Der Sender Dresden 1946

 

Steinke Sender DD Funkhaus

Das Funkhaus des Senders Dresden kurz nach dem Einzug in den Seitenflügel des Deutschen Hygienemuseums. Das Fahrzeug in der Mitte war der erste Übertragungswagen des Dresdner Senders.
© Foto: Sammlung Gerhard Steinke

 

Seiteninhalt

→   Das neue Funkhaus im Hygienemuseum
→   „Wir bauen den Sozialismus auf“ · Erinnerungen von Johannes Lieberwirth
→   Der Sendebetrieb im Landesfunkhaus Dresden
  
Die Aufnahmeregie
   Die Rundfunktechnik
   Die Mikrofontechnik
   Die Ausstattung des Regieraums 1 für den Steinsaal im Hygienemuseum
   AUDIO Die Dresdner Senderkennung
   Hochkarätige Opernaufnahmen trotz bescheidener Verhältnisse
   VIDEO Die Live-Übertragung zur Eröffnung des Großen Hauses 1948

 

 

Das neue Funkhaus des Landessenders Dresden im Hygienemuseum

Die SMAD hatte die Gründung des Landessenders Dresden am 13. Mai 1945 verfügt, also schon fünf Tage nach Kriegsende. Während der ersten Monate hatte die Sendeanstalt auf der Kesselsdorfer Straße logiert. Am 1. März 1946 verlegte sie dann ihren Sitz in die „Villa Renner“ auf der Tiergartenstraße, nahe dem Großen Garten. Bald aber erwies sich auch diese Unterkunft als nicht geräumig genug.

Neue (und jahrzehntelange) Bleibe wurde ab Oktober 1946 das Deutsche Hygiene-Museum am Lingnerplatz. Das Funkhaus benutzte mit seinen etwa 60 Mitarbeitern den linken Seitenflügel des Deutschen Hygiene-Museums, das als eines der wenigen Gebäude die Zerstörungsangriffe im Februar 1945 überstanden hatte. Hier waren für den Rundfunkbetrieb neben den notwendigen Redakteurszimmern auch die Studios und Produktionsräume eingerichtet worden. Selbst die frühere Empfangshalle des Hygiene-Museums – der Steinsaal – diente dem Sender als Sendesaalprovisorium.

Über die ersten Monate des Sendegeschäfts wusste Verwaltungschef Kurt Hunger zu berichten, dass er gemeinsam mit anderen Kollegen Büroeinrichtungen und technisches Material auf Schubkarren und Rucksäcken zur Kesselsdorfer Straße balanciert und gebuckelt habe. Requirierte Utensilien aus ihren Armeebeständen und Bezugsscheine hätten die Russen bereitgestellt. Diesen war daran gelegen, möglichst rasch die von ihnen zensierten Beiträge bei den Einwohnern „an den Mann bringen“ zu lassen.

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Aus der Chronik des MDR Landessenders Dresden:
Die Sprecher des Dresdner Senders Hans Günther Kaden, Lieselotte Lorenz und Johannes Lieberwirth (v.l.n.r.)
Dokumente: Sammlung Johannes Lieberwirth

 

„Wir bauen den Sozialismus auf!“…

Der ehemalige Reporter und Nachrichtensprecher Johannes Lieberwirth erzählt von den Anfängen des Landessenders Dresden nach dem Kriege:

„Was hatten vor 50 Jahren der Landessender Dresden und der „Freischütz“ von Carl Maria von Weber gemeinsam?
Das Pausenzeichen des Funkhauses, das die ersten zwei Takte der Arie: „Durch die Walder, durch die Auen“ verwendete. Witzbolde hatten freilich den lästerlichen Text kreiert „Komm ich heute nicht, komm ich morgen“.
Damit aber wurde die Leistung des Senders nicht zutreffend beschrieben. Denn unpünktlich verbreitete er sein Programm nicht.
Es geriet nur anfangs zeitweilig in das Gewirr technischer Pannen, die als Unterbrechungen zu spüren waren. Als ich am 2. Juni 1947 meine erste Ansage (der Nachrichten) servierte, hatte die Technik dieses Problem jedoch bewältigt.

Über die Abwicklung des Tagesprogramms wachte, nahezu mütterlich, Sendeleiterin Zimmermann. Es umfasste, vorwiegend mittags und nachmittags, eine Sendezeit von etwa fünf Stunden. Einmal wöchentlich begleiteten wir für den MDR die 5.30 Uhr beginnende Frühmusik. Zeitansagen und verbindende Texte (mitunter „quasselten“ wir wohl zuviel) blieben uns Sprechern zur freien Gestaltung überlassen.

Bänder und Rundfunk-Schallplatten suchte der Leiter der Musikredaktion, Hans Hendrik Wehding, aus, der sich auch als Komponist und Dirigent einen Namen machte.

Meinen Arbeitsvertrag hatte Intendant Dr. Erich Mauthner unterschrieben. Er widmete sich lieber den Lebensfreuden als der ideologischen Orientierung des Programms. Darum kümmerte sich unaufdringlich der sowjetische Kontrolloffizier, Kapitän Deutschmann. Er war Lehrer von Beruf, sprach Deutsch wie du und ich und erwies sich als ein leutseliger .Aufpasser“.
Chefredakteurin war Lea Grosse, die in den Manuskripten mehr Korrekturen anbrachte als notwendig erschienen. Sie gehörte zu dem Kreis jener „Antifaschisten“, die den Rundfunk in der Sowjetischem Besatzungszone (SBZ) aufbauten. Diese konnten aber nicht auf Fachleute verzichten wie Guido Reif, den fähigen Chef der Kulturabteilung, und Richard Hahnewald, der ideenreich die Unterhaltungsabteilung leitete und bei der Belegschaft beliebt war. Er brachte „Leben in die Bude“, also in das Programm, das während der ersten Monate Nachrichten und Musik, selten einen Bericht anzubieten hatte.

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Ulli Busch (l.) mit dem Tonmeister Gerhard Probst im Studio des Funkhauses Tiergartenstraße
© Foto: Sammlung Gerhard Steinke

Unter seinem Künstlernamen Ulli Busch inszenierte er die populäre öffentliche Sendung „Was sich Hörer wünschen“.
Dieses im Großen Saal des Hygiene-Museums ins Werk gesetzte Kulturereignis wurde u.a. von Solisten der Staatsoper getragen wie Christel Goltz, Inger Karen, Helena Rott, Elisabeth Reichelt, Kurt Böhme, Josef herrmann, Werner Faulhaber oder Arno Schellenberg  sowie von Musikern der Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie.

Vor allem diente es einer Such- und Grußaktion für die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion.
Diese Sendung, die ich anzusagen hatte, konnte tatsächlich in vielen russischen Lagern verfolgt werden mit dem Ergebnis, dass nach langen Jahren die ersten Lebenszeichen von dort die Angehörigen daheim erreichten. Sie musste allerdings Ende 1948 eingestellt werden, weil der Kreml erklärte, dass sich keine deutschen Kriegsgefangenen mehr in der Sowjetunion aufhielten. Das bedeutete zugleich den Anfang vom Ende Hahnewalds als Abteilungsleiter. Schon kurz darauf wurde er nämlich in einem inquisitorischen Spießrutenlaufen während einer Belegschaftsversammlung der „Verunglimpfung“ der „deutsch-sowjetischen Freundschaft“ geziehen, wegen des „unpolitischen“ Inhalts seiner Sendungen gerügt und gezwungen, sein Entlassungsgesuch einzureichen. Das geschah 1949, im Jahr der Gründung der DDR, der SED-Chef Walter Ulbricht bald die Verkündigung folgen ließ, dass im Lande nunmehr der Sozialismus aufgebaut werde.

Linientreue Organisatoren entwickelten ein bürokratisches System nach dem Prinzip „Friedensliebe ist im Osten angesiedelt, Kriegstreiberei im Westen„.
Die Wortsendungen sollten die „Schwerpunkte“ enthalten: „Kampf um den Frieden und die Einheit Deutschlands, Sowjetunion, Volksdemokratien, Fünfjahresplan, Kultur„.
Jeder Beitrag war der „Abteilung für Plankontrolle“ vor der Sendung zu präsentieren. In vierfacher Ausfertigung mussten Dauer, Mitwirkende, Art, Inhalt und Schwerpunkte der Reportagen und Manuskripte angegeben werden, eine zeitraubende Belastung der Redakteure.

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Aus der Chronik des MDR Landessenders Dresden:
Johannes Lieberwirth liest die 18.00-Uhr-Nachrichten
Dokumente: Sammlung Johannes Lieberwirth

Ich begann schon Ende 1949, zusätzlich Reportagen für den Zeitfunk, insbesondere für die Sportredaktion zu liefern. Diese besetzte ein Kollege, der wie ich dem Dresdner Kreuzchor angehört hatte.
Den o. a. Berichten fehlten freilich Angaben über jene „Nebentätigkeit„, der wir Reporter auf den mitunter mehrtägigen Fahrten durch das Land nachgingen: Die Rationierung der Lebensmittel bedurfte der individuellen Ergänzung. Aufnahmen bei LPGs, in Geflügelhöfen oder Molkereien schlossen nicht nur mit den besprochenen Tonbändern ab, sondern auch mit dem Empfang von Lebensmitteln, für die trotz der Enge im Ü-Wagen stets ein Stauplatz gefunden wurde. Manches Mittagessen in der Funkhaus-Kantine konnte damit angereichert werden.

1950 schufen wir die Sendung „Was sagen Sie dazu?“, die sich mit dem unerfreulichen Verhalten einiger Zeitgenossen und Betriebe beschäftigte. Diese Aufgabe wurde mir neben dem Sportfunk zugewiesen, dessen Redaktion ich 1950 übernahm.

In dem kleinen Dresdner Sendebetrieb zu arbeiten, erlaubte eine vielseitige Betätigung. Ich durfte mich auch als Regieassistent, Regisseur von Hörfolgen und -spielen „tummeln“ sowie als Produzent öffentlicher Veranstaltungen. So konnten zusätzliche fachliche Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt werden. Insofern ließ uns Chefredakteur Willi Forner freien Lauf. Er war ein Altkommunist und beschlagener Journalist, dem Lea Grosse ihren Platz geräumt hatte.

Anders als in der Technik, an deren Spitze ohne Unterbrechung der findige und geschätzte Ingenieur Gerhard Probst stand (er avancierte später zum Postminister), drehte sich in der Intendanz das Besetzungskarussell ohne Unterlass. Während der fünf Jahre meiner Zugehörigkeit zum Sender begegnete ich der gleichen Anzahl an Intendanten. Auf Dr. Mauthner folgte Erhard Reichardt, Schwiegersohn des sächsischen Ministerpräsidenten Otto Buchwitz, danach kam der doktrinäre Genosse Bergner, der jeglichen Frohsinn vermied, was ihn aber nicht hinderte, denselben von den Redakteuren mit der Bemerkung einzufordern: „Wir müssen mehr unpolitischen Humor produzieren!“ Wegen Unfähigkeit wurde er nach kurzer Frist in einen VEB „abgestellt“. Nach ihm kam Fritz Wasner, der sich jedoch ebenfalls nicht lange halten konnte.

Die Intendanten-Rotation endete vorläufig mit der Bestallung des Junghauers Nowak, 23 Jahre alt, der zeitweilig als „Volkskorrespondent“ kurze Berichte geliefert hatte. Vom Radio-Betrieb hatte er soviel Ahnung wie ein Streifenpolizist vom Spitzenklöppeln. Sein Auftrag bezog sich denn auch mehr auf die ideologische Kontrolle von Personal und Programm. Er und der Vorsitzende der SED-Betriebsgruppe bestimmten schließlich, wer die Voraussetzungen erfüllte, um in einem sozialistischen Medium mitzuwirken, denn mit der Bildung des „Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR“ im September 1952 magerte der Landessender Dresden zu einem Bezirksstudio mit etwa 20 Mitarbeitern ab, dem sich drei weitere in Chemnitz, Cottbus und Görlitz zugesellten, was freilich den propagierten Sparmaßnahmen widersprach.

Durch das Sieb der Selektion fiel auch ich. Allerdings begnügte ich mich nicht mit dem offiziellen Entlassungsgrund der „Reorganisation“ des Rundfunks. Meiner Forderung, den wahren Anlass zu erfahren, entsprachen NOWAK und der SED-Funktionär nach einigem Zögern. Und so geriet ich in den Besitz der schriftlich bestätigten Vorhaltung, den Marxismus-Leninismus nicht zu beherrschen, mit Verwandten in Westdeutschland zu korrespondieren und viele Jahre in westlicher (britischer) Kriegsgefangenschaft verbracht zu haben. Diese „Mängel“ also gaben den Ausschlag für meinen unfreiwilligen Abschied vom Landessender Dresden, dem ich dennoch für meinen Berufsweg vieles verdanke.

Johannes (Hannes) Winkler
Verfasst für die Radiozeitschrift „TRIANGEL. Das Radio zum Lesen“

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Der Sendebtrieb im Dresdner Landesfunkhaus

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Die Aufnahmeregie

Der damalige Toningenieur Gerhard Steinke erinnert sich:

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Die Regie 1 zum Saal 1 (Steinsaal) im Dresdner Funkhaus im Hygienemuseum, 1948
© Foto: Sammlung Gerhard Steinke

»Unser ›Regieraum‹ war nur ein kleiner Verschlag mit ebenso kleinem Fenster oberhalb des Saales im Treppenhaus. Und mit minimalen raumakustischen Bedingungen. Gerademal Platz für zwei Personen gab es vor dem Tisch mit Reglerfeld. Daneben stand ein kleines Wandgestell mit den Verstärkereinheiten; der Lautsprecher war oberhalb des Fensters angebracht.

Das alles reichte gerade zur einfachen Beurteilung und zur Aussteuerungskontrolle aus. Lieber etwas untersteuert als übersteuert, denn das Magnetband war sehr empfindlich und verursachte schnell hohe nichtlineare Verzerrungen, wenn man bei der Aussteuerung mit dem so genannten ›Zappelphilipp‹, einem ballistisch unzureichenden Zeiger-Aussteuerungsgerät, nicht genügend vorsichtig war.

Endgültig eingeschätzt wurden die Aufnahmen erst später im ›Kontrollraum‹ des benachbarten Funkhaustraktes. Gemeinsam wurde mit den Künstlern über Korrekturen und Nachschnitte entschieden.

Die gesamte Aufnahmetechnik, wie Mikrofone, Abhörlautsprecher und Magnetbandgeräte, stammte noch vom damaligen Reichsrundfunk aus den frühen vierziger Jahren. Die Bandmaschinen selbst standen weit entfernt vom Aufnahmesaal in der ›Schallaufnahme 1‹ im Funkhausflügel des Hygienemuseums. Dort starteten die Technischen Assistentinnen die ›Maschinen‹ nach einem telefonisch gegebenen Kommando aus dem Regieraum oder auf Zuruf durch den Dirigenten selbst.

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Die Rundfunktechnik im Dresdner Landesfunkhaus

 

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Die Mikrofontechnik

Orchesteraufstellung und Positionierung der Mikrofone für die Rundfunkproduktion im Steinsaal des Deutschen Hygienemuseums Dresden
Originalskizze von Toningenieur Gerhard Steinke aus dem Jahr 1948
© Dokument: Sammlung Gerhard Steinke

Mikrofon-Akkus und Aufwickel-Trommel für Mikrofonkabel in einem verschließbaren Holzkasten oberhalb der Saaldecke über dem Dirigenten.
Zugunsten einer hohen Klangqualität meist das Neumann-Mikrofon 1-1 mit der sogenannten »scharfen« Kapsel M 1-2, die einen hier gewünschten Druckanstieg bei 4-7 kHz im Direktfeld besaß, was in diesem Bereich zu einem Pegelanstieg über 10 dB führte. Damit ergab sich im Diffusfeld ein quasi linearer Frequenzgang auch bei größeren Abständen, zugunsten einer guten Wiedergabe hoher Frequenzen. Es handelte sich zwar um ein Kugelmikrofon, aber durch den Druckanstieg in Achsrichtung konnte man den brillanten Streicherklang und eine akzeptable Tiefenstaffelung sowie Räumlichkeit erreichen. Mit den damals verfügbaren Neumann-Mikrofonen M 7 mit Nierencharakteristik wäre wohl der Nachhall auf der Aufzeichnung subjektiv zu verringern gewesen (insbesondere bei der »Salome« wegen der größeren Besetzung); die Klangfarbe wurde aber damit unbefriedigend. Zu starke Tiefen, zu wenig Höhen, wie vorher hergestellte Probeaufnahmen zeigten. Für die Solisten, die links hinter den ersten Violinen platziert wurden, musste allerdings ein M 7-Nierenmikrofon eingesetzt werden. Ein bereits früher installiertes hinteres Hängemikrofon vor der Bühnenkante wurde für den Chor eingesetzt.

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Ausstattung des Regieraums 1 für den Steinsaal im Hygiene-Museum

Tucheldosen mit selbstreinigenden Messerkontakten
Lichtsignalsäulen F 7 und F 10aE-Signalgeber zur optischen Verbindung mit Dirigenten und Assistenten vom Regieraum bzw. von der Schallaufnahme 1 aus
Reglerfeld mit 4 Vorreglern  1 Summenregler  2 Vorverstärker V 41  Hauptverstärker V 63
Koaxial-Lautsprecher O15 von Ing. Eckmiller bis 15 kHz Baujahr 1942 in Kleinserie
Zeiger-Aussteuerungsgerät J 3 mit U 4
AEG-Magnetbandgeräte B2 »Tonschreiber berta2«
Für den stationären Betrieb überarbeitete Geräte aus dem Wehrmachtseinsatz Eingemessen bis über 12 kHz

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Blick durch das Sichtfenster des Dresdner Pausenzeichengebers auf die elektroakustisch arbeitende Mechanik des Tonabnehmers „Ultraklang“
© Foto: Sammlung Gerhard Steinke

 

Senderkennung und Pausenzeichen des Senders Dresden

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Der Dresdner Pausenzeichengeber im Einbauzustand in einem Verstärkerschrank
© Foto: Sammlung Gerhard Steinke

 

Der Landessender Dresden meldete sich nach Umstaltungen mit dem Anfangsmotiv „Durch die Wälder, durch die Auen“ (Arie des Max) aus Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“. 

Erzeugt wurde das Pausenzeichen auf elektroakkustischem Weg durch einen sogenannten „Pausenzeichengeber“.
Bei diesem ferngesteuerten elektrischen Gerät trieb ein Elektromotor über eine Welle kleine Hämmerchen an, die dann in der Meldieabfolge auf Metallzungen schlugen und mittels eines Tonabenehmers die markante Dresdner Senderkennung erzeugten.

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Hochkarätige Opernaufnahmen trotz bescheidener Verhältnisse

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Elfride Trötschel als Rusalka, 1948
© Foto aus ihrem privaten Künstleralbum

Kurz vor der Aufnahme der Oper ›Rusalka‹ hatte es im September 1948 erhebliche Kontaktprobleme mit den Anschlüssen der Mikrofonkabel im Aufnahmesaal gegeben, so dass ein Opernkonzert am 12. September 1948 – natürlich live, wie stets in diesen Jahren – vorzeitig wegen starken Prasselns abgebrochen werden musste. Ich hatte die Steckanschlüsse angeblich nicht fest genug verschraubt. Es gab gewaltigen Ärger mit Gerhard Probst, der den Ton ›steuerte‹, wie man damals sagte.

Also wurden daher noch vor den ›Rusalka‹-Aufnahmen die alten Anschlussdosen durch neuere Tucheldosen mit selbstreinigenden Messerkontakten ersetzt. Über die freigewordenen Dosen und Stecker wurden nun Lichtsignalsäulen und -Signalgeber angeschlossen, um auch eine optische Verbindung zum Dirigenten halten zu können.

Aufgrund der Eröffnung des wiederhergestellten Dresdner Schauspielhauses im September 1948 musste auch unser Regieraum im Hygiene-Museumstrakt umgebaut werden. Der dort noch für die vorausgegangene ›Salome‹-Aufnahme eingesetzte transportable Übertragungsverstärker V 35 mit 4 Reglern und einem Summenregler, der seinerzeit für die Olympiade 1936 entwickelt und eingesetzt worden war, wurde nun im Theater installiert. Stattdessen mussten wir uns also für die ›Rusalka‹-Produktion mit einem kleinen Reglerfeld sowie einem Hauptverstärker zufrieden geben.

Bescheidene technische Möglichkeiten im Vergleich zum späteren oder gar heutigen Standard. Die reguläre Betriebseinführung der neuen Magnettonbandtechnik bei der damaligen Reichs-Rundfunk-Gesellschaft war erst 1943 erfolgt.
Die Maschinen arbeiteten damals noch mit einer Bandgeschwindigkeit von 77 cm/s und einem 6,5 mm breiten Magnetband.
Dabei handelte es sich um den Typ C, mit einer Unterlagenschicht (Trägerschicht) aus F-Cellit und der aktiven Magnetschicht mit Magnetit.

Nach der Zerstörung der ersten Fabrikationsstätte in Ludwigshafen 1943 wurde die Magnetbandproduktion Ende 1943 nach Wolfen überführt. Bereits im Juli 1945, kurz nach Kriegsende, wurden Wiederaufbau und Wiederinbetriebnahme in West und Ost, also auch in Wolfen, möglich. Die dortige AGFA Wolfen war inzwischen eine Abteilung der Sowjetischen Staatlichen Aktiengesellschaft ›Photoplenka‹ geworden, deren Umstellungen im Magnetit-Material allerdings zu erheblichen Fertigungs- und Qualitätsproblemen bei den Lieferungen für den Rundfunk in der sowjetischen Besatzungszone führten.
Das erklärt, warum ausgerechnet die Bänder, die 1948 für ›Salome‹ und danach für ›Rusalka‹ benutzt wurden, noch keinen befriedigenden elektroakustischen Qualitätsstandard aufweisen konnten.

Rusalka-Band-ST-1949-wwwDazu kamen die ersten Veränderungen einiger mechanischer Parameter:
Die Breite von 6,5 mm wurde schon 1945 auf 6,3 mm und später auf 6,25 mm herabgesetzt. Die erste Normung auf 6,25 mm Magnetbandbreite und 76,2 cm/s Bandgeschwindigkeit setzte ein, nachdem die Amerikaner aufgrund der in Deutschland vorgefundenen Magnetbandtechnik ab 1948 in den USA eigene Fertigungen von Geräten und Tonbändern aufzogen. Und in den USA konnte man eben nur in Zoll messen, da musste der entstehende Standard weltweit angepasst werden.

Um im Landessender Dresden noch vorhandene ›frische‹ (jungfräuliche) Tonbänder aus Kriegszeiten (meist mit schwarzer Oberfläche und keinesfalls reißfest) nutzen zu können, konstruierte der Dresdner Betriebs- und Messingenieur Manfred Wosch, ein begnadeter Tüftler, eine kleine Zusatzeinrichtung mit Rasierklingeneinsatz, die beim laufenden Band eine ›Beschneidung‹ auf 6,35 mm Breite ermöglichte. Natürlich musste die Einrichtung mit einem zusätzlichen Staubsaugeransatz für das abgeschnittene schmale Bandsenkelchen ständig entmagnetisiert werden. Für die wenigen Archivbänder trauten wir uns das nicht zu; wertvolle Aufzeichnungen mussten daher ›umgeschnitten‹, d. h. kopiert werden. Anschließend mussten die Bandführungen in den Abmessungen korrigiert und erneuert werden; aber es war dennoch nicht zu verhindern, dass sowohl die beschnittenen als auch die absolut fabrikfrischen Bänder nicht immer exakt auf ihrer Unterkante liefen. Es kam dadurch zu Schiefstellungen vor den Aufnahme- und Wiedergabespalten der Magnetköpfe, zu Flatter- und Gleichlaufeffekten, zwar jeweils in kleinen Dimensionen, aber mit nachteiligen Auswirkungen in Form von Frequenzgang- und Pegelverfälschungen. Daneben trat ›Jaulen‹ des Klanges durch unter- schiedlichen Bandzug der Motoren, Dehnung der mechanisch empfindlichen Bänder auf.

Tonband war eine Kostbarkeit! Manche Archivaufnahme musste daher auch auf vorbespielten und danach gelöschten oder gar älteren Magnetbändern (aus der Kriegsfertigung) aufgezeichnet werden.
Für unsere Opernaufnahmen erhielten wir zwar ›gute‹ frische Magnetbänder aus der Neuproduktion vom Funkhaus Berlin. Doch selbst die waren nie fehlerfrei, rauschten unterschiedlich, enthielten Fehlstellen (›drop outs‹ wie man zig Jahre später sagte) und mussten vom Messdienst exakt auf den optimalen Arbeitspunkt des Aufsprechstromes eingestellt werden. Dazu mussten die beiden genutzten Laufwerke hinsichtlich der Bandlaufqualität ständig mühsam per Hand optimiert werden. Die Ergebnisse waren aber allemal den Aufwand wert. Es kann fast als ein Wunder angesehen werden, dass die Aufzeichnung der ›Rusalka‹ nach ihrer Umzeichnung und Rettung durch Dr. Steffen Lieberwirth elektroakustisch sowie musikalisch-künstlerisch noch so gut nutzbar schien, was allen Beteiligten, besonders dem ›Tonrestaurator‹ Holger Siedler, zu verdanken ist.«

Gerhard Steinke

PH06031_Booklet_Rusalka  ⇒  Edition Staatskapelle Dresden Vol. 6  Rusalka 1948


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Die Live-Übertragungen aus dem Großen Haus 1948

Filmische Dokumentation zur deutschlandweiten Rundfunk-Übertragung der “Fidelio”-Premiere mit Zeitzeugenberichten der MDR-Sprecherin Christa Klose und des MDR-Toningenieurs Gerhard Steinke sowie der Sopranistin Lisa Otto und des Konzertmeisters der Staatskapelle Dresden, Reinhard Ulbricht. [Gekürzte DVD-Fassung]

Edition Semperoper_Booklet.indd  ⇒  Multimedia-Box Semperoper Edition Vol. 2  Fidelio 1948

RundfunkSchaetze.de bedankt sich bei den Radiopionieren der Nachkriegszeit – Heiner Döhler, Gerhard Steinke und Johannes Lieberwirth – für wertvolle Augenzeugenberichte, Informationen und Fotos.

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Vorausgegangene Beiträge zur Geschichte des Landessenders Dresden

Der MIRAG-Nebensender Dresden · 1924 bis 1933
Recherchen des MDR-Radiojournalisten Tobias Knauf

Der Landessender Dresden wird wiederbegründet · 1945
Erinnerungen des damaligen MDR-Kulturchefs Ulli Böhme
und des MDR-Toningenieurs Gerhard Steinke