„In treuer Freundschaft“: Peter Schreier [VIII-03]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Zwei Freunde:
Peter Schreier und Siegfried Müller kannten sich schon aus dem Dresdner Kreuzchor.
Hier vor der Abfahrt zu einer Konzertreise
Foto: Album Gleisberg
Chorgesang ganz anderer Art
Das bekannteste durch einen festen Vertrag mit dem Rundfunkchor Leipzig verbundene Chormitglied war Peter Schreier. 1956 sang er für ein halbes Jahr im Chor und wirkte danach vereinzelt noch als Choraushilfe mit.
In seiner Autobiografie erinnert sich Schreier an diese Zeit:
„Bis zum Studienbeginn blieb mir noch ein knappes halbes Jahr, das ich nutzen wollte. Durch Zufall erfuhr ich, daß im Leipziger Rundfunkchor vorübergehend eine Tenorstelle vakant war.
Chefdirigent Herbert Kegel verpflichtete mich, und so sang ich einige Monate lang in dieser schon damals sehr leistungsstarken Chorgemeinschaft.
Ich erlebte den Chorgesang hier einmal in ganz anderer Art, als ich das vom Kreuzchor her kannte: in hoher Perfektion und Ausdrucksgestaltung durch professionelle Sänger.
Ich lernte auch neue Literatur kennen, beispielsweise die wundervollen ,Bilder aus der Mátra-Gegendʻ von Kodály oder Dallapiccolas ,Gesänge aus dem Kerkerʻ (…)
Im Leipziger Rundfunkchor herrschte ein menschlich angenehmes Klima, es gab viel Spaß in dieser Gemeinschaft. Ich zähle diese Monate ganz bewußt zu meiner Studienzeit.
Im Kreuzchor waren wir bis zu einem gewissen Grade einseitig ausgebildet worden: auf die Spezifik der Knabenstimmen ausgerichtet, ganz auf Klangkultur eingeschworen, weniger auf Deklamation, auf eine bestimmte Literatur beschränkt. Jetzt erlebte ich eine ganz neue Art der Chorarbeit, ein bis ins letzte Detail ausgefeiltes Musizieren, wie es wohl nur mit versierten Berufssängern möglich ist. Herbert Kegel stellte hohe Anforderungen an die Sänger, für manche schien das bis an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit zu gehen. Ich erinnere mich, daß die Damen mitunter Herzbeklemmungen und Ohnmachten bekamen ob der Unerbittlichkeit des Probenstils. Ich empfand keine Anstrengung, sondern fühlte mich eher herausgefordert.“

Probe im Saal 1, dem Sendesaal des Funkhauses in der Leipziger Springerstraße, vermutlich im August 1956. In der letzten Reihe der erste Sänger von links ist Peter Schreier
Foto: Erdmann – Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Schreier nahm u. a. an den Konzertreisen nach Coburg und Erfurt sowie an der Schallplattenaufnahme von Kodálys „Bildern aus der Mátra-Gegend“ teil. Im September 1957, also während seiner Aushilfstätigkeit im Rundfunkchor, produzierte Schreier mit dem musikalischen Märchen „Das hässliche Entlein“ von Prokofjew und den Telemann-Liedern auch seine erste Rundfunkaufnahmen, am Klavier begleitet vom Chorkollegen Reinhard Tschache.
Rundfunkaufnahmen
Georg Philipp Telemann: Sechs Lieder
1. Neues
2. Seltenes Glück
3. Geld
4. Über das niederländische verapen [versaufen]
5. Pastorell
6. Glück
Peter Schreier – Tenor
Cembalo: Reinhard Tschache
Aufnahme: Sender Leipzig am 6. Juni 1959 im Funkhaus Springerstraße Raum 5
Künstlerische Aufnahmeleitung: Gerhard Steinke
Johannes Brahms: Sehnsucht
Peter Schreier – Tenor
Cembalo: Reinhard Tschache
Aufnahme: Sender Leipzig am 6. Juni 1959 im Funkhaus Springerstraße Raum 5
Künstlerische Aufnahmeleitung: Gerhard Steinke
„In treuer Freundschaft“
Peter Schreier blieb seinen ehemaligen Rundfunkchor-Kollegen immer eng verbunden, als Solist in vielen Konzerten und bei zahlreichen Aufnahmen sowie als Dirigent. So zog er für seine Aufnahmen aller großen Werke Bachs immer den Rundfunkchor Leipzig heran und unternahm mit ihm einige Tourneen nach Österreich, Italien, in das englische Gloucester und die Bundesrepublik, auf denen er Werke Johann Sebastian Bachs, dessen Sohnes Carl Philipp Emanuel, Mozarts, Schuberts und Dvořáks dirigierte.
SLIDESHOW: Peter Schreier mit Siegfried Müller bzw. Reinhard Tschache
Anlässlich der Fidelio-Einspielung unter Karl Böhm schrieb Peter Schreier 1969 ins Chorgästebuch:
„Dem Leipziger Rundfunkchor in ,treuer Freundschaftʻ wünsche ich weiterhin so große Erfolge!
Ihr ehemaliges Mitglied Peter Schreier“.

Auch als Dirigent stand Peter Schreier häufig vor dem Chor, so wie zu dieser Probe im Sendesaal des Funkhauses in der Leipziger Springerstraße, 1985
Foto: Barbara Stroff – Archiv des Leipziger Rundfunkchores
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