckner-Chores, den von Ihnen als richtig erkannten Weg zu beschreiten und Herrn Prof. Ramin durch einen weitgehenden Gastvertrag auch fernerhin fest an uns binden zu wollen.“ (Kreczi, S. 291)

Nachdem sich Erich Purfürst im September 1944 auch für den beim Reichintendanten in Ungnade gefallenen stellvertretenden Chorleiter Johannes Rietz eingesetzt hatte, wurde der Tenor am 25. September 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Am 3. Oktober 1944 teilte Rundfunk-Reichsintendant Glasmeier dem Bruckner-Chor auf einer Betriebsversammlung mit, er habe Erich Purfürst nach Leipzig versetzten lassen. Dieser würde auch nicht wieder in den Chor zurückkehren.

Johannes Rietz erteilte Purfürst am 17. November 1944 ein ausgezeichnetes Zeugnis als Sänger und Chor-Obmann:

„Purfürst ist ein in jeder Weise hochqualifizierter Chorsänger, dessen leichter Tenor in der Höhe mühelos anspricht. In seiner technisch wie musikalisch durchdachten Art des Singens erwies sich seine Eignung auch als Stimmbildner. In dieser Weise wurde er als Leiter von Einzelproben mit Erfolg eingesetzt. Als Chor-Obmann vertrat er mit Aufopferung und unter Zurückstellung persönlicher Interessen die Belange seiner Kameradinnen und Kameraden und stand dem Leiter in organisatorischen Dingen stets hilfsbereit und ratend zur Seite“ (Kreczi, S. 303)

Nach einer Mitteilung des ehemaligen Chormitgliedes Annelies Gläser gehörte Erich Purfürst im Mai 1946 zu den Neugründungsmitgliedern des Rundfunkchores Leipzig unter Heinrich Werlé.
Wann Purfürst aus dem neu gegründeten Chor ausschied, ist nicht bekannt.

Der Sänger starb am 12. November 1986 in Leipzig.

Quellen:
Hanns Kreczi, Das Bruckner-Stift St. Florian und das Linzer Reichs-Bruckner-Orchester (1942 – 1945), Graz 1986
Mitteilung des Stadtarchivs Leipzig vom 30. Juni 2003
Meldekartei im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig (Polizeipräsidium Leipzig, PP-M 945)

 

→  ZUR RUNDFUNKCHOR-CHRONIK 1933-1943
→  VERZEICHNIS DER MITGLIEDER DES LEIPZIGER RUNDFUNKCHORES

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