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Gewachsene Tradition:

Die Bruckner-Pflege der Staatskapelle Dresden

 

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Links oben:
Der Dresdner Hofkapellmeister Adolf Hagen. Fotografie von Martin Herzfeld, 1913
Theaterzettel der Dresdner Erstaufführung von Bruckners vierter Symphonie (Fassung: Ferdinand Löwe), 15. November 1895
Rechts oben:
Der Dresdner Generalmusikdirektor Fritz Busch
Konzertzettel vom 17. Februar 1933 mit Bruckners 4. Symphonie, nur wenige Tage vor seiner Vertreibung durch die Nazis aus dem Amt.
Links unten:
Der Dresdner Generalmusikdirektor Karl Böhm, 1940
Theaterzettel der Erstaufführung der »Originalfassung« von Bruckners vierter Symphonie, 23. Oktober 1936
Rechts unten:
Generalmusikdirektor Joseph Keilberth, 1948
Theaterzettel der Aufführung der »Romantischen« im Kurhaus Bühlau, 15. Juni 1946. Keilberth dirigierte zwischen 1945 und 1949 den vermutlich ersten Zyklus aller Bruckner-Symphonien in den Originalfassungen.
© Dokumente: Historisches Archiv der Sächsischen Staatstheater Dresden

 

Bruckners »Vierte Symphonie« im Königlichen Hoftheater zu Dresden

Zwar gilt Dresden, anders als Wien, München oder das benachbarte Leipzig, bis heute nicht explizit als »Bruckner-Stadt«. Dennoch haben die Werke des gebürtigen Oberösterreichers auch in der sächsischen Residenzstadt eine lange Tradition, und dies insbesondere in den Konzerten der einstigen Hof- und heutigen Staatskapelle.

Bereits im Dezember 1885, ein Jahr nach der Leipziger Uraufführung der siebten Symphonie, die Bruckner den internationalen Durchbruch brachte, erklang mit der Dritten erstmals ein Werk Bruckners in Dresden. Die Leitung hatte Musikdirektor Ernst von Schuch, der sich in seiner langen Amtszeit (1872-1914) besonders für das damalige zeitgenössische Musikschaffen einsetzte und schließlich zum »Leibdirigenten« von Richard Strauss avancierte. Das Publikum in der Semperoper reagierte auf die »Wagner-Symphonie« mit Irritation und Ablehnung – trotzdem setzte Schuch, ein Landsmann Bruckners, der den Komponisten seit einer Begegnung bei den Bayreuther Festspielen auch persönlich kannte, in den kommenden Jahrzehnten nahezu sämtliche Bruckner-Symphonien aufs Programm.

Die erste Aufführung der »romantischen« Vierten in Dresden fand im November 1895 in der Semperoper statt; am Pult stand diesmal Kapellmeister Adolf Hagen, und die Kritik aus den »Dresdner Neuesten Nachrichten« spiegelt das Unverständnis wider, das Bruckners Werken zu dieser Zeit auch andernorts entgegengebracht wurde:
»… Dabei kann es der Komponist nicht unterlassen, jeden Augenblick zu den stärksten Orchestermitteln zu greifen. Kaum hat er uns in poetische Stimmung gesetzt, so packt er auch schon Hörner, Trompeten, Posaunen und Pauken zu förmlichen Accordbündeln zusammen, um damit ein Blitzfunkeln und Donnerkrachen herauszuschlagen, daß einem Hören und Sehen vergeht …«

 

Bruckner im Repertoire der Staatskapelle Dresden

Spätestens seit der Jahrhundertwende schlug die Kritik aber in Begeisterung um: Schuchs Nachhaltigkeit in der Programmplanung zahlte sich aus, und er verhalf den Werken Bruckners in Dresden nach und nach zu wichtigen künstlerischen Erfolgen. Damit war die Grundlage für eine anhaltende Bruckner-Pflege gelegt; fortan bildeten die Werke des österreichischen Symphonikers einen zentralen Bestandteil im Repertoire des Wagner- und Strauss-Orchesters Staatskapelle.
Generalmusikdirektor Fritz Busch etwa dirigierte noch im Februar 1933 – in seinem letzten Symphoniekonzert vor der Vertreibung aus Dresden (dokumentiert in der Edition Staatskapelle Dresden, Volume 30) – eine Aufführung von Bruckners »Romantischer«. Und sein Nachfolger Karl Böhm realisierte 1936/37 die allerersten Schallplatten-Aufnahmen der vierten und der fünften Symphonie in den damals im Rahmen der Bruckner-Gesamtausgabe gerade erst veröffentlichten Originalfassungen (Edition Staatskapelle Dresden, Volume 32).
Auch nach dem Krieg und der großräumigen Zerstörung Dresdens wurde schnell wieder Bruckner gespielt: So dirigierte der junge Generalmusikdirektor Joseph Keilberth zwischen 1945 und 1950 den vermutlich ersten vollständigen Zyklus aller »originalen« Bruckner-Symphonien überhaupt.
1946 erklang in diesem Zusammenhang auch die Urfassung der dritten Symphonie zum ersten Mal: Der Staatskapelle kam damit, wenn auch spät, noch der Rang eines Bruckner-Uraufführungsorchesters zu (Hintergründe hierzu liefert der Mitschnitt dieser Fassung unter Yannick Nézet-Séguin aus dem Jahr 2008, erschienen in der Edition Staatskapelle Dresden als Volume 39).

Die Bruckner-Tradition der Staatskapelle Dresden ist bis heute lebendig. Beispielhaft für die jüngere Geschichte sind die inzwischen legendäre Gesamteinspielung der Bruckner-Symphonien unter Eugen Jochum aus den Jahren 1975 bis 1980, Konzerte und Aufnahmen unter Giuseppe Sinopoli und Bernard Haitink sowie der aktuelle Bruckner-Zyklus unter Chefdirigent Christian Thielemann, dessen Interpretation der Vierten auf CD nachzuhören ist.

© Tobias Niederschlag
Konzertdramaturg der Staatskapelle Dresden

 

Bruckner und seine 4. Symphonie
  Thielemann mit Bruckners 4. Symphonie auf CD
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