Die 1980er Jahre
Eine neue Epoche für den Rundfunkchor [XVIII]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Die Herren des Rundfunkchores Leipzig singen am 25. Oktober 1986 im Leipziger Alten Rathaus Männerchöre der „Liedertafel“-Zeit
© Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Barbara Stroff
Der Schallplattenchor der 1980er Jahre XVIII-07
In unserer Chronik sind aus methodischen Gründen die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder des Rundfunkchores Leipzig während des Zeitraums etwa von 1980 bis 1990 getrennt voneinander behandelt worden. In der Realität gab es jedoch vielerlei Überschneidungen. Das Eröffnungskonzert des Neuen Gewandhauses wurde beispielsweise auch auf einem Tonträger veröffentlicht. Geleitet wurde es mit Kurt Masur von einem international anerkannten Dirigenten.
Ähnlich bei Peter Schreier: Er dirigierte Konzerte und Aufnahmen – auch im Neuen Gewandhaus – und leitete einige Tourneen des Chores. Auch Herbert Kegel produzierte Aufnahmen, deren Werke oftmals parallel dazu in Konzerten aufgeführt worden waren.
Der gesamte „Brahms“ mit Hauschild
Dennoch gab es, wie schon in der Zeit zwischen 1965 und 1975, spezielle Tonträger-Produktionen. Auch in den 1980er Jahren wurden diese in der Regel als Co-Produktionen des VEB Deutsche Schallplatten mit westlichen Firmen realisiert:
Für die Brahms-Edition des Labels ETERNA (in Co-Produktion mit Orfeo Classic) nahm Wolf-Dieter Hauschild ab Februar 1980 das gesamte A-cappella-Chorwerk von Johannes Brahms auf. Die Einstudierungen übernahmen Hauschild selbst, bei den Deutschen Volksliedern Gerhard Richter und später Jörg-Peter Weigle.
Sowohl auf der Schallplatten-Hülle von ETERNA als auch im CD-Booklet von Orfeo ist Hauschild als Dirigent sämtlicher Aufnahmen angegeben. Das Chortagebuch nennt jedoch als Dirigenten der Dreizehn Kanons op. 113 für Frauenstimmen Jörg-Peter Weigle.
Vermutlich ist der Angabe im Chortagebuch eher zu trauen als den Booklets. In einem Leipziger Rathauskonzert dirigierte Jörg-Peter Weigle einige der für die Aufnahmen einstudierten Brahms-Chöre.
Ein Renner bis heute: Weigle dirigiert Männerchöre
Jörg-Peter Weigle produzierte mit den Herren des Chores zwei Serien von Männerchören der Liedertafelzeit:
1984 In einem kühlen Grunde und 1986 Still wie die Nacht.
Noch im 21. Jahrhundert werden diese Aufnahmen in den unterschiedlichsten Zusammenstellungen neu auf CD herausgebracht. Mehrere Anfragen, zum Teil aus Japan, an den MDR Rundfunkchor bzw. an den Verein der Freunde und Förderer des MDR Rundfunkchores Leipzig e.V. nach dem Notenmaterial der Männerchöre beweisen bis in die heutige Zeit die Popularität dieser Einspielungen.
Klangbeispiel
5 Lieder für Männerchor
1 Johann Ludwig Friedrich Glück · Friedrich Silcher · Joseph Freiherr von Eichendorff:
In einem kühlen Grunde
2 Carl Maria von Weber · Theodor Körner:
Lützows wilde, verwegene Jagd op.42 Nr 2 aus „Leyer und Schwert“
3 Friedrich Silcher · Heinrich Heine:
Die Loreley
4 Friedrich Silcher · Julie Hausmann:
So nimm denn meine Hände
5 Heinrich Marschner · Karl Georg Herlossohn:
Das Testament aus „Regensburger Liederkranz
Aufnahmen: Sender Leipzig im Mai 1984 in der Paul-Gerhard-Kirche [1-4] und am 25. Oktober im Rathauskonzert im Alten Rathaus Leipzig [5]
Der englische Charme: Colin Davis und Neville Marriner

Die Staatskapelle Dresden produziert mit dem Rundfunkchor Leipzig in der Dresdner Lukaskirche die Paukenmesse von Joseph Haydn. Am Dirigentenpult steht Neville Marriner.
Foto aus dem Chortagebuch des Leipziger Rundfunkchores
Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Im Rechenschaftsbericht von September 1986 schreibt Horst-Dieter Knorrn:
„Derzeit steht offensichtlich der englische Charme besonders hoch im Kurs: Sir Neville Marriner und Sir Colin Davis sind Lieblingsdirigenten des Rundfunkchores Leipzig.“
In zwei Serien hatten die Staatskapelle Dresden und der Rundfunkchor unter Neville Marriner im April 1985 und September 1986 Messen von Haydn aufgenommen.
Colin Davis steht am Pult von Staatskapelle Dresden und Rundfunkchor bei Aufnahmen von Mozarts Zauberflöte im Januar 1984 und des Requiems von Fauré im Oktober des selben Jahres.
Es handelt sich wieder um eine Co-Produktionen mit Phonogram International B.V. Niederlande.
Im Januar 1990 sollte mit dem Freischütz von Carl Maria von Weber eine weitere Produktion unter der Leitung von Colin Davis folgen.
Liebe auf den ersten Blick: Marek Janowski

Marek Janowski während der Produktion von Richard Wagners „Götterdämmerung“ im April 1983
© Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Werner Säubert
In den Jahren 1980 und 1983 begegnet der Chor bei Schallplattenproduktionen Marek Janowski wieder. Zwischen ihm und dem Rundfunkchor war der Funke bei der Euryanthe-Aufnahme 1974 übergesprungen.
Lag es daran, dass Janowskis sachlich-kühle, dennoch nicht minder intensive, oftmals harte und dabei immer werk-gerechte Art sowie sein präziser Dirigierstil an Herbert Kegel erinnerten?
1980 sang der Rundfunkchor unter ihm die extrem kleine und nur einige Takte aus dem Mozart-Requiem verwendende Chorpartie aus Nikolai Rimski-Korsakows Oper Mozart und Salieri.
1983 wirkt der Herrenchor unter Janowskis Leitung an der Produktion von Wagners Götterdämmerung mit.
Im 21. Jahrhundert wird sich die Zusammenarbeit zwischen Marek Janowski und dem MDR Rundfunkchor weiter vertiefen.
Zu besonders eindrucksvollen Zeugnissen werden Aufführungen des Requiems von Berlioz, der Gurre-Lieder von Schönberg, Beethovens Missa solemnis und des Deutschen Requiems von Brahms.
Künstlerische Freunde: Staatskapelle Dresden und Rundfunkchor Leipzig
Die Reihe bekannter Dirigentennamen bei Schallplatten- bzw. CD-Aufnahmen reißt nicht ab: Schon 1980 hatte Herbert Blomstedt, seinerzeit Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, mit seinem Orchester, dem Leipziger Rundfunkchor und dem Chor der Staatsoper Dresden die 9. Sinfonie von Beethoven produziert.
Eine weitere Aufnahme der Neunten entsteht 1983 unter Siegfried Kurz, ebenfalls mit der Staatskapelle.
1987 nimmt James Levine Tschaikowskis Eugen Onegin auf und im Sommer 1991 als Konzertmitschnitt aus dem Festspielhaus in Salzburg die Missa solemnis von Beethoven. Es spielen die Wiener Philharmoniker.
1988 steht Silvio Varviso am Pult von Rundfunkchor, Dresdner Kapellknaben und Staatskapelle für Aufnahmen deutscher Opernchöre. Jeffrey Tate ist 1987 der Dirigent von Jacques Offenbachs Les Contes d‘ Hoffmann in der französischen Originalsprache.
Ein viertel Jahrhundert lang hatte die Kombination von Staatskapelle Dresden und Rundfunkchor Leipzig einen hervorragenden Klang in der Musikwelt. Bis zum Jahr 1991 arbeiteten Orchester und Chor in mehr als 50 Produktionen zusammen:

Anlässlich der Schallplattenaufnahme des „Requiems“ von Mozart bedankt sich die Staatskapelle Dresden 1982 im Gästebuch des Rundfunkchores Leipzig für die intensive und gute Zusammenarbeit.
Dokument: Archiv des Rundfunkchores Leipzig
Kapitelübersicht
→ XVIII-01 | Jörg-Peter Weigle – Vom Thomaner zum Chordirigenten |
→ XVIII-02 | Das Neue Gewandhaus: Lang ersehnt – endlich vollendet |
→ XVIII-03 | Und immer wieder: Peter Schreier |
→ XVIII-04 | Herbert Kegel und kein Ende |
→ XVIII-05 | Herbert Kegels Interpretationen der „Gurre-Lieder“ und des „War Requiems“ |
→ XVIII-06 | Annäherungsversuch an den Menschen Herbert Kegel |
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Der Schallplattenchor der 1980er Jahre |
→ XVIII-08 | Kurt Masur – Kaleidoskop einer langen Freundschaft |
→ XVIII-09 | Bekannte Namen |
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