Die Ära Horst Neumann [X]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch
Horst Neumann: jung, exakt, lernbegierig [X-I]
In die Annalen des Leipziger Rundfunkchores können die Jahre von 1967 bis 1978 durchaus als die „Ära Horst Neumann“ eingehen.
Wurde seinerzeit der Name dieses Dirigenten genannt, dann in der Regel im Zusammenhang mit dem Rundfunkchor. Und umgekehrt war selten vom Chor zu hören, ohne dass auch auf Horst Neumann Bezug genommen wurde.
Dabei begann die Ära Neumann eher schleichend. Erstmals ist in der Chronologie des Chores am 30. Januar 1964 eine Zusammenarbeit mit Neumann verzeichnet. Am selben Tag spricht sich das Ensemble jedoch auch mit großer Mehrheit für Armin Oeser als den neuen Chorleiter aus.
Dennoch bleibt Neumann dem Chor als gelegentlicher Gastdirigent verbunden. So studiert er in dieser Zeit, im April 1966, sehr erfolgreich Hans Werner Henzes Kantate Novae de infinito laudes ein.
Im Rechenschaftsbericht von Oktober 1967 schreibt Rudi Wünsche, das Werk sei „ … mit größter Exaktheit erarbeitet unter der Leitung von Horst Neumann, der uns damit die Ueberzeugung gab, daß wir in ihm den Mann gefunden haben, den wir für unsere Arbeit … brauchen.
Eine Auszeichnung für Horst Neumann war die Bewertung seiner Einstudierungsarbeit durch Hans Werner Henze und ebenso ehrenvoll für uns das Urteil dieses weitgereisten und zu den größten zählenden unter den Komponisten der Gegenwart:
‚Der Rundfunkchor Leipzig ist der beste Chor, den ich je gehört habe‘.”
Johann Sebastian Bach: Jesu, meine Freude 1970
Jesu, meine Freude Einganschor der fünfstimmigen Motette für gemischten Chor a cappella
Rundfunkchor Leipzig
Dirigent: Horst Neumann
Künstlerische Aufnahmeleitung. Günter Neubert
Technische Aufnahmeleitung: Eberhard Amelung
Aufnahme: 7. Januar 1970 in der Leipziger Bethanienkirche
Quelle: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Nach Oesers Ausscheiden wird Horst Neumann zum Beginn der Spielzeit 1967/68 dessen Nachfolger. Damit setzt sich die Reihe der jungen Chorleiter des Rundfunkchores fort: Kegel war 29, Knothe 24, Oeser 29 und nun Horst Neumann 33 Jahre alt.
Neumann war zuvor Dirigent des Vogtlandorchesters in Reichenbach gewesen. Nachdem er 1959 sein Dirigierstudium in Berlin hervorragend abgeschlossen hatte, wirkte er einige Jahre als Dirigent beim Staatlichen Dorfensemble, dem späteren Folklore-Ensemble der DDR. Diese Tätigkeit mag für den jungen Dirigenten nicht unbedingt die Erfüllung gewesen sein. Allerdings zeigt sich hier eine Eigenschaft Neumanns, die ihm auch später nützlich sein wird: jede neue Situation als eine Chance für Wachstum und Weiterentwicklung zu begreifen. So hat es den Anschein, als ob Neumann während seines Wirkens beim Folklore-Ensemble eine erhebliche Repertoire-Kenntnis erwarb und sich Routine im besten Sinne des Wortes aneignete. Möglicherweise entstand der Kontakt zum Rundfunk, als er 1960 mit dieser Gruppe einige Rundfunkaufnahmen produzierte.
Für die vorliegende Darstellung der Entwicklung des Leipziger Rundfunkchores wird der Tätigkeitszeitraum der jeweiligen Chorleiter als grobes Gliederungsmerkmal benutzt. Allerdings ist daraus nicht zu schließen, dass sich mit einem neuen Dirigenten auch das Wirken des Chores schlagartig oder grundlegend veränderte. So ist Horst Neumann, wie auch seine Vorgänger Oeser und Knothe, vorwiegend für die A-cappella-Arbeit und die Einstudierungen chorsinfonischer Werke sowie konzertanter Opernproduktionen verantwortlich. Dennoch haben sich die Anforderungen an den Chor, an sein Profil und damit auch an seine Leistungsfähigkeit nach und nach verändert. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Ensemble etwa ab 1965 verstärkt an Schallplatten-Co-Produktionen mitwirkte. Damit rückte es – und mit ihm natürlich auch sein Leiter – verstärkt in den Fokus der musikalischen Öffentlichkeit.
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→ X-04 | Weltliteratur der Chorsinfonik |
→ X-05 | Der „Dessau-Chor“ |
→ X-06 | Aufnahmen für den Rundfunk und die Schallplatte |
→ X-07 | Neue Möglichkeiten für Horst Neumann |
→ X-08 | Endlich wieder auf Reisen: Paris, ČSSR, Wrocław, Italien |
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