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Rundfunk-Alltag in der DDR [XIII]

Chronik des Leipziger Rundfunkchores

von Rüdiger Koch

 

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Der Leipziger Rundfunkchor auf der Bühne der Leipziger Kongresshalle am Zoo, ca. 1962
Foto: MDR-Chorarchiv

 

Die Gremien des Chores: AGL und KöAG

Die Gewerkschaftsgruppenleitung war keine Interessenvertretung der Chormitglieder im heutigen Sinne. Dennoch hat sie immer wieder versucht, die Interessen des Chores gegenüber der staatlichen Leitung des Rundfunks zumindest zu artikulieren.

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Die KöAG mit dem Chefdirigenten des Leipziger Rundfunkchores, Gert Frischmuth, 1988
(v.l.n.r.:) Steffi von Lünen, Arnd Germer, Gert Frischmuth, Eveline Reichert, Joachim Preiß, Gisela Kaltofen, Siegfried Müller, Hanjo Ribbe und Dietmar Unger
Foto: Konzertreport 1988/1989

Am Ende der 1960er Jahre wurde der GGL eine Künstlerisch-ökonomische Arbeitsgruppe (KöAG) zur Seite gestellt.
Dieses aus etwa fünf bis sieben Mitgliedern bestehende Gremium hatte die Aufgabe, Werkvorschläge für Konzerte und Rundfunkaufnahmen zu unterbreiten, gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter die produzierten Bänder abzuhören, mit beratender Stimme an Vorsingen von Bewerbern teilzunehmen und die künstlerische Qualität aufzuführender Werke zu beurteilen.

Gerhard Richter, der Vorsitzende der KöAG, übernahm 1972 das Führen des Chortagebuches von Werner Frensel.

Wurden schon ab etwa 1965 in den DDR-Betrieben Brigadetagebücher eingeführt, drang man 1971 darauf, auch beim Rundfunk die Arbeit aller Arbeitsbereiche, also auch der Orchester und Chöre, auf diese Weise zu dokumentieren.

Auch wenn die Existenz von Brigadetagebüchern – beim Leipziger Rundfunkchor hießen sie Chortagebücher – heute vielfach belächelt wird, stellen sie doch eine wesentliche Quelle für die Geschichte des Rundfunkchores zwischen 1971 und 1989 dar. Im Chortagebuch ist jeder Tag, also jede Probe, jedes Konzert und jeder Rundfunk- bzw. Schallplattenaufnahmetermin, festgehalten und wenn nötig kommentiert worden. Ergänzt wurden die Einträge durch Ausschnitte aus Programmheften, durch Kritiken und Fotos.
Nach Reisen oder Chorausflügen schrieben Chormitglieder spezielle Reiseberichte. Kurz vor der Einführung der Chortagebücher hatte Kollege Werner Säubert begonnen, die Arbeit des Chores in einem bebilderten und mit Text versehenen Album zu dokumentieren. Dieses Vorhaben erübrigte sich durch die Chortagebücher.

 

Der Januar aus dem Chortagebuch des Jahrganges 1977 [zum Umblättern]

Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

Der hier wiedergegebene erste Monat des Jahres 1977 steht beispielhaft für alle Chortagebücher.
Chronistin ist in diesem Fall die Sängerin Ursula Engemann. Sie hielt die Daten fest und übermittelte sie an Gerhard Richter, der sie in das Tagebuch übertrug und durch Programmheftausschnitte sowie Fotos und Kritiken ergänzte und gegebenenfalls kommentierte.
Als Konzerte des Januar 1977 werden das Bachsche Lautsprechersymbol-klein-1Weihnachtsoratorium und Händels Lautsprechersymbol-klein-1Messias dokumentiert.
Selbstverständlich finden sich die vier in Leipziger Zeitungen erschienenen Kritiken im Chortagebuch wieder.
Für die Schallplatte wurde im betrachteten Monat Luigi Nonos Epitaffio aufgenommen, durch eine stilisierte Schallplatte gekennzeichnet: ʘ. Akribisch hielt man fest, wie oft Aufnahmen und Mitschnitte des Chores im Rundfunk gesendet wurden.
Im Januar 1977 ging der Rundfunkchor zwölf mal über die DDR-Sender!
Auch Probleme in der Arbeit verschwieg der Chronist nicht: So vermerkt er ein vorzeitiges Probenende am 4. Januar, weil Herbert Kegel „sehr geschafft“ war. Deuteten sich hier die später häufiger auftretenden psychischen Probleme des Chefs schon an?
Immer wieder kam es vor, dass zu Beginn einer Probenphase nicht das richtige Notenmaterial vorlag. In diesem Falle musste der Messias zunächst aus der Peters-Ausgabe einstudiert werden, bis schließlich eine Woche vor dem Konzerttag die Stimmen der Neuen Mozartausgabe vom Verlag aus Kassel eintrafen.

Die Live-Übertragung der außerhalb des Rundfunkdienstes stattfindenden Fernsehsendung Die goldene Note findet ebenfalls Erwähnung: wegen der wiederholten Unterforderung des Rundfunkchores, der (wie häufig!) verzögerten Rückfahrt und wegen des ersten Dirigats von Klaus Wiese, der nach Adolf Fritz Guhls plötzlichem Tod für die Fernsehproduktion eingesprungen war.
Selbstverständlich wird Guhl mit dem Abdruck eines Artikels aus der Rundfunk-Programmzeitschrift FF dabei und durch einige Worte des Chronisten gewürdigt.

 

Johann Sebastian Bach: Weihnachts-Oratorium

 

daraus: Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“
Emilia Petrescu (Sopran)
Marta Kessler (Alt)
Peter Maus (Tenor)
Hermann Christian Polster (Bass)
Rundfunkchor Leipzig · Chor-Einstudierung: Horst Neumann
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Herbert Kegel
Aufnahmeleitung: Eckard Schönberg·Manfred Weber
Aufnahme am 11. Januar 1977 in der Leipziger Kongresshalle am Zoo

 

 

Georg Friedrich Händel: Der Messias

 

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Peter Schreier probt 1985 mit dem Leipziger Rundfunkchor im Großen Sendesaal des Funkhauses in der Leipziger Springerstraße
Foto: Barbara Stroff – Archiv des Leipziger Rundfunkchores

daraus Chöre:
Nr. 8 „Uns ist zum Heil ein Kind geboren“
Nr. 25 „Machet das Tor weit dem Herrn“
Nr. 32: „Halleluja“

Rundfunkchor Leipzig · Chor-Einstudierung: Horst Neumann
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Peter Schreier 

Aufnahmeleitung: Dietlinde Kretzschmann · Manfred Weber
Aufnahme am 1. Februar 1977 in der Leipziger Kongresshalle am Zoo

 

 

Tagesordnung der AGL-Wahl des Leipziger Rundfunkchores 1979

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Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

 

Auf den Wahlversammlungen für die GGL/AGL hielt der jeweilige Vorsitzende einen Rechenschaftsbericht über die Arbeit des Chores in der abgelaufenen zweijährigen Wahlperiode. Diese Berichte umfassten zwölf bis siebzehn Schreibmaschinenseiten.

Rechenschaftsberichte haben sich für den Zeitraum ab 1959 erhalten. Die Berichterstatter waren Rudi Wünsche (GGL-Vorsitzender von 1961 bis 1974), Horst-Dieter Knorrn (AGL-Vorsitzender von 1974 bis 1986) und Joachim Preiß (AGL-Vorsitzender ab 1986). Nach Angaben von Chormitglied Margot Gleisberg war Herbert Junghans der erste GGL-Vorsitzende nach der Neugründung. Ein Antwortschreiben Hermann Abendroths an Herbert Junghans auf eine Einladung des Chores zum selbst organisierten A-cappella-Konzert am 25. Mai 1951 im Weißen Saal des Leipziger Zoos stützt diese Aussage. Nach Junghans übernahm Werner Frensel den Vorsitz der GGL, bis er 1961 wegen einer Meinungsverschiedenheit zurücktrat. Ihm folgte dann Rudi Wünsche.

→ WEITER: Rechenschaftsberichte – Die Kunst der subtilen Kritik


 

Kapitelübersicht

Kapitel-Startseite
→ XIII-01 Der Leipziger Rundfunkchor im Geflecht der gesellschaftlichen Strukturen
Die Gremien des Chores: AGL und KöAG
→ XIII-03 Rechenschaftsberichte – Die Kunst der subtilen Kritik
→ XIII-04 Gute Arbeit ./. Schlechte Arbeitsbedingungen
→ XIII-05 Fluch und Segen des sozialistischen Wettbewerbs
→ XIII-06 Geselligkeit
→ XIII-07 Der am schlechtesten bezahlte Rundfunkchor
→ XIII-08 Im Nebenberuf GGL/AGL-Mitglied
→ XIII-09 Hinter der Bühne: Die unsichtbaren Helfer
→ XIII-10 Der Einzelne und die Gemeinschaft
→ XIII-11 Staatsnah – und doch Staatsfern
→ XIII-12 Die „Drossel“. Gab es „Inoffizielle Mitarbeiter“ im Rundfunkchor?
→ XIII-13 Ein staatlicher Chor in kirchlichen Räumen

 

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