Weihnachten mit dem Leipziger Rundfunkchor

Herbert Kegel
Ölbild von Erika Uibe, Mitte der 1950er Jahre
Erika Uibe war Sopranistin im Leipziger Rundfunkchor von 1950 bis etwa 1957
Original: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

 

Wiederentdeckte Weihnachts-Rarität von 1960

Herbert Kegel, der 2020 einhundert Jahre alt geworden wäre und dessen 30.Todestag im Jahr der Corona-Pandemie unterging, stand in seiner Zeit als Leiter des Leipziger Rundfunkchores, also zwischen 1949 und 1952, nicht selten auch in A-cappella-Aufnahmen und A-cappella-Konzerten vor „seinem“ Chor.
Allerdings sind davon nicht sehr viele Produktionen erhalten geblieben: Es existieren lediglich die Schallplattenaufnahme von Zoltán Kodálys Zyklus „Bilder aus der Mátra-Gegend“, Teile der Rundfunkaufnahme des Festkonzertes „20 Jahre Rundfunkchorchor Leipzig“ aus dem Jahr 1967 und vereinzelte Aufnahmen.

Am 26. Dezember 1960 veranstaltete der Sender Leipzig ein „Festliches Konzert“, dessen Hauptwerk die Glagolitische Messe von Leoš Janáček darstellte.
Im ersten Konzertteil erklangen zehn a cappella gesungene Weihnachtslieder, ebenfalls von Chefdirigent Kegel dirigiert. Die ganz unterschiedlichen Werke von Michael Praetorius bis zu Hanns Eisler wurden in sehr schönen Sätzen geboten. Horst Karl Hessel, Korrepetitor und Bassist im Rundfunkchor, bearbeitete Eislers Kinderlied „Es war einmal ein Tannenbaum“ und Dankward Pfeiffer, Aushilfssänger des Rundfunkchores, das Spiritual „Go tell it on the mountains“.

 

 

Unlängst wurde ein Mitschnitt dieser Weihnachtslieder im MDR-Schallarchiv aufgefunden. Die Interpretation Kegels zeigt genau seine dirigentische „Handschrift“. Der Text wird plastisch deklamiert und ist in einen ganz dichten, romantischen Chorklang eingebettet. Kegel differenziert sowohl die einzelnen kleinen Werke als auch die Strophen der Lieder in dynamischer Hinsicht und behandelt die Tempi sehr frei: wo es sich anbietet, lassen Glissandi und Rubati die Darbietung sehr abwechslungsreich erscheinen. Bemerkenswert ist auch die Leistung der Chorsolistin.

 

Internationale Weihnachtslieder für Chor a cappella


Hanns Eisler (1898-1962): Kinderlied „Es war einmal ein Tannenbaum“

Heinz Krause-Graumnitz (1911-1979): Halm und Himmel steh’n im Schnee
Russisches Wiegenlied: „Schlaf mein Kindlein“ (Bajuschki-baju)
Französisches Weihnachtslied: Patapan „Bind‘ die Trommel um“
Spiritual: Go tell it on the mountains – Kündet von den Bergen (Unbekannt)
Brasilianisches Weihnachtslied: Oh kommt herein, ihr Hirten

 


Speyrer Gesangbuch: Es ist ein Ros entsprungen

Franz Xaver Gruber (1787-1863): Stille Nacht, heilige Nacht
Rumänisches Kurrende-Lied: Mit dir Hoheit Herr Gott
Polnisches Weihnachtslied: Als die Welt verloren (Gloria in excelsis deo)

Rundfunkchor Leipzig
Dirigent: Herbert Kegel
Livemitschnitt aus dem Weihnachtskonzert des Senders Leipzig
am 26. Dezember 1960 in der Leipziger Kongresshalle am Zoo

 

Herbert Kegel, das Rundfunk-Sinfonieorchester und der Rundfunkchor Leipzig auf der Bühne der Leipziger Kongresshalle, um 1964
Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Fotograf nicht bekannt

 

Die Kritiken des „Festlichen Konzerts“ behandeln die Weihnachtslieder eher am Rande und konzentrieren sich mehr auf das Hauptwerk, die „Glagolitische Messe“. Der Kritiker der Union hätte die Weihnachtslieder lieber einem reinen A-cappella-Programm überlassen. Möglicherweise wären sie für die Nachwelt dann aber nicht erhalten geblieben. So ist uns ein einzigartiges Tondokument überliefert, das hörbar werden lässt, von welchen Intentionen sich Herbert Kegel bei der Interpretation von A-cappella Musik leiten ließ und wie sehr der Leipziger Rundfunkchor fähig war, ihm darin zu folgen.

 

 


Rundfunkchorsänger berichten von ihren Weihnachtsbräuchen
Herbert Kegel und Bachs „Weihnachtsoratorium“

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