www-Logo_MDR_RC_4c_oL

 

 

Die 1980er Jahre

Eine neue Epoche für den Rundfunkchor [XVIII]

 

Chronik des Leipziger Rundfunkchores

von Rüdiger Koch

 

Das Eröffnungskonzert des Neuen Gewandhauses am 8. Oktober 1981.
Foto: Dankkarte des Gewandhauses an die Mitwirkenden des Eröffnungskonzertes

 

„Aufersteh’n“!
Das Neue Gewandhaus: Lang ersehnt – endlich vollendet  [XVIII-02]

Den modernen Leipziger Konzertsaal, das Neue Gewandhaus, hatten die Mitglieder des Rundfunkchores ebenso herbeigesehnt wie das Gewandhausorchester und das gesamte Konzertpublikum der Messestadt.
Zu ungünstig waren die räumlichen und akustischen Verhältnisse in der Kongresshalle, in der sich der Chor weit hinter dem Orchester verloren vorkam. Nun, im neuen Saal, „schwebte“ der Chor gleichsam über dem Orchester und konnte sich klanglich viel besser von diesem abheben und seine Stärken zur Geltung bringen, insbesondere sein „klangsensibles Pianissimo“ (Mahlers „Zweite“ über allen Erwartungen, Kritik von Heinrich Spieler, zitiert nach Chortagebuch, 24. 10. 1981).

 

ZUM UMBLÄTTERN
Im Chortagebuch wird die Eröffnungsphase des Neuen Gewandhauses aus Sicht der Sänger des Leipziger Rundfunkchores ausführlich kommentiert.
Dokumente: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

 

Konzertmarathon: „Große körperliche Müdigkeit“ – „Überragende Leistung“

Die erste Probe im Neuen Gewandhaus singt der Rundfunkchor, zusammen mit den Sängerinnen und Sängern des Gewandhauschores, am 28. September 1981.
„Von der guten Akustik des Saales sind wir angenehm überrascht“, heißt es an diesem Tage im Chortagebuch. Am 6. Oktober ist der Chor am ersten öffentlichen Konzert beteiligt. Für die Erbauer des Gebäudes erklingen Siegfried Thieles Gesänge an die Sonne und die 9. Sinfonie von Beethoven. Die offizielle Eröffnung des Hauses findet dann am 8. Oktober mit dem selben Programm u.a. vor Prominenz aus Politik und Gesellschaft statt. Die Chorsängerin Roswitha Merzbach, die zu dieser Zeit einen Ausreiseantrag gestellt hatte, durfte dieses Konzert nicht mitsingen. War die Mitwirkung einer ausreisewilligen Person unzumutbar für die politische Klasse? Oder war es vielleicht umgekehrt?

Nach dem 5. Konzert mit dem Eröffnungsprogramm gab Gewandhauskapellmeister Kurt Masur einen Empfang für die beteiligten Chöre. Neben dem Rundfunk- und dem Gewandhauschor hatten noch der Thomanerchor und der Gewandhaus-Kinderchor mitgewirkt.

Masur „bedankte sich herzlich, sprach von der großen und verwandelnden Bedeutung des Neuen Gewandhauses für Leipzig und für uns. Es möge dieses Haus nie zur Gewöhnung, zum Alltag werden, damit es immer wieder zur künstlerischen Inspiration anrege“, so der Chronist im Chortagebuch.

Der Rundfunkchor Leipzig sang des Eröffnungsprogramm des Neuen Gewandhauses an fünf aufeinander folgenden Tage, probte parallel dazu Mahlers 2. Sinfonie für ein Rundfunk-Anrechtskonzert am 13. Oktober, für Schumanns Paradies und die Peri im Rahmen der Gewandhausfesttage, für ein Konzert mit dem Requiem von Fauré, für eine Schallplattenaufnahme der h-Moll-Messe von Bach und unternahm zwischendurch noch einen Abstecher ins Kulturhaus nach Gera zu einer Fernsehsendung. Ein mehr als anstrengender Monat, dieser Oktober des Jahres 1981! Verständlich, wenn der Chronist des Chortagebuches von „großer körperlicher Müdigkeit“ spricht!

 

 

Eine große Woge von Musik

Das neue Gewandhaus 2018
Foto: Rüdiger Koch

 

„Seit der Eröffnung des Neuen Gewandhauses wird Leipzig gleichsam von einer großen Woge von Musik getragen. Der erste Konzertneubau der DDR hat interpretatorische Aktivitäten freigesetzt, wie sie in Leipzigs jüngerer Musikgeschichte nicht zu finden sind“, resümiert Hellmut Döhnert in einer Leipziger Tageszeitung über die ersten, kurz nach der Eröffnung veranstalteten Gewandhaus-Festtage. Der Rundfunkchor und das Rundfunk-Sinfonieorchester beendeten die Festtage mit einer Aufführung von Schumanns oratorischem Werk Das Paradies und die Peri, gleichzeitig als Konzert der Anrechtsreihe A des Rundfunks. Parallel zum Konzert wurde das Werk in der Paul-Gerhardt-Kirche für die Schallplatte aufgenommen. Zuvor war schon die Reihe B mit Gustav Mahlers 2. Sinfonie, der Auferstehungssinfonie, gestartet worden – sicherlich in Anlehnung an das wieder auferstandene Gewandhaus. Dass der Rundfunk die Chancen des neuen Konzertsaals erkannte, bewies auch das 2. Anrechtskonzert der Reihe A, in dem Heinz Rögner unter anderem das Requiem von Gabriel Fauré dirigierte. Fortan sollten die chorsinfonischen Rundfunkkonzerte im Neuen Gewandhaus ein besonderer Publikumsmagnet werden. In der Reihe Zauber der Musik sang der Chor erstmals im Februar 1982 Orffs Carmina burana unter der Leitung von Horst Neumann. Die Spielzeit brachte noch eine Aufführung von Max Regers Requiem op. 144b unter Hauschild und die traditionelle Neunte vor dem 1. Mai mit dem Japaner Ken-Ichiro Kobayashi.

Kurz nach dem Ende der Gewandhaus-Festtage begann das IV. Internationale Bachfest der DDR, verbunden mit dem 56. Bachfest der Neuen Bachgesellschaft. Ein Höhepunkt des Festivals war – im Neuen Gewandhaus – eine Aufführung der h-Moll-Messe, interpretiert vom Neuen Bachischen Collegium Musicum und dem Rundfunkchor unter der Leitung von Peter Schreier.
Die Einstudierungen aller genannten Konzerte lag in den Händen von Jörg-Peter Weigle.

 

Die „Leipziger Notenspur“ führt auch zum Neuen Gewandhaus
Foto: Rüdiger Koch

 

 


 

Kapitelübersicht

→ XVIII-01 Jörg-Peter Weigle – Vom Thomaner zum Chordirigenten
 • Das Neue Gewandhaus: Lang ersehnt – endlich vollendet
 → XVIII-03 Und immer wieder: Peter Schreier
→ XVIII-04 Herbert Kegel und kein Ende
 → XVIII-05 Herbert Kegels Interpretationen der „Gurre-Lieder“ und des „War Requiems“
 → XVIII-06 Annäherungsversuch an den Menschen Herbert Kegel
 → XVIII-07 Der Schallplattenchor der 1980er Jahre
→ XVIII-08 Kurt Masur – Kaleidoskop einer langen Freundschaft
→ XVIII-09 Bekannte Namen

 


ZURÜCK ZUR STARTSEITE: DER MDR RUNDFUNKCHOR

Sorry, the comment form is closed at this time.