Chor-Chefdirgent Kegel [VI-01]
Chronik des Leipziger Rundfunkchores
von Rüdiger Koch

Herbert Kegel und Dietrich Knothe mit dem Leipziger Rundfunkchor im Saal 1 [Sendesaal] des Leipziger Funkhauses in der Springerstraße
Foto: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Chor-Chefdirgent Kegel
Mit dem Großen Rundfunkorchester des Senders hatte Herbert Kegel, natürlich auch unter Beteiligung seines Chores, häufig zusammen gearbeitet.
Die Chefposition des Orchesters war vakant und so lag es nahe, Kegel diese Position anzutragen.
Als er 1953 die Chefposition des Klangkörpers übernahm, änderte sich dadurch in der Zusammenarbeit mit dem Rundfunkchor zunächst wenig.
Die Doppelfunktion als Chorleiter und Orchesterchef war jedoch auf Dauer nicht zu bewältigen. Es musste also ein anderer Leiter für den Rundfunkchor gefunden werden.
Dietrich Knothe wurde dieser neue Mann. Als Chorleiter hatte er die Einstudierungen zu betreuen und A-cappella-Aufnahmen zu produzieren.
Für Herbert Kegel wurde die Position eines Chefdirigenten des Chores geschaffen, in der er die Oberhoheit über alle künstlerischen Belange des Chores behielt. Selbst als Kegel 1960 zum Chefdirigenten des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig avancierte, sicherte ihm sein neuer Vertrag zu, weiterhin Chefdirigent des Chores zu bleiben.
Oratorium und große Oper unter Kegel

Plattentasche „Carmen“
Aufnahme von 1960 mit dem Leipziger Rundfunk-Sinfonieorchester, dem Rundfunkchor und dem Rundfunk-Kinderchor
Auch wenn der A-cappella-Gesang in den Jahren von Dietrich Knothes Chorleitertätigkeit deutlich mehr Gewicht gewann, blieb die Zusammenarbeit mit den Leipziger Rundfunk-Klangkörpern, also die Mitwirkung bei Opern-, Operetten- und Oratorienproduktionen, das hauptsächliche Wirkungsfeld des Chores.
Kegel dirigiert unter anderem in Gesamtaufnahmen die Opern Luisa Miller von Verdi (1956), Die Verlobung im Kloster von Prokofjew (1957), Wagner-Régenys Die Bürger von Calais (1958) und Carmen von Bizet (1960). An oratorischen Werken unter Kegels Stabführung seien das Requiem von Mozart (1955), die Glagolitische Messe von Janáček (1955 und 1958), die Kantate Alexander Newski von Prokofjew (1958), die Uraufführung von Wagner-Régenys Genesis (1956) und die DDR-Erstaufführung von Strawinskys Les noces (1956) genannt.
Georges Bizet: Carmen 1960
daraus: Habanera
Sona Cervená, Mezzosopran
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Rundfunkchor Leipzig – Choreinstudierung: Dietrich Knothe
Dirigent: Herbert Kegel
Aufnahme: Januar und März 1960 in der Leipziger Kongresshalle
Musikregie:Dieter-Gerhardt Worm
Tonregie: Claus Strüben
Der Orff-Spezialist Kegel

Partiturseite aus „Carmina Burana“ mit handschriftlichen Einträgen von Herbert Kegel
Dokument: Archiv des Leipziger Rundfunkchores
Der Name eines Komponisten findet sich erstmals zu Beginn des Jahres 1955 in der Chronologie des Chores und sollte fortan regelmäßig wiederkehren: Carl Orff.
Herbert Kegel war in seiner Präzision und unbedingten Werktreue der absolut richtige Dirigent, Orffs sehr genau und detailliert geschriebene Partituren in ihrer rhythmischen Prägnanz, dem Schwung ihres Ausdrucks und ihrer Wortbezogenheit zum Klingen zu bringen.
Was der langjährige Zweite Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer des MDR Rundfunkchores Leipzig e.V, Bernd-Michael Gräfe, formulierte, trifft auch auf Kegels Orff-Interpretationen zu:
„Ganz egal, ob eine Komposition etwa eines Paul Dessau ‚fortschrittlichen‘ Charakter hatte oder aus tiefer religiöser Überzeugung heraus geschaffen war wie etwa Bachs ‚Weihnachtsoratorium‘ – immer wollte Herbert Kegel die Aussage so genau wie möglich herausarbeiten.
Und das wesentlichste Element dabei war ihm gerade in der Arbeit mit dem Chor der Text in absoluter Verständlichkeit.
Was Dietrich Fischer-Dieskau im Liedesang verwirklichen konnte, wollte Kegel auf den Chor übertragen: Wort und Musik zu einer Einheit zu verschmelzen, den Gesang achtzig Singender als aus einer Kehle kommend zu vermitteln und dadurch die Zuhörer emotional zu berühren.“
Von der Aufnahme der Catulli carmina 1955 bis zu einem Konzert der Carmina Burana beim Choriner Musiksommer 1988 wird Herbert Kegel Orffs Werke bis zu seinem Tode in 29 Konzerten, Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen mit dem Leipziger Rundfunkchor zu Gehör bringen: Catulli carmina, Trionfo di Afrodite, Carmina Burana und Der Mond.
Orffs Frau Lieselotte schrieb 2003 über Kegel, seine Orff-Interpretationen und die Leipziger Rundfunk-Klangkörper:
„Herbert Kegel – ich habe ihn nur einmal getroffen … Aber ich kannte ihn schon lange von seinen hervorragenden Aufnahmen mit dem Leipziger Rundfunk-Chor und -orchester von Mond, Kluge und Trionfi, die Orff besonders schätzte.“
Wenn Kegel als der bedeutendste Orff-Spezialist im deutschsprachigen Raum galt, hat der Leipziger Rundfunkchor daran einen entscheidenden Anteil!
Carl Orff: Carmina Burana 1960
daraus: Ecce gratum [Darin ist die Kegelsche Textbehandlung sehr gut zu hören]
Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Rundfunkchor Leipzig – Rundfunk-Kinderchor Leipzig
Dirigent: Herbert Kegel
Aufnahme: 08./17. Juni 1960 in der Leipziger Kongresshalle
→ WEITER: [VI-02] CHORLEITER KNOTHE
Themen
• VI-01 Chor-Chefdirigent Kegel
→ VI-02 Chorleiter Knothe
→ VI-03 Hochkarätige Gäste
→ VI-04 Musik für den Kino-Film
→ VI-05 Der “Provokateur” Knothe
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