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Thomaner- und Rundfunkchor in Leipzig  [XVII-02]

Chronik des Leipziger Rundfunkchores

von Rüdiger Koch

 

Eröffnungskonzert des Neuen Gewandhauses am 8. Oktober 1981. Unter der Leitung von Gewandhauskapellmeister Kurt Masur interpretieren das Gewandhausorchester, der Leipziger Rundfunkchor, der Gewandhauschor und -Kinderchor sowie der Thomanerchor Beethovens 9. Sinfonie.
Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Chortagebuch

 

Neidlose Geschwister

Die Thomaner und der Rundfunkchor Leipzig standen in gemeinsamen Konzerten zwar des Öfteren zusammen auf dem Podium, verbunden sind sie jedoch vor allem durch ehemalige Thomaner, die später in Rundfunkchor sangen oder ihn dirigierten.

Wer als Kind ein hartes Auswahlverfahren durchlaufen hatte, über eine hervorragende musikalische Begabung verfügte und schließlich als junger Erwachsener auf ein halbes Leben als Chorsänger bei den Thomanern zurückblicken konnte, ergriff nicht selten den Sängerberuf. Was lag da näher, als das Chorsingen in einem hochqualifizierten Berufschor wie dem Leipziger Rundfunkchor fortzusetzen.

 

Die Thomaner während einer Fernsehaufzeichnung Anfang der 1970er Jahre auf der Treppe der Alten Handelsbörse in Leipzig.
In der vierten Reihe links außen steht der heutige Bassist des MDR Rundfunkchores Leipzig, Thomas Ratzak
Foto: Thomas Ratzak – privat

 

SLIDESHOW
Ehemalige Thomaner, die später im Leipziger Rundfunkchor sangen oder ihn dirigierten.

 

Immerhin bildete auch der Schuber zur CD-Edition „Musik für Chöre“ einen Sängerknaben ab: Es ist Thomas Neumann, heute Tenor im MDR Rundfunkchor Leipzig, Mitte der 1960er Jahre Knabensopran und -solist im Thomanerchor.

So wurden zahlreiche ehemalige Thomaner Sänger im Rundfunkchor Leipzig:
Horst Karl Hessel, Dr. Helmuth Weise, Reiner Süß, Alf Pörschmann, Horst-Dieter Knorrn, Wolf Reinhold, Ekkehard Wagner, Thomas Neumann, Michael Gläser, Hanns-Jürgen Ander-Donath, Thomas Ratzak, Sven-Wieland Staps und Albrecht Sack, aus dem Aushilfskreis Klaus-Jürgen Teutschbein, Detlef Schneider und der nachmalige Thomaskantor Hans-Joachim Rotzsch.
Die ehemaligen Thomaner Dietrich Knothe und Jörg-Peter Weigle standen dem Rundfunkchor Leipzig sogar als Dirigenten vor, Knothe als Chorleiter von 1952 bis 1962 und Weigle von 1980 bis 1985 als Chorleiter sowie von 1985 bis 1988 als Chefdirigent.
Bevor das ehemalige Mitglied des Thomanerchores, Georg-Christoph Biller, 1992 das Amt des Thomaskantors übernahm, betreute er einige Einstudierungen beim Leipziger Rundfunkchor.
Mit Günther Ramin ist ein anderer Thomaskantor eng mit der Leipziger Rundfunk-Chortradition verbunden. Nachdem im September 1942 alle deutschen Rundfunkchöre aufgelöst wurden und aus deren besten Kräften der Reichs-Bruckner-Chor geschaffen wurde, übernahm Ramin dessen Aufbau in Leipzig.

 

Der erste Präfekt Christian Süss 1956 bei der Probenarbeit mit den Thomanern. Klaus-Jürgen Teutschbein, später Choraushilfe im Rundfunkchor Leipzig, singt direkt neben dem Bach-Porträt.
Repro: Horst List, Auf Konzertreise … Ein Buch von den Reisen des Leipziger Thomanerchores, Hamburg 1957

 

Ein zwiespältiges Verhältnis zu Bach

Die Beziehung des Leipziger Rundfunkchores zum größten aller Thomaskantoren, Johann Sebastian Bach, darf als gespalten bezeichnet werden. Allerdings lag dieses zwiespältige Verhältnis weniger an den Sägerinnen und Sängern des Chores, sondern an manchen Dirigenten.
Die Pflege der Bachschen Musik solle man doch lieber dem Thomanerchor überlassen, war eine mehrfach zu hörende Meinung. Wolf-Dieter Hauschild und Howard Arman beispielsweise bevorzugten die Werke von Bachs Zeitgenossen Georg Friedrich Händel oder führten Bachsche Kompositionen nicht selten in Bearbeitungen auf, wie Arman die Matthäuspassion in der Fassung Felix Mendelssohn Bartholdys oder verschiedene Bach-Werke in jazzigen Bearbeitungen. Selbst Herbert Kegel setzte als erstes großes Oratorium Bachs 1977 die Matthäuspassion auf den Rundfunk-Spielplan, überließ dann jedoch das Dirigat seinem Stellvertreter Horst Neumann.

Der Kuriosität halber sei erwähnt, dass auch Sänger des Rundfunkchores Leipzig einmal den Thomanerchor verstärkten. Hans-Joachim Rotzsch war wohl der Auffassung, dass es für die Schallplattenaufnahme von Bachs früher Osterkantate Christ lag in Todesbanden (BWV 4) im Jahre 1981 nicht schaden könne, den Bässen der Thomaner tiefe Bassstimmen aus dem Rundfunkchor zur Seite zu stellen.

 

Hörbeispiel:
Johann Sebastian Bach: Christ lag in Todesbanden, BWV 4

 

daraus: Hier ist das rechte Osterlamm
Thomanerchor Leipzig und Männerstimmen des Rundfunkchores Leipzig
Neues Bachisches Collegium musicum zu Leipzig
Dirigent: Hans-Joachim Rotzsch
Aufnahme: ETERNA am 14. bis 30 Januar 1981 in der Leipziger Paul-Gerhardt-Kirche

 

Ankunft einer IL 18 der Interflug mit dem Leipziger Thomanerchor auf dem Moskauer Flughafen „Scheremetjewo“ Mitte der 1970er Jahre.
Foto: Thomas Ratzak – privat

 


 

Kapitelübersicht

XVII-01 Eine Win-win-Situation: Messe, Rundfunk und Rundfunkchor in Leipzig
Neidlose Geschwister: Thomaner- und Rundfunkchor in Leipzig
XVII-03 Das Gewandhaus: Geburtshelfer, Freund und Nachbar

 

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