Der Sächsische Funk, 1. Jg. Heft 2, Dezember 1924

Der Dresdner Rundfunksender

Sender Dresden Kreuzkirche Sender wwwWas ist nicht schon alles von dem Dresdner Rundfunksender geschrieben und gesprochen worden, wieviel Sorgen hat er nicht schon gemacht, bevor er da war! Nun ist sein Bau bereits rüstig fortgeschritten, aber die Sorgen und das Geschreibe werden wohl nicht so schnell aufhören, vielleicht sogar erst recht anfangen.
Zu sehen ist noch nicht viel von ihm, drei Räume im obersten Geschoß des Rathauses voller Maschinen, Batterien, Schalttafeln und fleißiger Menschen, die aber für Dich, lieber Funkfreund, keine Zeit haben und Dich mit 4000 Volt Hochspannung hinausgraulen.
Auch später wird der Sender eine von den vielen Sachen sein, die man nicht sehen, sondern hören soll. Nur eins wird, wenn diese Zeilen erscheinen, von ihm zu sehen sein, die Antenne oder der Luftleiter, sein Sprechwerkzeug, mit dem er den Äther erschüttern und so den Hörern seine Darbietungen zuführen wird.

1924-Zeichnung-Sende-Antenne-Dresden-Turm-Kreuzkirche-Rathausturm-for-webDer Luftleiter wird zwischen Rathaus- und Kreuzkirchenturm so hoch hängen und so ätherisch sein, daß sich kaum jemand daran stoßen kann, auch nicht der Heimatschutz.
Er ist 30m lang, besthet aus zwei Hartkupferlitzen von 3mm Durcmesser und wird isoliert mitten zwischen zwei Stahldrahtseilen von 6mm Durchmesser aufgehängt, bleibt also von den Türmen 60 bis 70m entfernt.
Daß eine Antenne keine Blitzgefahr mit sich bringt, sondern im Gegenteil bei richtiger Ausführung einen Blitzableiter bildet, darf als bekannt angenommen werden, sei aber hier für ängstliche Gemüter noch besonders betont.

Schon haben sich nämlich schüchtern übereifrige Verehrer unserer (architektonischen) Stadtschönheiten gefunden und ihr Mißfallen über das, was sie in der Luft sahen, geäußert. (…)
Dresden ist also nicht „wieder mal zurückgesetzt“, sondern bekommt eine Antenne, wie sie nicht viel andererStädte in solch einfacher Schönheit haben.

 

Der Sächsische Funk, 1. Jg. Heft 4, Januar 1925

Der Dresdner Rundfunksender

Der Dresdner Rundfunksender wird, wie alle anderen, von der Deutschen Reichspostaufgebuat und betrieben; der techische Teil liegt also ganz in den Händen der Reichspost. Die Apparate stammen von der Gesellschaft Telefunken, die den reichen Schatz ihrer Wissenschaft und Erfahrung hineingearbeitet hat, so daß man den Leistungen des neuen Senders mit Vertrauen entgegensehen kann.

1924-MIRAG-Sender-Dresden-Schalttafel-for-webAbb. 1 veranschauchlicht die Sendereinrichtung, an die sich auf beiden Seiten die Schalttafeln für Maschinen und Batterien anschließen.
Die Senderöhre wird aus einer 20-Volt-Batterie mit 16A geheizt. Als Anoden-Stromquelle dient für die Senderöhre von 1,5kw eine Gleichstrommaschine von 2kw, der an 2 Stromabnehmern 2.2000=4000 V entnommen werden. (…)

Abb. 1 zeigt rechts oben die Stecker, darunter das Handrad des Antennen-Variometers, unten rechts den Schalter der Zwischenkreis-Kondensatoren und daneben den veränderlichen Zwischenkreis-Kondensator. Links ist oben die Senderöhre durch die geöffnete Tür, die bei eingeschalteter Hochspannung verriegelt ist, sichtbar. Daneben das Handrad der Antennen-Kopplungsspule und unter diesem dasjenige des Gitter-Variometers.
In der Mitte befinden sich die Instrumente zum Messen der Hochspannung, des Antennenstromes und des Zwischenkreisstromes.
Unten links sitzen die Einrichtungen zum Einschalten, Regeln und Messen der Netzsspannung, darunter am Rande der Nebenschlußregler der Anodenmaschine. (…)

 

Sonderdienst des „Funk“, Dresden, 22. Februar 1925

Der neue Sender in Dresden

1924-MIRAG-Sender-Dresden-Schalttafel-Aufbau-for-webJetzt ist der Dresdner Sender endlich feierlich eingeweiht, aber vor dieser Eröffnung liegt eine seltsame Zeit der Geheimnisse, der Enttäuschungen, der Versuche und aller möglichen Zwischenspiele.
Schon vor ein oder zwei Monaten hieß es; Dresden bekommt nun seinen Sender, und geheimnisvoll wurde es von Lippe zu Lippe geflüstert, die Versuche haben begonnen.
Ganz Dresden verwandelte sich in ein einziges großes Funkgeschäft:
Radfahrhändler, Photographengeschäfte Buchhandlungen, Kolonialwarenhändler, alles hielt plötzlich Funkgeräte und Einzelteile, in Erwartung des Senders, der in 30 km Umkreis von Dresden mit einfachem Detektorgerät empfangen werden sollte.
Man saß buchstäblich Tag und Nacht an seinem Gerät, um endlich einmal ein Lebenszeichen von dem jüngsten Kind der deutschen Funktechnik aufzufangen.
MIRAG-Sender-Dresden-Schalttafel-1924-for-webAber oft, sehr oft wartete man vergeblich. Und wie eine Krankheit breitete sich die Ungeduld und die Erwartung aus, Famlientragödien entspannen sich über dem Interesse für den Empfang des jungen Dresdner Senders. Denn niemand, niemand wollte dieses erste Lebenszeichen verpaßt haben; jeder wollte der erste sein, der den Dresdner Sender hörte.
Die ersten Schwierigkeiten ergaben sich aus der Raumfrage. Die Post hatte keine Räume zur Verfügung, um den Sender unterzubringen; zunächst zuckte auch der Rat der Stadt Dresden die Achseln, aber schließlich stellte er einige Räume im Rathaus zur Verfügung, Die Antennen sollten vom Rathaus herüber zum Turm der Kreuzkirche gezogen werden; und da gab es neue Bedenken. Schließlich passen Gotteshaus und Technik nicht recht gut zueinander; aber endlich fügte man sich in das Unvermeidliche, und eines Tages schwang eine richtige Antenne aus einem Rathausfenster hinaus zur Kreuzkirche. Das war so Mitte Dezember.
Plötzlich, im Januar, gab es einen großen Sturm, und die ganze Antennenanlage wurde zerrissen, hing traurig vom Rathausturm herab wie eine Fahne auf Halbmast, und dann kam eines Tages gegen Ende Januar die Nachricht, daß nun die Maschinen da seien, und daß nun bald, in den ersten Tagen des Februar, die ersten Versuche beginnen sollten. Und sie begannen.
Seit diesen Tagen spricht nicht mehr der Sender, sondern er brüllt; er ist in 2 bis 3 km Entfernung vom Rathause ohne jede große Anlage zu hören, ohne Antenne, ohne Wasserleitung, ohne Erde; so gut geht der Sender.
Zuweilen sprechen Künstler auf das Mikrophon; man hört ab und zu auch Grammophonmusik, und abends überträgt der Leipziger Sender sein Programm versuchsweise auch auf den Dresdner Sender.

 

Aus den Eröffnungsreden

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„Fahrplan“ für den neugierigen Rundfunkhörer aus dem 1929 erschienenen Büchlein „Kennrufe der Rundfunksender – der unentbehrliche Führer beim Fernempfang“
Dokument: Radio-Nostalgiesammlung Hagen Pfau, Leipzig

Staatssekretär Dr. Bredow wies in seiner Ansprache auf die sich fast überstürzende Entwicklung des Rundfunks hin:
„Noch vor einem Jahr vielfach bespöttelt und als Spielerei betrachtet, steht er heute im Brennpunkt des Interesses, und Hunderttausende haben ihn als lieben Gast in ihre Häuslichkeit aufgenommen.
Wenn wir die Schnelligkeit der Verbreitung gerade in den wenig bemittelten Volkskreisen beobachten, wenn wir sehen, wie ernst man dort den Rundfunk nimmt und was man von ihm erwartet, dann muß es uns allen klar werden, wie groß und schwierig unsere Aufgabe, wie schwer aber auch unsre Verantwortung gegenüber der ganzen Nation ist.
Der Rundfunk soll nicht allein ein Mittel zur Unterhaltung sein, sondern vor allem volkserzieherische Aufgaben erfüllen!“
Der Rundfunk habe jedoch über seine nationalen Aufgaben hinaus auch ein wichtige internationale Mission zu erfüllen, wenn er den Austausch kultureller Güter ermöglicht und dazu beiträgt, daß die Völker sich als Glieder einer großen Kulturgemeinschaft fühlen, ob die in Deutschland sehr weitgehende Dezentralisation, die aus technischen Gründen und mit Rücksicht auf vorliegende Wünsche erfolgt ist, dauernd aufrechterhalten werden kann, sei eine europäische Angelegenheit geworden.
Die Zahl der Sender Europas ist derart im Zunehmen begriffen, daß in absehbarer Zeit, wenn die Technik nicht auf an derem Wege hilft, eine internationale Verständigung über die Zahl der jedem Lande zukommenden Sender getroffen werden müsse.
,,Die Entwicklung ist jedenfalls in technischer und organisatorischer Beziehung noch nicht abgeschlossen, und es ist noch viel zu leisten, bis der Rundfunk seine endgültige Form erhalten hat. Bis dahin heißt es alle Kräfte zusammenfassen, und ich hoffe, daß der Dresdner Sender mit dazu beitragen wird, den Rundfunkgedanken in Deutschland auszubreiten und zu kräftigen.“

Der sächsische Minister für Volksbildung, Dr. Kaiser, entwickelte in seiner Rede den folgenden Gedanken:
Immer sei es das ganze sächsische Land gewesen, das die Mittel für die Kulturschätze Dresdens aufgebracht hat, und Dresden habe demnach immer den Vorzug gehabt, daß das ganze Land für die Kunst und Kultur einer einzelnen Stadt sorgte.
Diese Tatsache schaffte auf der andern Seite die Verpflichtung, den Genuß dieser Kulturwerte möglichst dem ganzen Lande wieder zugänglich zu machen. Und so ist es höchst erfreulich, wenn neue Mittel gefunden werden, diese Möglichkeiten zu erweitern. Zu diesen Mitteln zähle der nun eröffnete Dresdner Sender!“      weiter

 


 

  Der MIRAG-Nebensender Dresden · 1924 bis 1933
      Recherchen des MDR-Radiojournalisten Tobias Knauf

  Das Musikangebot des MIRAG-Nebensenders Dresden · 1924 bis 1933
      Recherchen des MDR-Chefproduzenten Steffen Lieberwirth

  Der MIRAG-Nebensender in Originaldokumenten und weitere zeitgenössische Fotografien 1924/25

  Der Landessender Dresden wird wiederbegründet · 1945
      Erinnerungen des damaligen MDR-Kulturchefs Ulli Böhme
        und des MDR-Toningenieurs Gerhard Steinke

  Das neue Funkhaus im Hygienemuseum  · 1946
      Erinnerungen des damaligen MDR-Reporters Johannes Lieberwirth
        und des damaligen MDR-Toningenieurs Gerhard Steinke