Die 1980er Jahre
„Aufgaben“ zwischen 1985 und 1988 [XX]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Der Komponist Udo Zimmermann (links) und Jörg-Peter Weigle 1984 während einer Probe zu Zimmermanns „Pax questuosa“
© Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Barbara Stroff
Gretchenfrage: Chor oder Orchester? XX-03
Die Geschichte des Leipziger Rundfunkchores verdeutlicht, dass es die meisten seiner Leiter später (auch) zur Arbeit mit Orchestern zog. Kegel wurde Chef des Großen Rundfunkorchesters Leipzig und später des Rundfunk-Sinfonieorchesters.
Dietrich Knothe dirigierte als Leiter der Berliner Singakademie und des Rundfunkchores Berlin sehr häufig chorsinfonische Werke. Und Horst Neumann avancierte zum Chefdirigenten des Rundfunkorchesters.
Der Wechsel zu einem Orchester bedeutete für diese ehemaligen Chorleiter jedoch nicht zwangsläufig eine Abkehr von der Arbeit mit Chören im Allgemeinen und vom Rundfunkchor Leipzig im Besonderen. Die Orchesterarbeit stellte vielmehr eine Möglichkeit dar, die interpretatorischen Möglichkeiten und das Repertoire zu erweitern.

Der Rundfunkchor Leipzig mit Jörg-Peter Weigle im Februar 1984
© Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Barbara Stroff
Ähnlich bei Jörg-Peter Weigle, der mit Beginn der Spielzeit 1986/87 zum Chefdirigenten der Dresdner Philharmonie berufen wurde.
„Ich dirigiere sehr gern Chorsinfonik. Daß ich jetzt mit Chor und Orchester intensiv und gleichberechtigt arbeiten kann, macht mir große Freude. Beide Aufgaben ergänzen sich, sie befruchten sich gegenseitig“, so Weigle gegenüber den Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten.
Gegenüber einer Dresdner Zeitung legte Weigle Wert auf eine rein persönliche Feststellung:
„Bis Juli 1988 gilt sein Erstvertrag dem von ihm entscheidend geformten Rundfunkchor. An Dresdens Philharmonie ist er bis dahin durch einen sog. ‚halben Vertrag‘ gebunden, designierter und berufener Chef. So muß 1987 der Leipziger Nachfolger gefunden werden. Einen ‚ferngesteuerten‘ Chor – nein: das gibt es nicht für Weigles Verantwortung und den zu bewahrenden Rang seines Chores.“
Einen Wunsch hatte der künftige Dresdner Orchesterchef: „Ich möchte den Leipziger Rundfunkchor wie gewohnt einmal im Jahr nach Dresden zu einer großen chorsinfonischen Aufführung einladen.“
Dazu kam es, auch wenn bis 1989 Herbert Kegel die meisten dieser Konzerte dirigierten sollte – wohl auch eine Verbeugung vor dem großen Alten. In gemeinsamen Konzerten von Dresdner Philharmonie und Leipziger Rundfunkchor dirigierte Weigle 1994 die 2. Sinfonie von Gustav Mahler sowie die Jüdische Chronik, ein Gemeinschaftswerk von Blacher, Henze, Hartmann, Dessau und Wagner-Régeny, in einem „Gedenkkonzert aus Anlass des 50. Jahrestages der faschistischen Pogromnacht“ am 8. November 1988 im Schauspielhaus Berlin.
Interessant ist ein Blick auf den Dienstplan des Leipziger Rundfunkchores im Umfeld dieses Konzerts. Vom 5. bis zum 9. November weilte das Ensemble in Dresden, um dort zusammen mit der Staatskapelle unter der Leitung von Silvio Varviso deutsche Opernchöre aufzunehmen. Am 8. November wurde in der Dresdner Lukaskirche noch ein Aufnahmetermin absolviert. Danach fuhr man per Bus nach Berlin, absolvierte dort eine Probe und das Konzert, um danach wieder nach Dresden zurückzufahren. Erst nach einem letzten Produktionstermin, am Vormittag des 9. November in Dresden, konnte der Chor wieder nach Leipzig zurückkehren.
Giuseppe Verdi: Otello
daraus: Chor Fuoco di gioia
Rundfunkchor Leipzig
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Jörg-Peter Weigle
Aufnahme: Sender Leipzig am 19. August 1986 in der Bethanien-Kirche zu Leipzig
Künstlerische Aufnahmeleitung: Günter Neubert
Kapitelübersicht
→ XX | Die 1980er Jahre: „Aufgaben“ zwischen 1985 und 1988 |
→ XX-01 | Der sogenannte „Vertragsbruch“ Wolf-Dieter Hauschilds |
→ XX-02 | Weigles Chance |
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