Die 1980er Jahre
„Aufgaben“ zwischen 1985 und 1988 [XX]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Aufführung des Oratoriums „Israel in Ägypten“ am 29. September 1985 im Neuen Gewandhaus Leipzig durch die Leipziger Rundfunk-Klangkörper. Am Dirigentenpult steht Jörg-Peter Weigle.
Foto: Barbara Stroff – Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Weigles Chance [XX-02]
Die „Übersiedlung“ des Chefdirigenten nach Stuttgart war eine große Chance für Jörg-Peter Weigle:
Hatte er schon die Orchesterproben für Hauschilds letztes Leipziger Konzert geleitet, übernahm er nun die Dirigate auf den beiden Reisen nach Florenz und Jugoslawien.
Am 29. Juni 1985 stand er in einer Aufführung von Mendelssohns Elias im Rahmen des vom Schauspielhauses Berlin veranstalteten Mendelssohn-Bartholdy-Zyklus‘ vor den Leipziger Rundfunkklangkörpern. Während der Elias-Probenphase wurde dem Chor mitgeteilt, dass Weigle zum Chefdirigenten des Rundfunkchores Leipzig berufen wurde. Diese Ernennung war folgerichtig, denn so hatte wenigstens der Chor einen Chefdirigenten.

Im kurz zuvor wiedereröffneten Schauspielhaus führen der Rundfunkchor und das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig im Juni 1985 den „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy auf.
Foto: Klaus Winkler – Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Die hierarchische Struktur, in der der Orchesterchef einen Chorleiter unter sich hatte, war wohl 1954 auch nur für Herbert Kegel geschaffen worden.
Am 29. September 1985 steht Jörg-Peter Weigle wieder vor beiden Leipziger Rundfunk-Klangkörpern. Wieder leitet er eine Aufführung des Händel-Oratoriums „Israel in Ägypten“.
Hörbeispiel
Georg Friedrich Händel: Israel in Ägypten

Folgende Abbildungen:
Programmhefte und Kritik aus dem Chortagebuch
Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
daraus Chor:
“Er sprach das Wort, und es kamen unzählige Fliegen und Mücken in ihre Häuser.
Er sprach, und der Heuschrecken dunkler Schwarm verzehrte schnell die Frucht auf dem Feld.”
Solisten:
Carola Nossek, Sopran
Petra-Ines Strate, Sopran
Rosemarie Lang, Alt
Christian Vogel, Tenor
Siegfried Lorenz, Bass
Gothart Stier, Bass
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Rundfunkchor Leipzig · Choreinstudierung: Jörg-Peter Weigle
Dirigent: Wolf-Dieter Hauschild
Aufnahme: 25./27.05.+01.+03./04.06.+11./12.06. 1981 in der Paul-Gerhardt-Kirche
Jörg-Peter Weigle damit zu betrauen, Tourneen und Konzerte für den „abtrünnigen“ Orchesterchef zu übernehmen, war eine kluge Entscheidung des Rundfunks.
Der junge Chorleiter hatte bei der Neubrandenburger Philharmonie „das dirigentische Laufen gelernt“, beim Herbert-von-Karajan-Dirigentenwettbewerb zu Beginn der 1980er Jahre eine gute Figur gemacht und auch schon mehrfach das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig geleitet: im November 1983 in einem Anrechtskonzert und im März 1984 im Messe-Sonderkonzert.
Auf dem Programm stand Franz Schmidts großes Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln in einer hochkarätigen Besetzung, unter anderem mit Peter Schreier als Johannes.
Vier Wochen nach Hauschilds Ausscheiden bot sich Jörg-Peter Weigle eine neuerliche Chance, ein Konzert zu retten: Für die Zeit vom 20. bis zum 24. April 1985 waren Schallplattenaufnahmen der Nelson– und der Pauken-Messe von Haydn in Dresden mit der Staatskapelle unter der Leitung von Neville Marriner vorgesehen.
Wegen eines operativen Eingriffs, dem sich Marriner kurz zuvor hatte unterziehen müssen, konnte er zwar die Aufnahmen dirigieren, war jedoch noch nicht in der Lage das für den 18. und 19. April geplante 11. Sinfoniekonzert der Staatskapelle zu leiten.
Für Marriner übernahm Weigle das Konzert.
Unter der Überschrift „Konzert – mitreißend, dynamisch, klangfüllig“ schrieb eine Dresdner Zeitung:
„Der große Gewinner des 11. Staatskapellensinfoniekonzerts war Jörg-Peter Weigle. Er wurde gefeiert, nicht nur weil er an Stelle des erkrankten Neville Marriner, des Chefs der ‚Academy St. Martin-in-the-Fields‘ und Spezialisten für alte Musik …, kurzfristig einsprang, sondern weil er das Konzert mit großem Geschick zum Erfolg führte. Zwar mögen die Spezialisten den Ausfall bedauern, da sie sich mit Marriner neue Akzentuierungen erhofften, das Publikum aber war offensichtlich auch so auf seine Kosten gekommen.“
Im Abstand von nahezu 30 Jahren entsteht der Eindruck, dass Jörg-Peter Weigle bei der Übernahme vieler Verpflichtungen von Wolf-Dieter Hauschild und Neville Marriner zu einer besonders guten Form auflief.
Das wurde von der Musikwelt durchaus registriert – und empfahl ihn für andere Aufgaben.
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