Zeitenwende [XVI]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Schallplattenhülle „Die Flamme von Mansfeld“
Das Konzert mit der „Flamme von Mansfeld“ wurde vom Rundfunk aufgenommen und vom VEB Deutsche Schallplatten veröffentlicht.
Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Politisches Kalkül versus künstlerische Vorbehalte XVI-06
Neben den großen Werk aus Barock, Klassik, Romantik und der klassischen Moderne aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sang der Leipziger Rundfunkchor – schließlich war er ein staatliches Ensemble – auch immer wieder Auftragswerke von gesellschaftlichen Organisationen, Parteien und Betrieben. Jahrestage waren dafür ein willkommener Anlass.
So komponierte Fritz Geißler zum 30. Jahrestag der DDR im Auftrag des VEB Mansfeld-Kombinat ein großes Oratorium. Die Meinung der Interpreten zum Werk wichen von der vorgegebenen Linie erheblich ab.
Das Konzert des Geißlerschen Oratoriums Die Flamme von Mansfeld wird von Walter Siegmund-Schultze in der Hallischen Presse als „prächtige Aufführung“ gefeiert.
Er räumt zwar ein, dass unter Fachkollegen die starke Verwandtschaft mit schon Gehörtem bemängelt wird, rühmt aber dennoch, dass „der sozialistische Adressat unmittelbar angesprochen und bewegt wurde.“
Hauschild und der Chor hingegen standen dem Werk sehr skeptisch gegenüber, wie der Chronist der Chortagebücher am 24. September 1979 schreibt:
„Herr Hauschild macht uns mit seiner Meinung über das Werk bekannt. Leider ist es auch ihm nicht möglich, das Werk abzulehnen, da es (nach einem begeistert aufgenommenen Klaviervorspiel vor Kumpeln in Mansfeld) vom Funk vertragliche Bindungen gibt, die nicht rückgängig zu machen sind. Wir als nachschöpferische Künstler hätten jedoch die Pflicht, trotz unserer Antipathien und Vorbehalte das Werk so perfekt wie möglich abzuliefern. Nach dem Konzert wolle er dann auf höchste Ebene dagegen intervenieren, (ob überhaupt solche Werke so komponiert werden die erstens für die Interpreten und zweitens für die werktätigen Kumpel eine regelrechte Beleidigung darstellen!).“
Zum Konzert selbst heißt es:
„Das Publikum, bestehend aus hohen Funktionären von Partei und Mansfeldkombinat, Brigaden u. Arbeitern (auch Otto Gotsche ist anwesend) spendet begeistert Applaus. Geißler wird als echt volksverbunden gelobt …“

Bericht über die Aufführung des Oratoriums „Die Flamme von Mansfeld“
Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Das Oratorium von Fritz Geißler sollte nicht das einzige und letzte Beispiel dafür bleiben, dass letztlich politisches Kalkül über künstlerische Vorbehalte siegte.
Noch 1986 klingen im Bericht der KöAG Bedenken an:
„Über die künstlerische Qualität konnte in speziellen Fällen [Peter Herrmann: 3. Sinfonie ‚Größe und Elend‘ und Thomas Bürkholz: ‚Wege aus der Nacht‘] erst nach Probenablauf diskutiert werden. Von der Produktionsleitung kam die Zusicherung, daß die untere Grenze des künstlerischen Niveaus nicht wieder unterschritten wird.“
Hörprobe
Fritz Geißler: Die Flamme von Mansfeld
daraus: Einganschor „Glück auf!“ (Präludium und Fuge)
Textdichter: Günther Deicke
Rundfunkchor Leipzig
Choreinstudierung: Jochen Wehner
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Wolf-Dieter Hauschild
Aufnahme: Livemitschnitt des Rundfunks der DDR am 29. September 1979 im Theater des Friedens Halle/Saale
Tonmeister: Ekkehard Schönerg
Verlag: Rundfunkeigens Material (nach Erinnerungen aus den handschriftlichen Stimmen des Komponisten aufgeführt)
Kapitelübersicht
→ XVI-01 | Positionswechsel mit Wunden |
→ XVI-02 | Letzte musikalische Höhepunkte unter Kegel und Neumann als Chefs |
→ XVI-03 | Wie weiter mit dem Rundfunkchor? |
→ XVI-04 | Schnell gefunden: Der neue Chefdirigent Wolf-Dieter Hauschild |
→ XVI-05 | Große Abende der Oper und Chorsinfonik |
• | Politisches Kalkül versus künstlerische Vorbehalte |
→ XVI-07 | Das Interregnum: Frischmuth – Wehner – Richter |
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