Neujahr mit dem Leipziger Rundfunkchor

Erstdruck des »Neujahrsliedes« von Robert Schumann und Friedrich Rückert
Robert Schumann
Lithografie von Gustav Feckert anch einer Zeichnung von A. Menzel
»Begrüßet das junge, das Jahr, das erwacht!«
Robert Schumanns Neujahrslied op. 144 für Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor, Bariton, Chor und Orchester sang der Leipziger Rundfunkchor in seiner beinahe 100-jährigen Geschichte erst einmal. Im Dezember 1989 hatte Horst Neumann dieses Werk, zusammen mit Schumanns Adventlied op. 71, dem Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saëns und der Weihnachtsouvertüre über den Choral „Vom Himmel hoch“ von Otto Nicolai auf das Programm eines Konzertes der Reihe „Zauber der Musik“ gesetzt.
In sieben Nummer, die sich nahtlos aneinander anschließen, vertonte Schumann einen Text von Friedrich Rückert, der das alte Jahr würdigend abschließt und das beginnende, neue Jahr willkommen heißt. Rückert beschwört in seinem Gedicht die Einheit der Menschen, die sich jedoch nur in Gottvertrauen verwirklichen lässt. Folgerichtig webt Schumann in den fugierten Schluss-Satz den Choral „Nun danket alle Gott“ ein. Zunächst intonieren die Bässe dieses Kirchenlied von Martin Rinckart, während darüber Sopran, Alt und Tenor den Chor mit dem Rückert-Text beenden. Ganz in Mendelssohnscher Manier stimmt am Ende des Werkes der gesamte Chor unisono in den Choralgesang ein.
Auch wenn das Neujahrslied in der Werkstatistik der Aufführungen Schumannscher Werke durch den Leipziger Rundfunkchor ein Schattendasein fristet, ist dies vom gesamten Vokalwerk Robert Schumanns ganz und gar nicht zu sagen. Vor allem sind es die die A-cappella-Werke des mit dem Leipziger Musikleben eng verbundenen Meisters, die sich immer wieder in den Konzertprogrammen des Chores finden und für Schallplatten und CDs eingespielt wurden. Schon 1959 produzierte Dietrich Knothe mit dem Rundfunkchor Leipzig eine kleine Schallplatte mit fünf Chöre Schumanns. Sein Nachfolger Horst Neumann nahm 1978 eine Langspielplatte mit 13 Chorliedern von Schumann auf. Howard Armans Vorhaben, das gesamte A-cappella-Chorwerk des Komponisten zu produzieren, versandete 2005 nach der ersten CD, die Romanzen, Balladen und Lieder op. 67, 69, 75, 91 und 114 enthielt. Die Jagdlieder op. 137 sowie zwei weitere Männerchöre Schumanns sind auf der Männerchor-Aufnahme „Am fernen Horizonte“ von 2003 enthalten, ebenfalls von Arman dirigiert.
Auch die großen chorsinfonischen Werke Schumanns standen immer wieder auf den Programmen des Leipziger Rundfunkchores. Schon 1925 und 1926, in den ersten beiden Spielzeiten des Ensembles, damals noch unter dem Namen Leipziger Oratorienvereinigung, zog Alfred Szendrei seinen Chor zu Sendekonzerten mit dem weltlichen Oratorium Das Paradies und die Peri und zu den Szenen aus Goethes Faust hinzu. Das Paradies und die Peri produzierte Wolf-Dieter Hauschild 1981 für Schallplatte bzw. CD. Heinz Fricke leitete am Pult des Gewandhausorchesters 1956 eine Aufführung des Werks und Howard Arman 2006 und 2009 Konzerte in Leipzig und Zwickau. Die Faust-Szenen wurden 1972 von Adolf Fritz Guhl mit dem Großen Rundfunkorchester Leipzig und 1981 von Albrecht Hofmann am Pult der heutigen Robert-Schumann-Philharmonie geboten. Das dramatische Gedicht Manfred op. 115, nach einem Poem von Lord Byron, führte Hermann Scherchen 1960 im Leipziger Rundfunk auf.
Genoveva op. 81, die einzige Oper Robert Schumanns, findet sich nur einmal in der Aufführungsstatistik des heutigen MDR-Rundfunkchores. Chefdirigent Jun Märkl dirigierte sie 2010 in Konzerten in Rotterdam und Leipzig.
Die jüngste Einspielung von chorsinfonischen Werken Schumanns ist der DVD-Mitschnitt eines Konzerts der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Daniel Harding leitete in der Dresdner Frauenkirche ein Konzert mit dem Nachtlied op. 108 und dem Requiem für Mignon op. 98 b.
Nicht unerwähnt bleiben darf der 18. Nachtgesang im Juni 2010. Für das Konzert unter dem Titel „Cadavre exquis“ hatte Howard Arman im Jahr des 200. Geburtstags von Robert Schumann bei namhaften Komponisten Werke in Auftrag gegeben. Die Herausforderung bestand darin, Textzeilen des Gedichts Ungewisses Licht von Joseph Christian Freiherr von Zedlitz, das Robert Schumann als die Nummer 2 seiner Vier doppelchörigen Gesänge op. 141 vertont hatte, in der jeweiligen Tonsprache zu adaptieren.
Robert Schumann: Neujahrslied op. 144 [Ausschnitt]
Rundfunkchor Leipzig
Choreinstudierung: Gert Frischmuth
Großes Rundfunkorchester Leipzig
Jürgen Kurth, Bariton
Leitung: Horst Neumann
Aufnahme: Rundfunk der DDR am 17. Dezember 1989 im Gewandhaus Leipzig
»Neujahrslied« op. 144
Text: Friedrich Rückert
Nr. 1
Mit eherner Zunge,
Da ruft es: Gebt Acht!
Ein Jahr ist im Schwunge
Zu Ende gebracht.
Ihr freudigen Zecher
Hebt tönende Becher,
Begrüßet das junge,
Das Jahr, das erwacht!
Im Dunkel geboren,
Im nächtlichen Schoß,
Da tritt’s aus den Toren
Des Lebens wie groß!
Was führst du im Schilde?
Was zeigst du im Bilde?
Was rüsten die Horen
Für wechselndes Los?
Blickt Brüder, zum alten!
Wie schwindet’s so klein!
Es kriecht in die Spalten
Des Grabes hinein;
Die hangende Flöre,
Die ziehenden Chöre
Der Schattengestalten
Weh’n hinter ihm drein.

Titel der Partitur des »Neujahrsliedes“, herausgegen von Clara Schumann im Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig
Nr. 2
Du herrschtest noch eben
Mit mächtiger Lust;
Des Reiches begeben
Dich hast du gemußt.
Wie streng du geschaltet,
Wie herb du gewaltet,
Du ließest uns Leben
Und Mut doch der Brust.
Jetzt nimmst du den Zepter,
Das Königsgewand,
Legst von dir, verlebter
Gebieter, das Pfand;
Der junge, nun mündig,
Erfaßt es so bündig;
Der Stab, o wie schwebt er
Ihm frei in der Hand.
Nr. 3
Heil! neuer Gebieter
Der harrenden Welt.
Ein Jahr lang uns wieder
Zum Amte bestellt!
Wir alle, die deinen,
Wir kommen, erscheinen,
Und beugen die Glieder,
Zu tun, was gefällt.
Nr. 4
Hebt, Brüder, die Blicke,
Auf mutiger Bahn. Mit festem Genicke
O schauet ihn an! Des Königen Mienen
Was lest ihr in ihnen?
Was steht für Geschicke
Geschrieben daran?
In dunkelen Zügen,
In flämmender Glut,
Nicht lauter Vergnügen,
Noch Freuden und Gut.
Sie wollen uns sagen
Von Dulden und tragen.
Die Schrift kann wohl lügen,
Doch rüste dich, Mut!
Wie schwer von Entwürfen!
Wie drängend nach Tat!
O daß wir nicht dürfen,
Entziffern den Rat!
Nr. 5
Der Rat wird schon reifen;
Lernt Sicheln zu schleifen
Noch eh wir’s bedürfen,
Sonst ist es zu spat.
Nr. 6
O Fürst, auf dem Throne
Des Zeitlaufs erwacht,
Du trägest die Krone,
Wir huld’gen in Nacht,
Bereit, auf dein Winken
Zu schon und zu sinken.
Geh, herrsche und lohne,
Geh, führ uns mit Macht!
Laß Taten geschehen,
Stell uns auf den Plan,
Laß Palmen uns wehen,
Laß Wunden empfahn!
Daß, wenn du einst wieder
Vom Throne mußt nieder
Du siehst, und wir sehen,
Es ist was getan!
Nr. 7
Schließt Brüder, die Runde,
Und sprecht zum Gedeih’n:
Stets laßt uns im Bunde
Vereiniget sein.
Doch will es uns trennen,
So soll man erkennen,
Wie fest auf dem Grunde
Steht jeder allein.
Nun danket alle Gott
Mit Herzen, Mund und Händen,
Der große Dinge tut
An uns und aller Zeit,
Der ewig war und ist
Und ewig bleiben wird.
Heil!
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Weihnachtsgruß der FREUNDE UND FÖRDERER DES MDR-RUNDFUNKCHORES Leipzig e.V.
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