www-Logo_MDR_RC_4c_oL

 

Internationale Ausstrahlung: Schallplattenaufnahmen [IX]

Chronik des Leipziger Rundfunkchores

von Rüdiger Koch

 

karajan-rundfunkchor-for-web

Herbert von Karajan probt mit dem Leipziger Rundfunkchor und Gästebucheintrag Herbert von Karajans, 1970
Foto: Werner Säubert


Das Beste an Leipzig ist der Rundfunkchor! 
                                                                                                           Herbert von Karajan

Am 1. Dezember 1981 gastierte das Berliner Philharmonische Orchester unter seinem Chefdirigenten Herbert von Karajan erstmals im kurz zuvor eröffneten Neuen Gewandhaus in Leipzig.
Zwei Journalisten durften vor der Probe ein kurzes Interview mit dem Maestro führen.
Rolf Richter gehörte diesem Team an und fasste seine Eindrücke später in einem kleinen Bericht zusammen:
„Dann kam er, klein, ätherisch, freundlich, langsamen Schrittes: Herbert von Karajan.
Er war zum wiederholten Mal in der Stadt von Bach und Wagner. Seine Philharmoniker gastierten aber erstmals im neuen Haus.
Der Chef schritt majestätisch in den Saal, setzte sich aufs Podium und ließ die Konzerthalle auf sich wirken. Er schwieg eine ganze Weile.
Eine Journalistin vom Rundfunk und ich baten ihn um ein paar Sätze. Wir fragten, wie er den Saal fände:
Er erinnert mich ein wenig an die Philharmonie. Aber sie ist natürlich größer. Ich habe von manchen schon gehört, das Gewandhaus sei das Beste von Leipzig.
Dann stockte sein Gesprächsfluss. Stille trat ein. Nach einer Weile, nachdem er den Saal nochmals mit Blicken inspiziert hatte, sagte er:
Das Beste an Leipzig ist der Rundfunkchor!
Und sofort schwärmte der Mann, der auf allen Konzertpodien der Welt gefeiert wurde, der die Salzburger Osterfestspiele begründete und der all sein Wirken für die Nachwelt auf Film konservieren ließ, vom Rundfunkchor, mit dem er bei einer Operneinspielung zusammengearbeitet hatte.
Diese Präzision, diese Hingabe zum Werk, diese stimmliche Vielfalt und dieses Repertoire – so etwas gibt es nicht noch einmal.
Der Dirigent, der ansonsten sehr zurückhaltend, auf Distanz bedacht, bedächtig sprach, wirkte begeistert.“  

Ein ehrlicheres Kompliment hätte kein Dirigent dem Chor machen können – und das 11 Jahre nach der einzigen Zusammenarbeit bei der Schallplattenaufnahme von Wagners Die Meistersinger von Nürnberg.

  →  
ZUM VOLLSTÄNDIGEN INTERVIEW [VIDEO] 

 

 

Die „Meistersinger“-Schallplattenproduktion

karajan-mit-leipziger-rundfunkchor-for-web

Herbert von Karajan probt mit Sängerinnen und Sängern des Rundfunkchores Leipzig, 1970
Foto: Werner Säubert

 

Unvergessliche Erinnerungen

Der Chorbassist Werner Säubert, von dem die Fotos in dieser Chronik-Folge stammen, erinnert sich noch lebhaft an die Aufnahme der Meistersinger in der Dresdener Lukaskirche unter Karajans Leitung.
Obwohl der Rundfunkchor schon mit anderen berühmten Dirigenten zusammengearbeitet hatte, waren die Chormitglieder gespannt auf diesen Star, von dem es hieß, in der Arbeit einen eher reservierten Umgangston zu pflegten:

„Die Lukaskirche war durch die Volkspolizei weiträumig abgesperrt worden. Gegenüber im Gemeindehaus wurde die Klavierprobe abgehalten. Danach gelang es mir auf der Straße, ein Autogramm vom Meister zu bekommen, bevor er im Wolga des VEB Deutsche Schallplatten die 20 bis 30 Meter hinüber zur Kirche gefahren wurde.
Der erste gemeinsame Aufnahmetermin begann grußlos, sachlich. Allerdings taute Herbert von Karajan zunehmend auf. Aus dem Chor heraus und von der Empore, auf der die zweiten Chorbässe, die die Meister sangen, postiert waren, gelangen mir einige Schnappschüsse. Als ich später auf dem Podium weitere Aufnahmen machen wollte, wurde mir dies leider untersagt.
Eine Probeaufnahme des Meistersinger-Vorspiels ließ Karajan von seinem Assistenten dirigieren. Am Mischpult im Aufnahmestudio steuerte der Maestro währenddessen die Aufnahme höchstpersönlich aus. Tonmeister Strüben stand wie ein kleiner Junge daneben.
Dann dirigierte Karajan das Vorspiel. Ohne zu unterbrechen oder im Nachhinein etwas zu korrigieren, war die Aufnahme in einem Ritt ‚im Kasten‘.
An einer anderen Stelle blies der tiefe Hornist während der Aufnahme mehrmals eine ‚Gurke‘. Während Herbert Kegel in solch einem Fall unwirsch geworden wäre, reagierte Karajan psychologisch sehr geschickt: Er ließ die Patzer unkommentiert, ging zu einer anderen Stelle über und wiederholte dann den problematischen Abschnitt, der diesmal auf Anhieb fehlerfrei klappte.
Am Ende der Aufnahmen bedankte sich Karajan sehr freundlich beim Chor.

 

Richard Wagner: „Wach-auf!“-Chor

 

karajan-schallplatenhuelle-meistersinger-for-webSilentium! Silentium! – Wach auf, es nahet gen den Tag
Szene Lehrlinge Volk aus dem 3. Aufzug
Staatskapelle Dresden
Chor der Staatsoper Dresden und Rundfunkchor Leipzig
Choreinstudierung: Walter Hagen-Groll

Dirigent: Herbert von Karajan
Aufnahmedatum der „Meistersinger“-Gesamtaufnahme:
23. November 1970 – 6. Dezember 1970

Aufnahmeort: Lukaskirche Dresden
Label: EMI Electrola 06646
Quelle: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

 

Die Staatskapelle Dresden und der Leipziger Rundfunkchor unter der Leitung von Herbert von Karajan während der „Meistersinger“-Schallplattenaufnahme im Studio „Dresdner Lukaskirche“, 1970.

Auf dem frontal von der Empore aufgenommenen Bild sind auf dem Podium zu sehen (von links):
Chorleiter Horst Neumann (links, stehend, von der Seite zu sehen)
Geraint Evans – Sixtus Beckmesser (stehend)
Theo Adam – Hans Sachs (sitzend)
René Kollo – Walther von Stolzing (am Mikrofon stehend)
Karl Ridderbusch – Veit Pogner (sitzend)

Auf dem schräg von der Seite aufgenommenen Bild (von rechts):
René Kollo, Geraint Evans, Theo Adam
dahinter (vor dem Chor) Horst Neumann

 

WEITER [IX-05]: Chorvorstände als Manager


 

Schallplatten-Co-Produktionen der 1960er und 1970er Jahre

Kapitelübersicht
IX-01 Plattenaufnahmen: Ersatz für Reisen
→ IX-02 “So legt ihr große Ehre ein!” – Alles beginnt mit “Zar und Zimmermann”
 IX-03 Stardirigenten vor dem “Schallplattenchor”
IX-04 Herbert von Karajan: “Das Beste an Leipzig ist der Rundfunkchor”
IX-05 Chorvorstände als “Manager”

 

ZURÜCK ZUR STARTSEITE: DER MDR RUNDFUNKCHOR

Sorry, the comment form is closed at this time.