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Fritz Busch und Dresden [4/15]

Die Opernaufgaben

 

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Das gesamte Ensemble der Sächsischen Staatstheater mit Fritz Busch (auf der Bühne. 2 Reihe Mitte) anlässlich der Verabschiedung von Eva Plaschke von der Osten, 1927

 

Seiteninhalt

  Welch unvorstellbar großes Arbeitspensum
  “Wie ein Zuchtmeister”
  Die Verjüngung des Opernensembles
  Der Dresdner Opernspielplan
  Memorandum an die Generalintendanz der Sächsischen Staatstheater vom 22. Januar 1926

 

Welch unvorstellbar großes Arbeitspensum

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Fritz Busch mit den Sängern Eva Plaschke von der Osten, Irma Tervani, Hanns Lange und dem Souffleur Michael Steinmann

Das Maß an Aufgaben war übergroß. „Ich verlasse die Oper nur, wenn ich schlafen gehe“, sagte er, und selbst der NSDAP-Gauwart Posse, der maßgeblich an Buschs späterer Amtsenthebung beteiligt war, mußte ihm in einer Auseinandersetzung nach dem 1933er Eklat zugestehen, dass er „wie ein Vieh“ gearbeitet habe.
Es ist nachweisbar, dass Busch in der Saison 1925/26 nicht weniger als 104 Opernvorstellungen dirigiert hat; darunter waren neun Premieren mit vier Uraufführungen, einer Erstaufführung und vier Neueinstudierungen von Repertoireopern.
Außerdem leitete er elf Abonnementskonzerte (jeweils mit öffentlicher Generalprobe) und zwei Sonderkonzerte.
Hinzu kamen die Proben mit dem Sängerpersonal und dem Orchester, das Lektorieren zahlreicher eingesandter Partituren, das Studium neu zu erarbeitender Werke sowie all seine administrativen Verpflichtungen. In einer Eingabe an den Intendanten wies Busch darauf hin, dass eine solche Belastung auf Dauer seine physischen und psychischen Kräfte zu überfordern drohe (1928 kam denn auch der gesundheitliche Zusammenbruch).

Aber nur wenig änderte sich: Für 1930/31 registrierte er noch immer 98 Opernabende, neun Neueinstudierungen und die Übernahme zweier von Pfitzner und Strauss dirigierter Premieren im täglichen Repertoire. (Man vergleiche mit diesen Zahlen einmal die Verpflichtungen, die heutzutage musikalische Chefs für ihre Häuser einzugehen bereit sind!)

Die Angebote, künstlerische Verantwortung unter weitaus günstigeren Bedingungen an den Staatsopern in Wien oder Berlin oder beim Gewandhausorchester Leipzig zu übernehmen, müssen zeitweise schon recht verlockend gewesen sein. Dennoch hielt Busch Dresden die Treue.

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Fritz Buschs Notizbuch mit Besetzungsüberlegungen

 

“Wie ein Zuchtmeister”

Fritz Busch hatte den gesamten Opernbetrieb vom Engagement der Gastdirigenten, Regisseure und Bühnenbildner bis zur Kontrolle der Abendeinnahme „im Griff“.
Er holte Prominenz wie Strauss, Pfitzner oder Strawinsky ans Pult, ließ Erhardt, Gielen, Mora, Toller oder Dobrowen inszenieren und Slevogt oder Kokoschka die Szene gestalten – alles allererste Kräfte!

Wenn er nicht selbst dirigierte, saß er häufig als kritischer Beobachter in den Aufführungen, und seine Vorstellungsberichte (mit Schlussfolgerungen) lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Der Erhalt der Klangkultur der Kapelle lag ihm besonders am Herzen. In diesem Orchester, das offenbar jeder Schwierigkeit gewachsen war und mit einer Anpassungsfähigkeit und Stilsicherheit ohnegleichen den Weg seiner Konzert- und Opernplanung mitging, sah er die Grundlage seiner gesamten Arbeit.
Um dessen Fortentwicklung zu sichern, unterstützte er die Gründung einer „Orchesterschule der Sächsischen Staatskapelle“ zur praxisorientierten Heranbildung des eigenen Musikernachwuchses, bevorzugt durch Kapellmitglieder als Lehrer.

Wenn ihm Zeit blieb, spielte er mit Kollegen Kammermusik im Tonkünstler-Verein.
Bei Probespielen legte er hohe künstlerische und menschliche Maßstäbe an die Kandidaten an, die er nicht selten selbst begleitete. Er war, beinahe im Sinne der Kantoreiordnung von 1548, ein echter „Zuchtmeister“, der auf Disziplin in der Dienstausübung sah und seine Forderungen unnachgiebig durchsetzte, aber durch Humor und Freundlichkeit die Atmosphäre immer wieder aufzulockern verstand.

Sein Ideal formulierte er so: „Es gibt nichts Erfreulicheres für den Beobachter als einen Dirigenten, der außer der höchsten Achtung seiner Orchestermitglieder auch deren Liebe genießt.“

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Das Dresdner Opernensemble zur Zeit des Amtsantrittes von Fritz Busch, dargestellt auf einer Anschlagtafel im Opernhaus
Irma Tervani – Ottilie Lattermann – Robert Burg- Curt Taucher – Friedrich Plaschke – Hans Rüdiger – Ludwig Ermold
Richard Tauber – Dr. Waldemar Staegemann – Helena Forti – Karl Scheidemantel – Eva von Osten – ? – ? –
Elisabeth Rethberg – Robert Büssel – Charlotte ? – Elisa Stünzner – Grete Merrem-Nikisch – Tino Pattiera – ?

 

Die Verjüngung des Opernensembles

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Maria Cebotari, 1931
21-jährig singt sie die Partie der Mimi in Dresden.
© Foto aus dem Booklet

Dem Aufbau des Solistenensembles galt gleichfalls Buschs große Aufmerksamkeit. Über 6000 Sänger und Sängerinnen hat er sich während der Dresdner Jahre angehört!
Seine Ansprüche waren auch hier hoch, und er kannte keine Kompromisse. Was er aber schließlich vorweisen konnte, war eine Solistenschar, die jedem internationalen Vergleich standhielt.

Er verfolgte aufmerksam die Entwicklung seiner Sänger (es existieren Aufzeichnungen zu manchem Mitglied über Jahre hinweg!), ließ sie systematisch an Aufgaben wachsen, und es gab keine Vorstellung unter seiner Leitung, vor der sich die Protagonisten nicht in seinem Zimmer zu einer Ensembleprobe getroffen hätten. „Selbst wenn’s die 20. im Repertoire war, mußten wir alle zu ihm kommen, und die ganze Oper wurde noch einmal durchgenommen…, da konnte keine Schlamperei einreißen“, erinnerte sich Erna Berger.

Als die von ihm entdeckte Maria Cebotari in der Partie der Mimi mit 21 Jahren debütierte, trat er selbst ans Pult, um ihr zu einem optimalen Start zu verhelfen, obwohl er die „Bohème“ bis dahin in Dresden nie dirigiert hatte.

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Der Dresdner Opernspielplan

Im Opernspielplan setzte Busch – neben dem üblichen, weitgespannten Repertoire zwischen Mozart und Wagner, Lortzing und Johann Strauß, Rossini und Bizet – zeitweise waren bis zu 75 Stücke verfügbar! – eine Reihe besonderer Akzente.
Da war einmal das neue Werk mit über 20 Uraufführungen, darunter Hindemiths „Cardillac“, Weills „Protagonist“, Busonis „Doktor Faust“ oder Schoecks „Penthesilea“, bedeutende deutsche Erstaufführungen wie Puccinis „Turandot“ und Erstaufführungen von etwa 30 bis dahin in Dresden unbekannten zeitgenössischen Opern, wie Ernst Kreneks „Jonny spielt auf„.

Einen zweiten Schwerpunkt bildete die Fortsetzung der Dresdner Strauss-Pflege, die in den Uraufführungen von „Intermezzo“ und „Die ägyptische Helena“, aber auch zum Beispiel in einer gefeierten Neueinstudierung der „Ariadne“, Höhepunkte erlebte.
Hinzu kam sein Einsatz für die russische Oper mit Inszenierungen von „Boris Godunow“, „Chowanstschina“ und „Pique Dame“ (Strawinsky soll diese Aufführung als die beste bezeichnet haben, die er jemals gesehen und gehört hat) bis zu „Petruschka“.

Schließlich pflegte Busch das Schaffen Verdis mit stärkster, weit über Dresden hinausreichender Ausstrahlung: Aufführungen von „Falstaff“, „Don Carlos“, „Othello“, „Troubadour“, „Maskenball“ oder „Rigoletto“ galten als beispielhaft; vor allem aber ebnete er mit einer Aufsehen erregenden Wiedergabe der „Macht des Schicksals“ diesem Werk international den Weg; Toscanini, der damit in Italien niemals Erfolg gehabt hatte, kam eigens angereist, um es hier zu erleben (wegen der plötzlichen Erkrankung von Meta Seinemeyer mußte er jedoch mit dem „Don Giovanni“ vorlieb nehmen, der ihm aber dann auch genügend Diskussionsstoff mit Busch bot).

WEITERE DETAILS UND AUDIOS ZU DRESDNER OPERNINSZENIERUNGEN:
  Hindemith „Cardillac“           Krenek: „Jonny spielt auf“
  Puccini „La Bohéme“
→  Weill „Der Protagonist“

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Memorandum an die Generalintendanz der Sächsischen Staatstheater
vom 22. Januar 1926

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Fritz Busch in seinem Dirigentenzimmer in der Semperoper
© Foto aus dem Booklet – Max-Reger-Institut – BrüderBuschArchiv

Im Folgenden teile ich der Generalintendanz meine Ansichten über den derzeitigen künstlerischen Stand der Staatsoper mit, sowie eine Reihe von Reformvorschlägen und Wünschen, deren Erfüllung dazu dienen möge, den heute noch bestehenden Ruf der Dresdner Staatsoper als allererste Repertoirebühne und als Uraufführungstheater zu erhalten und zu festigen (…)
Die erstklassigen Sänger sind in Deutschland ganz selten geworden – um die wenigen noch vorhandenen bemühen sich die großen Opernbühnen unter Anspannung aller finanziellen Kräfte. Der Nachwuchs ist seit einer Reihe von Jahren von geradezu erschreckender Minderwertigkeit, wie aus den Resultaten der alljährlich in die Hunderte gehenden Stimmprüfungen zu ersehen ist (…)
Will die Dresdner Staatsoper weiterhin gleichwertig den anderen deutschen Bühnen gelten, so muß sie ihre Bemühungen hinsichtlich der Erneuerung des Solopersonals in weit größerem Maße anspannen, als es bisher der Fall war. (…) Unsere Heldentenöre Taucher und Pattiera stehen nur einige Monate in der Spielzeit zur Verfügung. Von unseren an erster Stelle stehenden Künstlern, die seinerzeit die Säulen eines ruhmvollen Ensembles waren, ist eine ganze Anzahl bereits dem unerbittlichen Sängerschicksal – dem Niedergang der Stimme – in mehr oder minder großem Ausmaß verfallen. (…)
Es werden wesentliche finanzielle Mehrleistungen notwendig werden, wenn die großen Lücken in den allerersten Fächern ausgefüllt werden sollen. Nach meiner Einschätzung dürfte die Einstellung dieser Künstler einen Mehraufwand von 150.000 M erfordern. (…)
Ich bin fest überzeugt, daß die auf diesem Weg zustande kommende Steigerung des Gesamtniveaus sich auch wirtschaftlich bezahlt machen wird.
Ich hoffe, daß meine Vorschläge Bewilligung des Verwaltungskollegiums finden werden. Sollte das jedoch nicht der Fall sein, so müßte ich darauf dringen, daß eine die ganzen Verhältnisse klar beleuchtende Erklärung ehestens an die Öffentlichkeit gelangt.(…)  

Fritz Busch

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