
Eine Win-win-Situation:
Messe, Rundfunk und Rundfunkchor in Leipzig [XVII-01]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch
Das Konzert zur Eröffnung der Leipziger Neuen Messe
Die Liste der Mitwirkenden im feierlichen Eröffnungskonzert des neues Ausstellungsgelände in Leipzigs Norden im April 1996 liest sich wie ein Who’s who der Leipziger Musikszene:
Selbstverständlich spielte das Gewandhausorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Gewandhauskapellmeister Kurt Masur.
Neben dem MDR Rundfunkchor Leipzig sangen der Thomanerchor, die Gewandhauschöre und der Chor der Oper Leipzig.
Beteiligt war zudem das Ballett der Leipziger Oper in der Choreographie von Uwe Scholz.
Das Festkonzert stand damit ganz in der Tradition der feierlichen Eröffnungsveranstaltungen sowohl der Frühjahrs- als auch der Herbstmessen, wie sie in den Zeiten der DDR stattfanden.






ZUM BLÄTTERN: Programmheft zur Eröffnung der Leipziger Neuen Messe
Die Messereröffnungen der „Leipziger Mustermesse“ zu DDR-Zeiten

Messe-Konzert des Senders Leipzig am 15. März 1988 im Neuen Gewandhaus:
Max Pommer dirigiert des „Dettinger Te Deum“ von Georg Friedrich Händel mit den Solisten Annette Markert, Tomas Möwes und Martin Petzold
Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Konzertvorschau des Rundfunks der DDR
Allerdings wirkten seinerzeit nicht in jeder Messe-Eröffnung alle musikalischen Ensembles gemeinsam.
Vielmehr wechselten sich in ungezwungener Folge das Gewandhaus und der Sender Leipzig in der Ausgestaltung dieser Konzerte ab.
Der Rundfunkchor Leipzig wirkte in vielen der vom Rundfunk bestrittenen Konzerte mit, häufig jedoch auch in denen unter Leitung der Gewandhauskapellmeister zusammen mit dem Gewandhausorchester. Mehrmals konnte sich der Leipziger Rundfunkchor dabei auch a cappella präsentieren.
Die Messe-Eröffnungskonzerte brachte sowohl der Messe-Gesellschaft als auch den Klangkörpern Vorteile:
So konnte man sich mit Leipzigs Hochkultur vor dem internationalen Messepublikum schmücken. Die Orchester und Chöre erhielten die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit vor den ausländischen Gästen unter Beweis zu stellen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten!

Eröffnung der Herbstmesse 1967 im Leipziger Opernhaus. Der Leipziger Rundfunkchor singt die „Gesänge aus der Mátra-Gegend“ von Zoltán Kodály.
Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Auch der Sender Leipzig machte sich das zu den Messen weltoffenere Klima in Leipzig zunutze:
Seit Beginn der 1950-er Jahre veranstaltete er regelmäßig Messe-Sonderkonzerte, in denen er mit exemplarischen chorsinfonischen Aufführungen und konzertanten Opern die Stärken der Leipziger Rundfunk-Klangkörper herausstellte.
Die Leitung lag in der Regel lag in den Händen der Chefdirigenten Herbert Kegel und Wolf-Dieter Hauschild, seltener auch in denen von Gastdirigenten.
Zweimal stand Chor-Chef Jörg-Peter Weigle am Pult der Messekonzerte.
SLIDESHOW:
Im Konzert zur Leipziger Herbstmesse 1952 führt der Sender Leipzig in der Kongreßhalle szenisch einige Ausschnitte aus den Operetten „Der Vogelhändler“ von Carl Zeller und „Der Bettelstudent“ von Karl Millöcker auf.
Es spielte das Rundfunkorchester Leipzig unter Leitung von Herbert Kegel.
Fotos: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Album Margot Gleisberg
Karl Millöcker: „Der Bettelstudent“
daraus: „Grüß euch Gott, alle miteinander“ · „Fröhliche Pfalz, Gott erhalt’s“
Harald Neukirch, Tenor
Elvira Bischoff
Rundfunkchor Leipzig
Großes Rundfunk-Orchester Leipzig
Dirigent: Günter Joseck
Aufnahme: Sender Leipzig am 17. Mai 1962 im Großen Sendesaal
Immerhin reichen die guten Beziehungen von Messe und Sender ganz weit zurück, in das Gründungsjahr des Unterhaltungsrundfunks in Leipzig, wie Steffen Lieberwirth in seiner Rückblende darstellt:
„Hier ist der Leipziger Meßamtssender“
Eine Rückblende von Steffen Lieberwirth

Das Leipziger Sinfonieorchester und der Leipziger Rundfunkchor mit dem Musikchef der MIRAG in dem zum Rundfunkstudio umfunktionierten Saal der Alten Handelsbörse in Leipzig, um 1926
© Foto: Sammlung Lieberwirth
Ein Blick in die Mitteldeutsche Rundfunkgeschichte des Jahres 1924, dem Zeitpunkt der Gründung von Sender samt seinem Orchester und dem Rundfunkchor, verdeutlicht die enge Beziehung zwischen der Leipziger Messe und dem Rundfunk der Messestadt.
Start als „Leipziger Meßamtssender“
Leipzig am 1. März 1924: Ein Wecker tickt, 240mal pro Minute. Es ist gleichzeitig die Sender-Kennung sowie das Pausenzeichen.
Wer damals schon einen Radioapparat besitzt oder sich selbst einen Detektor zusammengebastelt hat, der kann es hören: Der Mitteldeutsche Rundfunk, genauer gesagt die „Mitteldeutsche Rundfunk A. G.“ (MIRAG), geht auf Sendung.
Zum ersten Mal geht der Spruch: „Hallo, hallo – hier ist Leipzig, hier ist der Leipziger Meßamtssender der Reichs-Telegraphen-Verwaltung für Mitteldeutschland, wir senden auf Welle 450“ über den Äther.
Historisch gesehen ist die Messestadt damit die Nummer zwei der deutschen Sendestädte. Nur vier Monate zuvor hatte in Berlin mit der Radio-Stunde im Vox-Haus der erste deutsche Unterhaltungssender überhaupt den Betrieb aufgenommen.
Grund für den Sendestart des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig am 1. März war der, dass unmittelbar am nächsten Tag die Frühjahrsmesse begann. Und dort wollte die Funkindustrie in einer gesonderten Schau erstmals anhand eines laufenden Radioprogramms die Leistungsfähigkeit ihrer Neuheiten präsentieren.
Gerade dieser wirtschaftliche Aspekt war es also, der neben der zentralen Lage im künftigen Sendebezirk, den Ausschlag für den Sendestandort Leipzig gab.
Wie weit das neue Medium Rundfunk in Leipzig auf gesellschaftliches Interesse stieß, verdeutlicht der Personenkreis der an der unmittelbaren Gründung der Sendegesellschaft Beteiligten: Neben der „Radio-Vereinigung Leipzig“, einer aus heutigem Verständnis Funkamateurvereinigung, war es der Verkehrsverein, die Handelskammer, die Rundfunk-Händler und nicht zuletzt die örtliche Tagespresse.
Die Liste der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder der am 22. Januar 1924 gegründeten Mirag liest sich mithin wie ein „Who is Who“ der Leipziger Gesellschaft.
Zwar stand die Sendegesellschaft unter hoheitlicher Aufsicht der Reichspost, im Vergleich zu den acht anderen deutschen Sendegesellschaften wich die Post jedoch gleich dreimal von ihrem sonst eher strikten Vorgaben ab: Zum einen genehmigte sie mit Dr. Erwin Jaeger einem führenden Kopf der Radio-Amateurbewegung in Leipzig, als Vorstand wesentlichen Einfluss auf das Programm zu nehmen. Zum anderen band sie mit Dr. Fritz Kohl einen Vertreter der Rundfunkhändler und Vertrauten der Handelskammer in die Gesellschaft ein.
Mit Edgar Herfurth als Herausgeber der regional dominierenden konservativen Tageszeitung „Leipziger Neueste Nachrichten“ wurde schließlich der Hauptaktionär gefunden. Herfurth stellte neben dem Startkapital gleichzeitig kostenlos das Nachrichtenmaterial zur Verfügung, somit eine nicht unwesentliche Quelle für das laufende Programm.

Ein Lastwagen der „Mirag“ vor der Alten Handeslbörse, in der die Rundfunkanstalt ihre Senderäume eingerichtet hatte. Foto: MDR-Triangel
Was aber wollte man in den Pionierjahren des jungen Senders programmlich anbieten?
Da stand zunächst klassische Musik im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Und da es noch keine Tonträger gab, wurde alles live übertragen. Dazu wurde der Saal der Alten Handelsbörse als Sendesaal für Orchester und Chor eingerichtet.
Die Studios und Technikräume wurden naheliegender weise schräg gegenüber im Leipziger Messe-Amt (Alte Waage) im Markt 4 untergebracht. Schon aus dieser räumlichen Nähe rührte nicht zuletzt der anfängliche Begriff „Messamtssender“ her.
Eine wachsende Sendeleistung, die Inbetriebnahme des Nebensenders Dresden im Februar 1925, sinkende Verkaufspreise für Empfangsgeräte und nicht zuletzt die Senkung der Rundfunkgebühren von jährlich 60 Goldmark auf monatlich zwei Mark ab April 1924 und das Musikangebot, das Leipzig schnell den Zusatznamen des „deutschen Musiksenders“ einbrachte, führten zu einem enormen Anstieg der Hörerzahlen. Immerhin hatte der Leipziger Sender im Juni 1925 bereits über 100.000 Hörer.
→ | Chronik der Messe-Konzerte mit dem Leipziger Rundfunkchor |
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