Anton Bruckner Symphonie Nr. 7

Die Staatskapelle Dresden mit ihrem neuen Chef Christian Thielemann zu dessen Antrittskonzert am 2. September 2012 mit der Aufführung von Bruckners 7. Symphony
© Foto: Matthias Creutziger
Einzelgänger mit einer Schwäche für Wagner: Anton Bruckner
Das Verhältnis zwischen Anton Bruckner und Richard Wagner ist immer wieder beleuchtet worden, gilt aber nach wie vor als eines der ambivalentesten in der Musikgeschichte.
Bruckner hatte, schon Domorganist in Linz und Chormeister der Liedertafel „Frohsinn“, in den 1860er Jahren noch einmal Unterricht genommen beim Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler, der ihn mit Beethoven und der Musik der „Neudeutschen“ bekannt machte.
Vor allem die Werke Wagners, für dessen „Tannhäuser“ und „Fliegenden Holländer“ er sich sofort begeisterte, müssen wie ein Erweckungserlebnis auf den bereits 40-Jährigen gewirkt haben. Fortan erklärte er Wagner zu seinem „erhabenen Vorbild“ – auch wenn er nie vorhatte, Musik für das Theater zu schreiben.
Bruckner widmete sich vielmehr einer in den Augen der „Fortschrittlichen“ überholten Gattung: der Symphonie. Kein Wunder also, dass es zwischen ihm und dem „Meister aller Meister“ trotz mehrfacher persönlicher Begegnungen nie zu einem konstruktiven, geschweige denn gleichberechtigen Gedankenaustausch gekommen ist.
Zur ersten dieser Begegnungen kam es 1865 im Umfeld einer „Tristan“-Aufführung in München, und immerhin übertrug Wagner Bruckner und seiner Liedertafel bei dieser Gelegenheit die konzertante Uraufführung der Schlussszene aus den „Meistersingern“, die 1868 in Linz stattfand.
Mit den Kompositionen Bruckners konnte (oder wollte) Wagner indessen nicht viel anfangen, was sicher auch mit der übertrieben devoten Haltung des elf Jahre Jüngeren ihm gegenüber zu tun hatte: Bei späteren Begegnungen sank der fromme Katholik Bruckner, inzwischen Professor am Wiener Konservatorium, in der Regel auf die Knie, küsste Wagners Hände und rief: „O Meister, ich bete Sie an!“
Im September 1873 besichtigten die beiden die Baustelle des Bayreuther Festspielhauses, anschließend widmete Bruckner Wagner seine in der Erstfassung mit Wagner-Anklängen durchzogene Dritte Symphonie – Wagner nahm diese Ehrung allerdings mit auffallendem Desinteresse zur Kenntnis.
Für Bruckner hatte die Widmung fatale Folgen: Der Wiener Kritikerpapst Eduard Hanslick, der ihm in Linz noch wohlwollend gegenübergestanden hatte, wandte sich von ihm ab, es kam zum Bruch, zur offenen Feindschaft.
Bruckner geriet in Wien in den erbitterten Streit zwischen „Wagnerianern“ und „Brahmsianern“, obwohl er keiner der beiden Parteien wirklich angehörte.
Im Wiener Musikleben konnte er Jahre lang nur mühsam Fuß fassen, wurde belächelt und gedemütigt, und es ist bezeichnend, dass ihm der Durchbruch erst in den 1880er Jahren gelang – nach Wagners Tod und außerhalb Wiens: mit den ersten Aufführungen der Siebten Symphonie in Leipzig und München.
Bruckner profitierte auch von der Unterstützung durch die „Wagnerianer“ – dennoch wurde der Blick auf sein Schaffen dadurch verstellt: Er war als Symphoniker ein Einzelgänger und nicht zum Epigonen Wagners geboren, wie dieser und seine Anhänger es vielleicht gern gesehen hätten. Viel zu groß sind die ästhetischen Unterschiede im Schaffen der beiden Meister.
Zwar bezog Bruckner aus der Harmonik Wagners, teilweise auch aus der Melodik, wichtige Impulse für sein eigenes Komponieren. Letztendlich war seine Ästhetik einer monumentalen Symphonie mit ihrer vom Orgelklang inspirierten, registerhaften Dynamik aber grundverschieden von dem in Wagners Werken angestrebten Mischklang des Orchesters und der Idee des Musikdramas als einer „Symphonie mit Gesang“.
Tragischerweise wurde dies erst Jahrzehnte nach Bruckners Tod so deutlich erkannt, genau genommen mit der Analyse der Urfassungen seiner Symphonien – und es ist sehr wahrscheinlich, dass Bruckner selbst das Solitäre und Zukunftsweisende seiner Musik nicht einmal bewusst gewesen ist …

Der Dresdner Generalmusikdirektor Ernst von Schuch, um 1900.
Konzertzettel vom 8. Dezember 1904 mit der Dresdner Erstaufführung von Bruckners Siebter Symphony.
© Dokumente: Historisches Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden
Bruckners Siebte Symphonie

Anton Bruckner
Ölbild von Hermann von Kaulbach, 1885
© Repro: Historisches Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden
In Dresden fanden die Werke Anton Bruckners, ähnlich wie in Leipzig, schon relativ früh Eingang ins Repertoire der „Königlichen musikalischen Kapelle“.
Bereits 1885 stellte der damalige Generalmusikdirektor Ernst von Schuch mit der Dritten Symphonie erstmals ein Werk des Österreichers an der Elbe vor.
Die Reaktionen des Publikums auf die „Wagner-Symphonie“ waren zunächst noch gespalten, dennoch setzte Schuch – unbeirrt und allem Zeitgenössischen gegenüber aufgeschlossen (Richard Strauss sollte ihn später als seinen „Leibdirigenten“ bezeichnen) – in den folgenden Jahren nahezu sämtliche Bruckner-Symphonien aufs Programm und verhalf ihnen damit ab der Jahrhundertwende zu wichtigen Erfolgen.
Schuch etablierte eine Bruckner-Pflege in Dresden, an die seine Nachfolger dankbar anknüpften – zum Beispiel Karl Böhm, der in den 1930er Jahren viele der Symphonien in den gerade erst erschienenen Urfassungen vorstellte (und die Symphonien Nr. 4 und 5 erstmals auf Schellackplatten einspielte, neu herausgegeben im Rahmen der Edition Staatskapelle Dresden als Volume 32); oder Joseph Keilberth, der nach der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg das Musikleben wiederbelebte und 1946 die Uraufführung der Dritten Symphonie in ihrer Urfassung leitete.
Kurt Sanderling, Herbert Blomstedt, später Giuseppe Sinopoli und Bernard Haitink führten diese Tradition fort; zwischen 1975 und 1980 schrieb Eugen Jochum mit seiner Gesamtaufnahme der Bruckner-Symphonien am Pult der Staatskapelle Schallplattengeschichte.
Die Siebte Symphonie ist im Hinblick auf ihre Fassung immer die unproblematischste aller Bruckner-Symphonien gewesen: Das Autograph des zwischen 1881 und 1883 entstandenen Werkes diente – ein absoluter Ausnahmefall in Bruckners Schaffen – auch als Stichvorlage für den Erstdruck des Werkes. Dies hatte sicherlich mit dem einhelligen Erfolg der ersten Aufführungen zu tun, die Bruckner den Durchbruch als Symphoniker verschafften.
Uraufgeführt wurde die Siebte am 30. Dezember 1884 im Leipziger Stadttheater mit dem Gewandhausorchester unter der Leitung von Artur Nikisch. Mindestens ebenso bedeutsam war aber die Münchner Erstaufführung unter Hermann Levi nur wenige Monate später, die sich für Bruckner als Triumph gestaltete: Im Konzertsaal gefeiert, würdigte ihn das Orchester außerdem im Nationaltheater, als es nach einer „Walküre“-Vorstellung noch einmal Teile aus dem Adagio der Symphonie spielte; Bruckner wurde in München von Hermann Kaulbach gemalt, von Franz Hanfstaengl fotografiert, und schließlich nahm der einstige Wagner-Gönner König Ludwig II. die „in tiefster Ehrfurcht“ ausgesprochene Widmung des Werkes an.
Schnell folgten Aufführungen in anderen deutschen Städten, in den USA und 1886 endlich auch in Wien. Als Geschenk nach der gelungenen Wiener Premiere konnte Bruckner am nächsten Tag eine Wagner-Büste des Dresdner Rietschel-Schülers Gustav Adolph Kietz in Empfang nehmen, über die er sich ausgesprochen freute: „Ich erhielt auch am Morgen die Büste des Unsterblichen aus Dresden, die ich unter Thränen heiß beküßte.“
Das Vorbild Wagner ist in der E-Dur-Symphonie in besonderer Weise präsent – wenn auch vor eher traurigem Hintergrund: Bruckner komponierte die Coda des langsamen zweiten Satzes unter dem Eindruck der Nachricht vom Tode des „hochseligen, heißgeliebten, unsterblichen Meisters“ (Wagner starb am 13. Februar 1883 in Venedig), „teils in Vorahnung, teils als Trauermusik nach der eingetretenen Katastrophe“.
Hierfür schrieb Bruckner erstmals in der Symphonik die Verwendung von vier Wagner-Tuben vor, die für ihn in den folgenden Symphonien verbindlich bleiben sollte. Das Adagio, mit seinem feierlichen Durchbruch nach C-Dur und den Anklängen an das hoffnungsvolle „Non confundar“ aus dem „Te Deum“, rückt damit ins Zentrum der Symphonie und verleiht dem Werk eine ganz eigene Dramaturgie. Auch das Hauptthema des vorangehenden Kopfsatzes, das sich in den ersten Takten über einem Streicherflimmern hymnisch in den Violoncelli entfaltet, gleicht einer „unendlichen Melodie“ im Sinne Wagners – und klingt doch ganz nach Bruckner. Das dem Adagio folgende Scherzo wird durch ein fanfarenartiges Motiv der Trompete geprägt, worauf der bewegte Finalsatz den Bogen zum Symphoniebeginn schlägt: Das Hauptthema dieses Satzes gleicht beinahe notengetreu der „unendlichen Melodie“ des Anfangs, trägt aber in punktiertem Rhythmus gänzlich anderen Charakter. Die Musik drängt immer mehr zur abschließenden Apotheose, in der das Hauptthema des Kopfsatzes – bei Bruckner keine Seltenheit – noch einmal zitathaft anklingt.
Im Programmheft zu Thielemanns Antrittskonzert in Dresden wies Torsten Blaich besonders auf die melodischen Qualitäten der Siebten hin, in denen er eines der Erfolgsgeheimnisse des Werkes erkannte. Zwar sei der „instrumentale ‚Gesang ohne Worte‘, die blühende Melodik, neben den so charakteristischen Entladungen symphonischer Energien, ein zentraler Baustein der Bruckner’schen Symphonik im allgemeinen. …
Doch so sehr ‚melodiegesättigte‘ Themen zu den ureigensten Bestandteilen der Bruckner-Symphonie gehören – ihr Einfluss scheint in keiner der elf Symphonien Bruckners so groß zu sein wie in eben jener Siebten.“
Schon Josef Schalk habe dies vor Augen gehabt, als er wenige Jahre nach Entstehung des Werkes in einer Konzerteinführung schrieb, die Siebte zeichne sich nicht nur „durch die Verwerthung aller neuzeitlichen Errungenschaften der Tonkunst“, sondern „ganz besonders durch die ungewohnt breite Anlage seiner Hauptthemen aus, welche zumeist nicht als Motive, sondern als ganze Gesänge auftreten“.
In den Konzertprogrammen der Dresdner Hofkapelle taucht die Siebte Symphonie erst relativ spät, am 9. Dezember 1904, zum ersten Mal auf. Vorangegangen waren dieser Aufführung allerdings die Dresdner Premieren von Bruckners Dritter und Vierter Symphonie.
SLIDESHOW:
Die Staatskapelle Dresden mit ihrem neuen Chef Christian Thielemann zu dessen Antrittskonzert am 2. September 2012 mit der Aufführung von Bruckners 7. Symphony
© Foto: Matthias Creutziger
Christian Thielemann, der die Siebte schon als Chefdirigent in Berlin und München dirigiert hatte, zeigte bei seinem Antrittskonzert, wie sehr er bereits zu diesem Zeitpunkt bei seiner neuen Kapelle „angekommen“ war:
„In hellwacher Kommunikation mit allen“, schrieb die Sächsische Zeitung über das Konzert, „mit einer Sicherheit, als sei er Teil eines verschworenen Geheimbunds seit Jahren, trieb der Chef den Rhythmus in Schüben voran. Er dankte den Bläsern mit einem Zwinkern, einem Lächeln, einem Fingerwink für die Konstanz ihres Höhenflugs. Er ließ das Orchester singen in seiner altgoldenen Schönheit und führte die Sache im Stile Admiral Nelsons zum grandiosen Ende: ‚Gekämpft? Haben wir das? Ich weiß nur, dass wir gewonnen haben.‘“
Die Aufführung, die in Anwesenheit der Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen, Horst Seehofer und Stanislaw Tillich, stattfand, stand zudem unter besonderen Vorzeichen, als das Orchester und sein neuer Chefdirigent das Konzert der im Juli 2012 verstorbenen Intendantin der Semperoper, Dr. Ulrike Hessler, widmeten.
Tobias Niederschlag
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