Internationale Ausstrahlung: Schallplattenaufnahmen [IX]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch
Chorvorstände als „Manager“ [IX-05]

Vertrag des Rundfunkchores Leipzig mit dem Deutschen Fernsehfunk über die Mitwirkung in einer Fernsehsendung „Die goldene Note“
Neben der Mitwirkung an Co-Produktionen mit westdeutschen Schallplattenfirmen poduzierte der Rundfunkchor Leipzig bis zum Ende der 1980er Jahre aber auch Aufnahmen für das DDR-Label ETERNA in der Dresdener Lukaskirche, der Leipziger Versöhnungs- und Paul-Gerhardt-Kirche, im Haus Auensee in Leipzig, in der Pädagogischen Hochschule Halle und im Studio des VEB Deutsche Schallplatten am Berliner Reichstagsufer.
Dabei gehörte die Tätigkeit für den VEB Deutsche Schallplatten allerdings nicht – wie oft vermutet – zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Rundfunkchorsänger. Dennoch lag es im Interesse des Staatlichen Rundfunkkomitees, dass die Arbeit seiner Klangkörper auch auf Schallplatten für den nationalen und internationalen Markt dokumentiert wurde. Zum Aspekt des Imagegewinns kam, insbesondere bei den Co-Produktionen, auch die Absicht hinzu, Devisen für die DDR einzuspielen.
Ohne den Vorstand wäre eine Mitwirkung des Chores bei Schallplattenaufnahmen schwerlich zu realisieren gewesen. Zunächst mussten die Vorstandsmitglieder geplante Schallplatten-Termine mit dem Rundfunk koordinieren, also im Dienstplan die nötigen Freiräume dafür schaffen. Es musste in vielen Fällen das benötigte Notenmaterial aus dem Notenarchiv des Senders beschafft werden. Bei größer besetzten Werken hieß es, Aushilfen anzusprechen und zu verpflichten. Natürlich war es notwendig, mit dem Chorleiter die Termine der Schallplatten-Proben zu vereinbaren und eventuell den Probenraum reservieren zu lassen. Auch die Bestellung der Busse und Übernachtungen bei auswärtigen Aufnahmen oblagen dem Chorvorstand. Hinterher war es seine Aufgabe, den beteiligten Chormitgliedern die Honorare zu berechnen, auszuzahlen und zu bescheinigen.
In der Anfangszeit der Schallplatten-Mitwirkung des Chores hielten Werner Frensel und Herbert Feller den Kontakt zum VEB Deutsche Schallplatten, später waren es Rudi Wünsche und – man kann schon sagen jahrzehntelang – Horst-Dieter Knorrn und vor allem Dietmar Unger.
Dem Tenor Dietmar Unger gelang es als Mitglied der AGL, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Schallplattenfirma aufzubauen, zu pflegen und zu erhalten. Durch seine Arbeit hat er ganz wesentlich dazu beigetragen, die internationale Ausstrahlung des Rundfunkchores Leipzig zu fördern und zu erhalten.
Vertrauensvolle Partner seitens des VEB Deutsche Schallplatten waren ihm die Schallplatten-Mitarbeiterin Gabriele Timm und Produktionsleiter Dieter-Gerhardt Worm. Der Dirigent Worm, ab 1974 GMD in Karl-Marx-Stadt, lud auf Grund dieser guten Beziehungen den Chor mehrfach zu Konzerten mit seinem Orchester, der heutigen Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, ein. Aufgeführt wurden neben einem Jacques-Offenbach-Programm und der As-Dur-Messe von Franz Schubert Beethovens 9. Sinfonie, C-Dur-Messe und Chorfantasie.
Die Mitwirkung an Schallplattenproduktionen für den internationalen Markt stärkte gleichermaßen das Leistungsvermögen und das Selbstbewusstsein des Leipziger Rundfunkchores.
Ohne den persönlichen Einsatz der Mitglieder des Chorvorstands – und natürlich auch jedes Einzelnen – hätte sich der Chor über diesen Weg wohl kaum dermaßen stark in das Bewusstsein der musikalischen Öffentlichkeit singen können.
Christoph Willibald Gluck: „Orpheo ed Euridice“ 1966
aus der 1. Szene des 2. Aktes:
21 Chor: Chi mai dellʻ Ebro fralle caligni
22 Orpheus und Chor: Deh placatevi con me
23 Chor: Misero giovane, che vuoi, che mediti?
Grace Bumbry (Alt) – Orpheus
Rundfunkchor Leipzig
Choreinstudierung: Horst Neumann
Gewandhausorchester Leipzig
Dirigent: Václav Neumann
Aufnahme: 04./06. Oktober 1966
in der Leipziger Heilandskirche
ETERNA: Et 8 686-687
Quelle: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Die Schallplattenaufnahme des Orfeo steht als Beispiel für zahlreiche andere Tonträgerproduktionen, die ohne die organisatorische Vorbereitung durch den Chorvorstand schwerlich möglich gewesen wären. Genannt seien von Verdi das Requiem (Patané, 1974) und La Traviata (Patané, 1971), Mussorgskis Boris Godunow (Kegel, 1970), die Missa solemnis von Beethoven (Masur, 1972), Orffs Trionfo di Afrodite (Kegel, 1975) oder der Wagnersche Rienzi (Hollreiser, 1974/76).
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Schallplatten-Co-Produktionen der 1960er und 1970er Jahre
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→ IX-03 | Stardirigenten vor dem “Schallplattenchor” |
→ IX-04 | Herbert von Karajan: “Das Beste an Leipzig ist der Rundfunkchor” |
• IX-05 | Chorvorstände als “Manager” |
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