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Fritz Busch und Dresden  [13/15]

Leider nur als Gast

 

 

Dieser prächtige Licht- und Schattenmensch 

 

Zeit des Überlegens

Nach dem Kriege gab es kontinuierlichen Schriftverkehr zwischen Dresden und den verschiedenen Orten in der Welt, an denen sich Busch gerade aufhielt. Er erkundigte sich nach der Kapelle und einzelnen ihrer Mitglieder, schickte sogar Pakete an notleidende Kollegen und alte Bekannte. Natürlich ging es auch um ein Wiedersehen in einem Konzert, nicht zuletzt im Hinblick auf das 1948 anstehende 400jährige Kapelljubiläum.
Wir könnten uns nichts Beglückenderes vorstellen, als aus diesem Anlass wieder einmal unter Ihnen musizieren zu dürfen. Die Schmach, die Ihnen im März 1933 die Kapelle angetan hat, ist ja in schrecklicher Weise gesühnt: Die Stätte des Pfeifkonzerts, das Opernhaus ist vernichtet“, schrieb Arthur Tröber im September 1946.

Busch,-Fritz,-Visitenkarte-1928,-Rueckseite-for-webIm Juli 1947 teilte Busch Strelewitz mit: „Was nun mein Kommen nach Dresden oder Deutschland betrifft, so ist es mir im Augenblick unmöglich, ja oder nein zu sagen…
Ich weiß nicht, aufrichtig gesagt, ob ich die Nerven habe, all das Elend mit anzusehen. Denn wenn wir auch seit 1933 keine materielle Not erfahren haben, so hat uns doch das Leben in der Fremde, das Mitleiden, der Verlust unserer besten Freunde und vieles andere, mehr mitgenommen, als ich es Ihnen ausdrücken kann.

Beinahe zur gleichen Zeit ließ Busch, verbunden mit der Absage für das Jubiläum, Tröber wissen: „Ob ich später einmal die Nerven und die innere Kraft habe, vor die Staatskapelle zu treten, ja, das weiß ich heute noch nicht. Lassen Sie mir noch etwas Zeit zum Überlegen.

 

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Fritz Busch am Dirigentenpult der MET in New York 1945

 

„Eine Zeit des Lernens und Reifens“

Die Jahre von 1933, als er Europa verließ, bis zu seinem Tode am 14. September 1951 stellen einen einzigartigen Siegeszug Fritz Buschs durch die musikalische Welt dar. Buenos Aires, die Metropolitan Opera New York, Kopenhagen, Stockholm und London waren Hauptstationen seines späteren Lebensweges. Besonders ans Herz gewachsen war ihm seit 1934 Glyndebourne in England, wo er mit dem Regisseur Carl Ebert Festspielaufführungen von vollendeter musikalisch-szenischer Geschlossenheit auf die Bühne brachte. Im Frühjahr 1951 dirigierte er zum ersten Male wieder in Deutschland: in Hamburg und Köln.

Zu einer Rückkehr nach Dresden ist es nicht gekommen. Aber einen persönlichen Gruß hat Fritz Busch der Staatskapelle zu ihrem 400jährigen Jubiläum am 22. September 1948 geschickt.
Zwei Sätze daraus, die in besonderer Weise bewegend sind, verdienen es, hervorgehoben zu werden.
Der eine zeugt von Buschs seelischer Größe in aller Bitternis, die er durchleben musste:
Es ist das Wesen des Schönen, dass böse Mächte keine Gewalt darüber haben.
Was er hier überhöht so wunderbar formulierte, klingt in einem Brief an Kurt Strelewitz ganz nüchtern und direkt:
Ich bin nie ein nachtragender Mensch gewesen, und ich kann vergessen, was einmal in Dresden geschah.
Der andere zeugt von einer Haltung, die nicht allein mit Bescheidenheit zu umschreiben, sondern vielmehr mit einem Wort zu fassen wäre, das bedauerlicherweise heute kaum mehr im Sprachgebrauch,

noch weniger vielleicht im Bewußsein der Menschen verankert ist: es heißt Demut; Busch nannte die Dresdner Jahre, die – wie eingangs festgestellt – als „Ära Busch“ in die Musikgeschichte der Stadt eingegangen sind, schlicht als „eine Zeit des Lernens, Reifens und manchmal des Gelingens“.
Die gesamte Glückwunschadresse liest sich wie ein Vermächtnis und offenbart eine unverminderte innere Bindung Buschs an seine einstige Wirkungsstätte:
Ich beklage es aufrichtig, der Feier des 400jährigen Bestehens der Dresdner Staatskapelle nicht beiwohnen zu können. Im Ausland begreift man durch den Vergleich mit jüngerer Musikkultur, was ein Alter von Jahrhunderten für ein Kunstinstitut heißen will. Die Leistung der Dresdner Staatskapelle und ihre Bedeutung für das Musikleben der Welt wirkt unzerstört fort, wenn vieles andere Unersetzliche, was Menschenhände in Generationen geschaffen hatten, heute in Schutt und Asche liegt. Während elf Jahren habe ich in öffentlichen Aufführungen über tausendmal an der Spitze der Staatskapelle gestanden; eine Zeit des Lernens, des Reifens und manchmal des Gelingens, deren Erinnerung in mir nicht ausgelöscht worden ist. Es ist das Wesen des Schönen, dass böse Mächte keine Gewalt darüber haben. Der Staatskapelle, die mit ihrer alten Heimat nicht unterging, wünsche ich herzlich, dass sie mit ihrem neuen Dresden weitere Jahrhunderte leben möge.

Eberhard Steindorf

 

„Busch bleibt Busch …“

Fritz Busch, den Vollblut-Musiker, laut zu loben, erübrigt sich. – Dieser prächtige Licht- und Schattenmensch war mir, mehr als ein Jahrzehnt lang, zwar ein rechter Sorgensohn, aber sein frisches künstlerisches Draufgängertum, sein sonniges Wesen, seine Anhänglichkeit haben mir doch manches Trübes wettgemacht. Freilich mußte man ihn bis in sein Innerstes kennen und zu nehmen wissen. Ein unbesonnener „Tell“, der sich durch manches tolle Wort mehr Feinde machte, als er ahnte und wollte. Im trüben Sammelbecken eines Dresdner Jahrzehnts hatte sich gegen ihn zusammengebraut, was in der, ihn bis ins Tiefste verletzenden Demonstration vor Beginn der „Rigoletto“-Aufführung am 7. März 1933 tückisch hervorbrach.
Über „Dichtung und Wahrheit“ der abscheulichen Denkschrift des Opernpersonals gegen Busch – von der sich nur fünf gerechtere Persönlichkeiten ferngehalten hatten, wird auch einmal die Theatergeschichte zu befinden haben. Die „Vernehmlassung“ an sich war ein unsicheres Revolutionsprodukt, diktiert von Borniertheit, überwallendem Übermut, Mißgunst, Neid, demagogischer Verleitung, Furcht und echter Verräterei…
Busch bleibt Busch. Überall wo er sich in der Folge – auch ein Stück Zigeuner steckt in ihm – künstlerisch zeigte, wurde er begeistert aufgenommen. Mir blieb er unvergessen.

Alfred Reucker, Intendant

 

Sie wissen aus unseren Briefen, wie wir heute noch von jener glanzvollen Epoche der Dresdner Staatsoper, die den Namen Fritz Busch umschließt, zehren. In all den vergangenen, schweren Jahren hat uns als größter Wunsch die Vorstellung beherrscht, noch einmal Ihren Gatten bei uns am Pult begrüßen zu dürfen.
Daß wir diese Sehnsucht jetzt begraben müssen, will uns unfaßbar erscheinen…
In unserem Innern vermögen wir den teuren Toten nur innigst zu danken. Unser Dank erstreckt sich auf all das, was er uns, unserer Stadt, unserem Vaterland und der deutschen Kunst durch die Kraft seiner genialen Persönlichkeit geschenkt hat. Darüber hinaus wird den Mitgliedern der Staatskapelle seine Güte und Menschlichkeit unvergessen bleiben.

Die Staatskapelle Dresden an Grete Busch zu Fritz Buschs 70. Geburtstag

 

„Ein kostbares Erbe“

Busch,-Grete--Troeber,-Arthur,-1966,-Busch-Archiv-for-web

Grete Busch mit Orchesterdirektor Arthur Tröber, 1966
© Foto aus dem Booklet – Max-Reger-Institut – BrüderBuschArchiv

Ich habe in Verehrung und Bewunderung sehr an Ihrem Gatten gehangen. Die Jahre, in denen es mir vergönnt war, unter ihm musizieren zu dürfen, sind die schönsten meines Lebens, wenn ich an meine Tätigkeit als Orchestermusiker zurückdenke.
Noch heute vermag ich keinen Brahms oder Reger, keinen Verdi oder Mozart zu musizieren, ohne daß ich die suggestive Kraft der genialen Persönlichkeit Fritz Buschs zu spüren glaube…
Die geistigen Kräfte, die er über ein Jahrzehnt bei uns ausgeströmt hat, sind heute noch lebendig. Sie wirken fort, und wir bewahren sie als ein kostbares Erbe.  

Arthur Tröber 1919-1969
Mitglied der Staatskapelle Dresden
und deren langjähriger Orchesterdirektor

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Mit Dank für die konstruktive Zusammenarbeit
an das Historische Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden
und das Max-Reger-Institut – BrüderBuschArchiv

Alle Texte, Dokumente, Fotos und Videos aus:  CD/DVD-Box Edition Staatskapelle Dresden Vol. 30