Zeitenwende [XVI]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Artikel der „FF dabei“ im Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Positionswechsel mit Wunden XVI-01
Die Spielzeiten 1977/78 und 1978/79 stellen den Rundfunkchor Leipzig vor die grundlegendsten Veränderungen seit 1946 – und können als eine Zeitenwende in der Chorgeschichte bezeichnet werden. Nicht nur, dass Horst Neumann nach dem plötzlichen Tod Adolf Fritz Guhls von Sommer 1977 an dessen Nachfolge als Chefdirigent des Rundfunkorchesters Leipzig antritt.
Mit Beginn der Spielzeit 1977/78 wird Herbert Kegel zum Chefdirigenten der Dresdner Philharmonie berufen.
In einem Zeitungsinterview mit dem Journalisten Peter Wittig erläutert Kegel die Motive für seinen Wechsel 1978 nach Dresden:
„Ich will nicht so weit gehen zu sagen, der verlorene Sohn kehrt heim, aber fest steht nach insgesamt 28 Jahren Arbeit am gleichen Institut hat ein Tapetenwechsel viel Positives.
Zweitens bin ich froh, vom Mikrofon wegzukommen, wenigstens größtenteils, weil es im Grunde ein amusisches ‚Instrument‘ ist.
Drittens möchte ich mehr reisen: Die Dresdner Philharmonie ist das erfolgreichste Reiseorchester der DDR.“
Allerdings fügt er hinzu:
„Daß ich ‚meinen‘ Leipziger Rundfunkchor nicht mit nach Dresden nehmen kann, ist eine Wunde, die der Positionswechsel hinterläßt.“
Aber ganz so absolut wird die Trennung dann doch nicht werden.
Ab und zu dirigiert Kegel in Leipzig als Gast, holt den Chor, insbesondere zu Konzerten im Rahmen der Musikfestspiele, nach Dresden und produziert unter Chorbeteiligung Rundfunk- und Fernsehaufnahmen.
Dem Dresdner Publikum stellt Herbert Kegel zahlreiche Werke unter Mitwirkung „seines“ Leipziger Rundfunkchores vor, die er auch schon in Leipzig dirigiert hatte: Beethovens 9. Sinfonie, Benjamin Brittens War Requiem, den Parsifal Orffs kleines Welttheater Der Mond oder die 8. Sinfonie von Gustav Mahler.
Auch zu Schallplattenaufnahmen mit der Dresdner Philharmonie holt Kegel den Rundfunkchor aus Leipzig.
Produzier werden Arnold Schönbergs Gurre-Lieder, Beethovens Neunte und Chorfantasie sowie das War Requiem.
Doch auch nach Leipzig zieht es den Maestro immer wieder zurück.
Hier setzt er die Schallplattenproduktion kleinerer geistlicher Werke von Mozart und Schubert in mehreren Serien fort, leitet eine vielbeachtete Aufnahme des Deutschen Requiems von Johannes Brahms und gastiert immer wieder in den Konzerten des Leipziger Senders.
Beethovens 9. Sinfonie und Missa solemnis, Mahlers Kantate Das klagende Lied, das Requiem von Paul Hindemith, Bruckners Te Deum oder das Liszt-Oratorium Die Legende von der heiligen Elisabeth werden vom Leipziger Konzertpublikum begeistert aufgenommen.
Im Rundfunk-Anrechtskonzert am 15. April 1975, aus dem der folgende Ausschnitt der Sinfonie Nr. 2 von Gustav Mahler stammt, dirigierte Herbert Kegel dieses Werk letztmalig mit den Leipziger Rundfunk-Klangkörpern:
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 2 c-Moll “Auferstehung” – Schluss des 5. Satzes
Elisabeth Breul, Sopran
Annelies Burmeister, Alt
Rundfunk-Sinfonieorchester
Rundfunkchor Leipzig
Choreinstudierung: Horst Neumann
Dirigent: Herbert Kegel
Konzertmitschnitt des Rundfunks der DDR vom 15. April 1975
aus der Kongresshalle Leipzig
Kapitelübersicht
• | Positionswechsel mit Wunden |
→ XVI-02 | Letzte musikalische Höhepunkte unter Kegel und Neumann als Chefs |
→ XVI-03 | Wie weiter mit dem Rundfunkchor? |
→ XVI-04 | Schnell gefunden: Der neue Chefdirigent Wolf-Dieter Hauschild |
→ XVI-05 | Große Abende der Oper und Chorsinfonik |
→ XVI-06 | Politisches Kalkül versus künstlerische Vorbehalte |
→ XVI-07 | Das Interregnum: Frischmuth – Wehner – Richter |
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