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Zeitenwende  [XVI]

Chronik des Leipziger Rundfunkchores

von Rüdiger Koch

 

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Im 4. Anrechtskonzert der Reihe “Zauber der Musik” dirigierte Horst Neumann den Rundfunkchor und das Große Rundfunkorchester Leipzig in einer Aufführung von Franz Schuberts Singspiel “Die Zwillingsbrüder” D 647 in der Leipziger Kongresshalle. Die Solisten waren Helga Termer, Ekkehard Wagner, Wolfgang Hellmich, Rolf Haunstein, Fred Teschler, und Bernd Elze, die Sprecherin Traute Richter
Foto: Rundfunk-Konzertreport 1979/80

 

Das Interregnum:
Gert Frischmuth, Jochen Wehner, Gerhard Richter 
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Der neue Chefdirigent hatte seine Arbeit begonnen. Aber wie ging die Suche nach einem Leiter für den Rundfunkchor weiter?

Wenn auch Horst Neumann ab August 1978 dem Chor nicht mehr vorstand, bedeutete dies keinesfalls, dass nun alle Brücken abgebrochen waren. Nicht selten holt Neumann den Chor für chorsinfonische Konzerte seines Orchesters, insbesondere für die Konzertreihe Zauber der Musik.
Auch in der Fernsehsendung Die goldene Note musizieren das Rundfunkorchester und der Rundfunkchor des Öfteren unter Neumanns Leitung zusammen.

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Die Einstudierung des Mozartschen Titus für eine Schallplatten-Co-Produktion unter Karl Böhm mit der Staatskapelle Dresden im Januar 1979 wird – wie bisher – auch in die bewährten Hände Neumanns gelegt. Und schließlich dirigiert Horst Neumann zwei Konzerte auf einer Reise in das ukrainische Kiew, das seinerzeit noch zur Sowjetunion gehörte.

 

Dirigenten-Triumphirat

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Dirigenten-Triumphirat: Jochen Wehner – Jörg-Peter Weigle – Gerhard Richter
Fotos: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

Die alltägliche Chorarbeit, also Werke für Aufführungen und Aufnahmen unter Hauschilds Leitung einzustudieren sowie Rundfunkaufnahmen zu produzieren, liegt in den Händen von Produzent Jochen Wehner, Chormitglied Gerhard Richter und Gert Frischmuth, Dozent für Chorleitung an der Weimarer Musikhochschule. Diese drei Dirigenten versuchen während der Spielzeiten 1978/79 und 1979/80 dafür zu sorgen, dass eine kontinuierliche Chorarbeit stattfinden kann.

Auch Jörg-Peter Weigle ist präsent. Er studiert für den Chefdirigenten Nänie und das Schicksalslied von Brahms ein und dirigiert in einem A-cappella-Rathauskonzert Mitte März 1979 Kantaten und Chöre von Carl Orff.
Jochen Wehner steht im ersten Teil des Konzertes mit Chorliedern von Wilhelm Weismann am Pult.
Im September 1978 leitet Wehner eine Rundfunkproduktion der Japan-Suite von Hugo Herrmann in der Leipziger Bethanienkirche.

 

Hörprobe:

Hugo Herrmann (1896-1967): Japan Suite op. 71

 

Japan-Suite op. 71 für gemischten Chor a cappella
daraus: Nr. 3 Frühling – Nr. 4 Der Mond – Nr. 5 Mädchentanz
Rundfunkchor Leipzig

Dirigent: Jochen Wehner
Aufnahmeleitung: Günter Neubert
Aufnahme des Senders Leipzig in der Bethanienkirche Leipzig am 5. und 6. September 1978
Verlag: Breitkpf & Härtel

 

Herbert Kegel als Gastdirigent

Für ein Konzert Anfang April 1979, unter dem nunmehrigen Gastdirigenten Herbert Kegel, bereitet Gert Frischmuth das Te Deum von Anton Bruckner vor. Die Leipziger Volkszeitung verglich diese Aufführung mit früheren Kegel-Konzerten:
„Mit dem Chor erreichte Herbert Kegel ganz den homogenen, berückend schönen Klang, der für die großartigsten Aufführungen in früheren Jahren charakteristisch war. Zum oft gerühmten zarten Piano der Soprane kam sogar eine noch größere Ausgewogenheit und beispielhafte Zuordnung der anderen Stimmen.“

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Während der Proben für das Te Deum von Bruckner – nachdem der Rundfunkchor innerhalb weniger Wochen intensiv mit Frischmuth, Wehner und Weigle gearbeitet hatte – wird im März 1979 eine weitere Meinungsumfrage zur Chorleiterfrage durchgeführt. Danach ist Jochen Wehner „aus dem Rennen“. Gert Frischmuth und Jörg-Peter Weigle bleiben die einzigen Bewerber, allerdings mit deutlich unterschiedlichen Stimmenzahlen. Natürlich hatte der Chor keinen Leiter zu „wählen“. Die Entscheidung war einzig und allein Sache des Rundfunks. Dennoch war die Suche nach einem Chorleiter für das Ensemble nicht nur sehr wichtig, sondern auch sehr emotionsbehaftet. Gerade aus dem Bewusstsein der Machtlosigkeit des Chores heraus bildeten sich zwei „Lager“. Man befürchtete, der Rundfunk könne – immer aus der Sicht der betreffenden Fraktion – nicht den besten Mann aussuchen oder die Meinung des Chores vom Tisch wischen. Diese „Lager“ standen sich zum Teil recht feindselig gegenüber und versuchten, auf die beiden Bewerber Einfluss zu nehmen.

Kritiken und Hörproben zu Bruckners Te Deum

 

 

Die Weichen werden gestellt!

Im Oktober entscheidet der Rundfunk endlich über die Nachfolge Horst Neumanns: Auf der Wahlversammlung der Chor-Gewerkschaftsgruppe, deren Gäste neben Vertretern der staatlichen Leitung aus Leipzig und Berlin auch Wolf-Dieter Hauschild und Jörg-Peter Weigle sind, verkündet der Chefdirigent, dass mit Beginn der Spielzeit 1980/81 Jörg-Peter Weigle zum Leiter des Rundfunkchores berufen worden ist.
Horst-Dieter Knorrn dankt Hauschild im Rechenschaftsbericht ebendieser Versammlung:
Neben dem künstlerischen Auftrieb, den wir durch ihn erhalten, macht Hauschild sich verdient, weil er der staatlichen Leitung in Berlin keine Ruhe gönnt in der Chorleiterfrage … Am 24. 10. 1979 wird Jörg-Peter Weigle zum neuen Chorleiter mit Spielzeitbeginn 1980 berufen.“

 


 

Kapitelübersicht

XVI-01 Positionswechsel mit Wunden
XVI-02 Letzte musikalische Höhepunkte unter Kegel und Neumann als Chefs
XVI-03 Wie weiter mit dem Rundfunkchor?
→ XVI-04 Schnell gefunden: Der neue Chefdirigent Wolf-Dieter Hauschild
XVI-05 Große Abende der Oper und Chorsinfonik
→ XVI-06 Politisches Kalkül versus künstlerische Vorbehalte
Das Interregnum: Frischmuth – Wehner – Richter

 

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