Die 1980er Jahre
Eine neue Epoche für den Rundfunkchor [XVIII]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Herbert Kegel mit seiner Ehefrau Annerose nach dem Abschlusskonzert (Gershwin: “Porgy and Bess”) der Dresdner Musikfestspiele am 3. Juni 1984
Foto: privat, Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Herbert Kegel und kein Ende XVIII-04
Seit Sommer 1978 hatte Herbert Kegel keine Position mehr beim Leipziger Rundfunk inne.
Als Gastdirigent in Konzerten des Senders Leipzig und als Dirigent von Schallplatten- und Fernsehproduktionen war er für den Leipziger Rundfunkchor jedoch immer noch präsent.
Mozart für die Schallplatte
Schon 1973 hatte eine Aufnahmeserie der kleineren geistlichen Werke von Mozart begonnen.
Lagen zuvor die Einstudierungen dafür in den Händen von Horst Neumann und Gerhard Richter findet sich nun auch der Name von Jörg-Peter Weigle unter denen der einstudierenden Dirigenten.
Das Brahms-Requiems in seltener Ensemble-Einheit
1985 leitet Herbert Kegel eine Schallplatten-Produktion des Deutschen Requiems von Johannes Brahms, bis dahin die erste Aufnahme dieses Werkes für den Rundfunkchor.
„Herbert Kegel und seine Leipziger Musiker“ verstehen es, „dem Werk eine eigenständige Sicht abzugewinnen. Wir hören hier eine herbe, schwerblütige, manchmal auch schroffe Brahms-Auslegung …
Erstaunlich (und heute schon fast die Ausnahme) ist die Ensemble-Einheit: Solisten, Chor und Orchester folgen alle einer Konzeption. Die Sprache steht im Vordergrund und gleichzeitig ist sie in eine sinfonische Gesamtanlage verwoben …
Ein verschattetes, mystisches Piano oder ein strömendes, im großen Spannungsbogen zum Höhepunkt hinzielendes Singen und ein anschließendes Ausklingen im Piano, lassen den Chor fast zum sinfonischen Bestandteil des Orchesters werden.
Selten gelingt eine Interpretation in solcher Konsequenz und in solcher Einheit wie hier“, heißt es im FonoForum 4/1987.
In Leipzig gern gesehen
In den Anrechtskonzerten des Leipziger Rundfunks dirigiert Kegel regelmäßig Konzerte mit Chorbeteiligung:
1984 das Requiem von Hindemith, 1986 Die Legende von der heiligen Elisabeth von Franz Liszt und Busonis Faust-Oper, 1987 die Neunte sowie die Missa solemnis von Beethoven und 1988 sowohl Orffs Carmina burana als auch das Gemeinschaftswerk Jüdische Chronik von Blacher, Dessau, Hartmann, Henze und Wagner-Régeny.
Die Jüdische Chronik hatte Kegel schon 1966 mit den Leipziger Rundfunkklangkörpern für die Schallplatte produziert.
Der „Dresdner Rundfunkchor“

Karikatur von Günter Opitz (1928 – 2016) Opitz war von 1959 – 1993 Solohornist des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig/MDR Sinfonieorchesters
Grafik: Nachlass Herbert Kegel im Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Mit freundlicher Genehmigung von Vera Opitz, der Witwe des Künstlers.

Programmzettel des letzten von Herbert Kegel unter der Mitwirkung des Rundfunkchores Leipzig dirigierten Konzertes im Sender Leipzig.
Es war ein Gastspiel der Dresdner Philharmonie.
Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Herbert Kegel hatte 1978 den Wechsel von Leipzig nach Dresden gut abgewogen:
„Ich will nicht so weit gehen zu sagen, der verlorene Sohn kehrt heim, aber fest steht nach insgesamt 28 Jahren Arbeit am gleichen Institut hat ein Tapetenwechsel viel Positives.
Zweitens bin ich froh, vom Mikrofon wegzukommen, wenigstens größtenteils, weil es im Grunde ein amusisches ‚Instrument‘ ist.
Drittens möchte ich mehr reisen: Die Dresdner Philharmonie ist das erfolgreichste Reiseorchester der DDR.“
Allerdings fügte er in einem Zeitungsinterview mit dem Journalisten Peter Wittig hinzu:
„Daß ich ‚meinen‘ Leipziger Rundfunkchor nicht mit nach Dresden nehmen kann, ist eine Wunde, die der Positionswechsel hinterläßt.“
Jedoch kann der Trennungsschmerz vom Leipziger Rundfunkchor deutlich gemildert werden:
So holt er „seinen“ Chor regelmäßig zu Konzerten mit Beethovens 9. Sinfonie und Blachers Großinquisitor an die Elbe.
Vor allem bei den Dresdner Musikfestspielen ist der Leipziger Rundfunkchor präsent:
Viele Werke, die Kegel schon in Leipzig aufgeführt hatte, stellt er nun dem Publikum der Festspiele vor:
1979 den Parsifal, 1981 die 8. Sinfonie von Mahler, 1982 den Mond von Carl Orff, 1984 Porgy and Bess von Gershwin,1985 den Händelschen Judas Maccabäus und 1986 Schönbergs frühe, spätromantische Gurre-Lieder.
Hörbeispiel
Franz Liszt: Die Legende von der Heiligen Elisabeth
• Chor der Armen (aus dem 2. Teil)
• Chor des Volkes
• Chor der Krieger
• Kirchenchor
• Vier ungarische Bischöfe
• Vier deutsche Bischöfe
• Allgemeiner Kirchenchor
Magdalena Hájossyová (Sopran) – Die heilige Elisabeth, Tochter Andreas‘ II., König von Ungarn
Rosemarie Lang (Mezzosopran) – Landgräfin Sophie, Gemahlin des Landgrafen Hermann
Jürgen Kurth (Baßbariton) – Landgraf Hermann von Thüringen
Sandor Solyom-Nagy (Bariton) – Landgraf Ludwig, der Sohn von Landgraf Hermann und seiner Gemahlin Sophie
Gothart Stier (Bariton) – Ein ungarischer Magnat
Andreas Scheibner (Bariton) – Der Seneschal
Hermann Christian Polster (Baß) – Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen
Christine Schönknecht (Sopran) – Das Mädchen Elisabeth
Christiane Schwarz (Sopran) – Der Knabe Ludwig
Rundfunkchor Leipzig · Chor-Einstudierung: Jörg-Peter Weigle
Gewandhaus-Kinderchor Leipzig · Chor-Einstudierung: Ekkehard Schreiber
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Herbert Kegel
Künstl. Aufnahmeleitung: Christof Schönberg
Techn. Aufnahmeleitung: Karl-Heinz Albinsky
Aufnahme: 14. Januar 1986 im Neuen Gewandhaus zu Leipzig
Kapitelübersicht
→ XVIII-01 | Jörg-Peter Weigle – Vom Thomaner zum Chordirigenten |
→ XVIII-02 | Das Neue Gewandhaus: Lang ersehnt – endlich vollendet |
→ XVIII-03 | Und immer wieder: Peter Schreier |
• | Herbert Kegel und kein Ende |
→ XVIII-05 | Herbert Kegels Interpretationen der „Gurre-Lieder“ und des „War Requiems“ |
→ XVIII-06 | Annäherungsversuch an den Menschen Herbert Kegel |
→ XVIII-07 | Der Schallplattenchor der 1980er Jahre |
→ XVIII-08 | Kurt Masur – Kaleidoskop einer langen Freundschaft |
→ XVIII-09 | Bekannte Namen |
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