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Thomaskantoren  Kammersänger Professoren  [VIII-02]

Chronik des Leipziger Rundfunkchores

von Rüdiger Koch

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Hans-Joachim Rotzsch bedankt sich für die Glückwünsche des Rundfunkchores zu seiner Berufung zum Thomaskantor, 1973
Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores

 

Bekannte Namen in den Reihen des Rundfunkchores Leipzig

Zu Beginn der 1960er Jahre hatte der Rundfunkchor Leipzig die geplante Stärke von 60 Mitgliedern nahezu erreicht.
Für die ganz großen Werke des chorsinfonischen Repertoires wurden häufig die Chöre des Rundfunks aus Berlin als Verstärkung geholt, wie auch der Leipziger Rundfunkchor des öfteren die Berliner Kollegen unterstützte.
Um eine gewisse Unabhängigkeit von der Berliner Hilfe zu erreichen – das war vor allem für die um 1965 beginnende intensive Mitarbeit bei Schallplatten-Co-Produktionen [mit und für westdeutschen Labels] wichtig – war es notwendig, auf einen Kreis von Aushilfssängerinnen und -sängern zurückgreifen zu können.
Die Stärke dieses Aushilfskreises lag bei etwa 20 bis 30 Personen und setzte sich neben freiberuflich tätigen Berufssängern auch aus sängerisch begabten Orchestermusikern und Vertretern anderer Berufsgruppen zusammen.
Auch Gesangsstudenten nutzten eine Tätigkeit als Substitut, um mit der Arbeit des Chores vertraut zu werden.
Insbesondere Horst Neumann versuchte als Leiter des Hochschulchores der Leipziger Musikhochschule, Gesangsstudenten für eine Mitwirkung im Rundfunkchor zu interessieren.

Natürlich konnten Aushilfen im Leipziger Rundfunkchor etwas verdienen. Mindestens ebenso wichtig war es für viele dieser Aushilfssänger, die Chorarbeit von Herbert Kegel, Dietrich Knothe oder Horst Neumann kennenlernen zu können, mit wichtigen Werken des zeitgenössischen Musikschaffens vertraut zu werden – also für ihre eigene Tätigkeit etwas zu lernen.

So verwundert es nicht, dass der Oratorientenor Hans-Joachim Rotzsch, späterer Thomaskantor und Professor am Mozarteum in Salzburg, in der Mitte der 1950er Jahre als Aushilfe im Rundfunkchor sang.
Die Glückwünsche des Chores zu seiner Berufung ins Thomas-Kantorat beantwortete er herzlich und unterschrieb als „Euer ehemaliger ,Altistʻ Jochen Rotzsch“.

In einem Interview sprach Rotzsch – also aus eigener Erfahrung – vom Chor als „einem hervorragenden, wenn nicht überhaupt dem besten Berufschor in Europa“.

 

Franz Schubert: Nachthelle D 892

 

Männerchor des Rundfunkchores
Tenorsolist: Hans-Joachim Rotzsch
Klavier: Mamfred Reinelt

Dirigent: Dietrich Knothe
Aufnahme: Sender Leipzig am 30. 5. 1962 im Saal 1 des Funkhauses in der Leipziger Springerstraße

 

Chor-Polster-Teutschbein.1969

Der Leipziger Rundfunkcor etwa 1969 mit Gothart Stier [in der 4. Reihe 2. von rechts] und Klaus-Jürgen Teutschbein [3. von rechts] .
Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores – Clauss

 

Auch der nachmalige Kreuzkantor Gothart Stier sang um 1970 als Aushilfe im Rundfunkchor Leipzig.
Ende der 1980er Jahre sollte der Enkel von Alfred Stier, Herbert Kegels hochgeschätztem Chorleitungsprofessor, als Leiter des Rundfunkchores in Betracht gezogen werden.

Der Chemnitzer Kirchenmusiker und geschätzte Oratorienbass Günther Schmidt sowie Klaus-Jürgen Teutschbein, langjähriger KMD am Halberstädter Dom und späterer Professor für Chordirigieren an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar, sind weitere bekannte Kirchenmusiker, die sich im Leipziger Rundfunkchor Anregungen für ihre eigene Arbeit holten.

Die Solisten Andreas Pobbig (Bariton), Guntfried Speck (Tenor am Leipziger Opernhaus), Max Ruda (Tenor an den Theatern in Magdeburg und Cottbus), Romelia Lichtenstein (Sopranistin am Landestheater Halle) und Hermann-Christian Polster waren sich nicht zu schade, im Studium oder zu Beginn ihrer Laufbahn den Leipziger Rundfunkchor zu verstärken.

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Chormitglieder zu Rundfunkaufnahmen in der Leipziger Bethanienkirche.
In der Mitte Hermann Christian Polster.
Foto: Nachlass Gretel Fuchs – Sammlung Rüdiger Koch

Der bekannte Oratorienbassist und Gesangsprofessor Polster begleitete den Chor 1957 in die ČSSR.
Auf der Skandinavienreise stieß er krankheitsbedingt erst in Göteborg zum Rundfunkchor.
Die Leipziger Gesangspädagogin Irmgard Lipus findet sich ebenfalls ab und an auf den Aushilfslisten des Chores.
Auch der Dresdner Gesangsprofessor Christian Elßner soll nach Angaben eines seiner Schüler als Student aushilfsweise im Rundfunkchor Leipzig gesungen haben.
Martin Christian Vogel, lyrischer Tenor, Gesangsprofessor und Rektor der Musikhochschule Detmold gehörte dem Aushilfskreis der Chores Mitte der 1970er Jahre längere Zeit an.

Es waren aber nicht nur ausgebildete Sänger, die ihre Stimme dem Rundfunkchor Leipzig zur Verfügung stellten.
Auch begabte Laien, zum Teil aus dem Thomaner- oder Kreuzchor hervorgegangen, zog es in die Reihen des Chores, so den Physiker Detlef Schneider, Bernd Radestock, in den 1990er Jahren Chef der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft, oder in der Mitte der 1970er Jahre Friedbert Groß, der von 1993 bis 1994 als Kultusminister der Sächsischen Staatsregierung unter Kurt Biedenkopf angehören sollte.
1974 nahm der Chor unter der Leitung von Horst Neumanns das Werk „Die Stadt an der Newa“ von Friedbert Groß für den Rundfunk auf.

Stellvertretend für die vielen Aushilfssänger sei Klaus-Jürgen Teutschbein zitiert, der in einem kurzen Lebenslauf 2014 formulierte, was für ihn die Mitwirkung im Rundfunkchor bedeutetet:
„Entscheidendste Anregungen habe ich nach dem Studium bei meiner Mitwirkung im Leipziger Rundfunkchor von 1968 bis 1980 erhalten. Bei Herbert Kegel … , dem damaligen Leiter des Chores, erlebte ich die Unerbittlichkeit der musikalischen Forderung, verbunden mit tiefster Durchdringung des musikalischen und textlichen Inhalts und einer optimalen Umsetzung in einem Berufsensemble. Da diese Chor ständig zu Produktionen mit großen Dirigenten und Sängern aus aller Welt herangezogen wurde, sind diese zwölf Jahre meiner Mitwirkung besonders wertvoll für meinen künstlerischen Lebensweg gewesen. Ich genoss u.a. die Dirigenten Carlos Kleiber, Wolfgang Sawallisch, Giuseppe Patané, Marek Janowski, Kurt Masur Herbert Blomstedt und Heinrich Hollreiser. Während dieser Zeit habe ich in vielen Sternstunden exzellentes, hingebungsvollstes, glühendstes und werkgetreuestes Musizieren erlebt.“

Auch Sängerinnen und Sänger, die sich einen Namen als Solisten gemacht hatten, waren zum Teil längere Zeit fest im Rundfunkchor Leipzig engagiert:
Roswitha Trexler (Chormitglied von 1957 bis 1970), bekannt geworden durch Interpretationen moderner Vokalwerke, Christel Klug (Chormitglied von 1952 bis 1968), eine gefragte Oratoriensopanistin und Gesangspädagogin im Bereich Schulmusik der Weimarer Musikhochschule oder Andreas Sommerfeld (Chormitglied von 1976 bis 1983), der während seines Engagement im Rundfunkchor beim 6. Internationalen Bachwettbewerb 1980 einen 2. Preis im Fach Gesang errang und später Professor für Gesang an der Leipziger Musikhochschule werden sollte.
Die Altistin Lautsprechersymbol-klein-1 Dorothea Schröder, Chormitglied von 1939 bis 1953, war eine bekannte und geschätzte Oratoriensängerin.
Es haben sich einige Rundfunkaufnahmen Bachscher Kantaten aus der Leipziger Thomaskirche unter Günther Ramin erhalten, in denen Dorothea Schröder die Altpartien singt.

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Reiner Süß

Zu erwähnen ist unbedingt auch der Bass-Buffo Reiner Süß, bekannt geworden als Sänger an der Deutschen Staatsoper Berlin und Moderator der Fernsehsendung „Da liegt Musike drin“, der vor seinem ersten Soloengagement am Bernburger Theater von 1953 bis 1956 Mitglied des Rundfunkchores Leipzig war.
In vielen Konzerten und bei einigen Schallplattenaufnahmen wirkte Süß neben seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen als Solist mit. Genannt seien beispielsweise Donizettis Don Pasquale (1971), Händels Radamisto (1962), Orffs Trionfo di Afrodite (1975) und Der Mond (1970), Prokofjews Verlobung im Kloster (1971), Masanetz’ In Frisco ist der Teufel los (1970) oder in der Operette Eine Nacht in Venedig (1968) von Strauß.

 

 

 

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„In treuer Freundschaft“: Peter Schreier

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