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Fritz Busch und Dresden  [12/15]

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Als gründlicher Deutscher verschaffte ich mir Hitlers „Mein Kampf“
und las das Buch mit aller Gewissenhaftigkeit.
Aus meiner instinktiven Ablehung der nationalsozialistischen Parteidoktrinen
wurde nach dem Studium dieses Buches nun eine bewusste Gegnerschaft.
Obwohl mir bekannt war, dass Moral und Politik in der Regel verschiedene Dinge sind,
konnte ich in diesem Fall nicht schweigen.
Ich hielt es nicht nur für mein Recht, sondern auch für meine Pflicht,
die völlig amoralische neue Lehre so eindeutig wie möglich zu bekämpfen.
                                                                                                                             
Fritz Busch

 

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Fritz Buschs Dienstkalender mit dem Eintrag „aus“ am 7. März 1933
© Dokument: BrüderBuschArchiv

 

Seiteninhalt

→  VIDEO  Wie Fritz Busch vertrieben wurde
  Kein „Deutscher Gruß in Dresdens Semperoper“
  Weder Links noch in der Mitte und keinesfalls Rechts
  „Aus!“
  „Ich verließ das Pult“
  „Aus Furcht und echter Verräterei“
  „Die deutsche Kunst säubern“
  Die wenigen Tapferen
  Und Strauss hüllt sich in Schweigen
  „Fritz Busch war uns verloren“

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Wie Fritz Busch im März 1933 aus Dresden vertrieben wurde

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Kein „Deutscher Gruß in Dresdens Opernhaus“

Wenn der Dresdner Generalmusikdirektor Einladungen zu deutschen Orchestern, nach Amerika, in verschiedene europäische Länder, zu den Festspielen nach Bayreuth und Salzburg folgte, schadete er gewiss nicht dem Renommee seines Hauses! Speziell die Feindseligkeiten der Nazis nahmen permanent zu. Sie warfen ihm privaten Umgang mit Juden, Beschäftigung von Ausländern und Juden sowie die Ablehnung der „nationalen Freiheitsbewegung“ vor; so hatte der Operndirektor in der Staatsoper das Zeigen des Hakenkreuzes als Abzeichen oder als Fahne sowie den „deutschen Gruß“ untersagt, spielte er nach wie vor jüdische Musik wie die Mendelssohns und Mahlers, suchte er sich seine Freunde nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern „nach ihren menschlichen und geistigen Fähigkeiten“ aus, weigerte er sich, Wahlveranstaltungen zu unterstützen oder ließ er bei Engagements Leistung und nicht Protektion entscheiden.
Als der NSDAP-Kreisleiter Cuno Meyer, ein Fabrikant von Kunstdünger, sich bei ihm nach einem Vorsingen über die Ablehnung einer „Parteigenossin“ beschwerte, antwortete ihm Busch als „Opernfachmann“ unmissverständlich, Herr Meyer solle sich um seinen „Mist kümmern und mir die Sorge um den meinen überlassen“! (Inhalt und Stil derartiger Äußerungen erweckten selbstverständlich alles andere als Sympathie auf der Gegenseite!).
1930 schließlich wurde im Landtag ein (von den Nazis dominierter) „Ausschuss zur Förderung und Überwachung der Kunst- und Personalpolitik sowie des Geschäftsbetriebes der Staatstheater“ eingesetzt. Spätestens damit waren dem Intendanten und dem Generalmusikdirektor die immer enger werdenden Spielräume ihres Wirkens nur allzu klar vor Augen geführt worden.

So waren trotz aller Erfolge auch innerhalb des eigenen Hauses verschiedentlich Spannungen auf Dauer nicht übersehbar, wenngleich deren Bedeutung weit unter den politisch motivierten Angriffen von außerhalb rangierte. Manche Sänger etwa fühlten sich benachteiligt bei der Vergabe der Partien (ein nicht an die Busch-Zeit gebundenes Problem, wie man weiß!).
Nach der Rückkehr von Gastpielen verlangte Busch vom gesamten Personal erhöhte Arbeitsbereitschaft für seine Projekte, was teilweise unverhältnismäßige Belastungen nach sich zog und Ungleichgewichte in der Dienstverteilung, Unzufriedenheiten und Nervositäten auslöste.
Die Kapellmeister Kutzschbach und Striegler, normalerweise schon dienstlich überlastet, hatten bei der Abwesenheit des Chefs dessen Aufgaben zusätzlich zu übernehmen, fühlten sich aber in der Beratung künstlerischer Angelegenheiten gegenüber Buschs Studienleiter und engstem Mitarbeiter Erich Engel, mit dem obendrein auch eine Reihe von Sängern nur ungern arbeitete, übergangen oder hintangesetzt. Als Busch zur Entlastung aller Dirigenten, besonders aber seiner eigenen umfangreichen Verpflichtungen, die Einstellung eines namhaften 1. Kapellmeisters von außerhalb beantragte (er dachte zum Beispiel an Leo Blech aus Berlin), soll sich besonders einer der beiden, auf ihre Art sicherlich sehr befähigten und verdienstvollen Hauskapellmeister nicht nur benachteiligt, sondern offensichtlich provoziert gefühlt haben.

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Weder Links noch in der Mitte und keinesfalls Rechts

Bei allem künstlerischen Höhenflug waren mit den Jahren Konfliktfelder nicht zu übersehen:
Im Landtag kritisierte man Buschs Spielplanpolitik: der Linken war sie nicht massenwirksam und gesellschaftskritisch bezogen, der Mitte nicht klassisch, der Rechten nicht „deutsch“ genug.
Man warf ihm öffentlich ein im Verhältnis zu seinen Leistungen zu hohes Gehalt vor („eine himmelschreiende Geldverschwendung“, las man 1931 in der „Dresdner Rundschau“) und monierte seine Abwesenheiten, obwohl ihm per Kontrakt sechs Wochen jährlich für Gastspielurlaube zustanden. (Um die eben genannte Zeitung noch einmal zu zitieren: „Was bleibt denn von Buschs persönlicher Arbeit übrig? An allen anderen führenden Opernhäusern Deutschlands wird vom 1. Kapellmeister verlangt, dass er seine ganze Kraft dem Institut widmet, das ihn bezahlt. Wenn Busch das nicht kann oder will, so muss er eben gehen.“)

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„Aus“!

Wie der „Dresdner Anzeiger“ am 8. März 1933 berichtete, stand Dresden am 7. März 1933 „im Zeichen gewaltiger nationalsozialistischer Kundgebungen“ mit dem Ziel, „dass nunmehr auf den wichtigen öffentlichen Gebäuden der sächsischen Hauptstadt die Hakenkreuzfahne gehisst werden solle.
15.00 Uhr marschierten SA und SS vor dem Rathaus auf und schritten unter dem „brausenden Jubel“ der Meute zur Tat. Oberbürgermeister Dr. Külz wagte zu protestieren und erntete „langandauernde stürmische Pfuirufe“.
Als man sich anschließend das Georgentor, den Landtag und den Turm des Ständehauses vornahm, es zu Bücherverbrennungen und Besetzungen öffentlicher Gebäude kam, muß in der Stadt eine Art Pogromstimmung geherrscht haben, auch wenn in der längst „gleichgeschalteten“ Presse natürlich nichts von Gegenaktionen und ebenso nichts über Schlägereien oder Verhaftungen steht (die Mitteilung im „Dresdner Anzeiger“ vom 9. März über den Tod eines SA-Mannes läßt allerdings auf schlimme Reaktionen schließen).

Posse-Alexis-for-web

Der sächsische NSDAP-Gaukunstwart Alexis Posse
„Am 7. März 1933 besetzte ich mit der SS die sächsischen Staatstheater und entfernte alle Schädlinge“ (…)

Das Opernhaus sollte gleichfalls am 7. März 1933 schwarz-weiß-rot und mit der Hakenkreuzfahne beflaggt werden. Die damit verbundene Vorgehensweise schloss sich folgerichtig an die Ereignisse des Nachmittags an. Im Zuge der dort zutage getretenen „nationalsozialistischen Euphorie“ gedachte man – wohl vorbereitet – sogleich auch das „Problem Busch“ rigoros mit zu lösen.

Verhaltensweisen wie die folgenden waren es, die Fritz Busch, der selbst kein Junde war an den nationalsozialistischen Pranger stellten:
„Privater Verkehr mit Juden und Beschäftigung von Juden und Ausländern im künstlerischen Personal (…)“, so der Vorwurf des Gaukunstwartes der NSDAP Posse.

Buschs Antwort darauf fällt eindeutig aus und zeugt von menschlicher Größe:
Meinen privaten Verkehr mit Juden betreffend halte ich es für selbstverständlich, mir meine Freunde auf Grund ihrer menschlichen und geistigen Fähigkeiten auszusuchen und halte es insbesondere im Falle der Not für die Pflicht jedes anständigen Menschen, seine Freunde nicht preiszugeben.
Was meine „juden- und ausländerfreundliche Personalpolitik“ anbelangt, so stehe ich als Künstler auf dem Standpunkt, dass allein die Leistung entscheidet. In den 11 Jahren meiner Dresdner Tätigkeit habe ich über 6000 Sänger in Dresden und auswärts geprüft, von denen 90% Deutsche waren; unter denjenigen, die ich abgelehnt habe, hat kein einziger im Verlauf dieser 11 Jahre an einer anderen Bühne vom Range der Dresdner Staatsoper Anstellung gefunden!
Meines Erachtens ist daraus zu schließen, daß, sofern gleichwertige Deutsche nicht gefunden wurden, die Verpflichtung von Ausländern nicht zu umgehen war. – Jedenfalls war das Ergebnis meiner „Personalpolitik“ ein Ensemble der schönsten Stimmen, was seit Jahren von der gesamten Presse anerkannt wurde. (…)  

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Eintragung-Noten-Rigoletto-1933-for-web

„Übernahme der Staatstheater durch die NSDAP. Busch beim Betreten des Orchesters ausgepfiffen.“
Handschriftlicher Vermerk des Ersten Hornisten in seine „Rigoletto“-Stimme.
© Dokument: Notenarchiv der Sächsischen Staatsoper Dresden

 

„Ich verließ das Pult …“

1933-Rigoletto-for-webFritz Busch wird an jenem 7. März 1933 zunächst in Gegenwart von 60 SS-Männern mit dem Handstreich des Gaukunstwartes der NSDAP, der groteskerweise den Namen Posse trug, seines Amtes enthoben, dann durch grölende und pfeifende SA-Horden am Dirigieren der „Rigoletto“-Vorstellung gehindert und vom Dirigentenpult vertrieben.
Daraufhin verlässt Busch das Opernhaus und wird es nie wieder betreten.

Nur der Orchesterdirektor Tröber und sein Violinkollege Kurt Strelewitz haben die Zivilcourage, sofort zusammen mit ihrem Chef den Orchestergraben zu verlassen. Die übrigen Kapellmitglieder verharren auf ihren Plätzen und spielen schließlich die Vorstellung unter der Leitung von Kapellmeister Kurt Striegler.

Es ist „nachvollziehbar, dass Fritz Busch das Verhalten seiner Kapelle – ihre „feige, passive Ruhe“, wie er sagte – in keiner Weise verstehen oder gar akzeptieren konnte und sofort jegliche weitere Zusammenarbeit ausschloss“, erinnert sich Tröber.
Die Frage wird wohl kaum jemals schlüssig zu beantworten sein, wodurch eine derartige Lethargie des Orchesters ausgelöst worden ist; ganz sicher nicht durch eine bewußt gemeinschaftliche Antihaltung gegen Busch.
War es der tiefe Schock über den so unerwartet und radikal über sie hereinbrechenden, durch den „braunen Mob“ ausgelösten Tumult, der sie lähmte?
War es die Dienstbeflissenheit der zur Disziplin erzogenen und verpflichteten musikalischen Staatsbeamten, die sie auf ihren Stühlen hielt?
War es überwiegend nichts weiter als Duckmäusertum oder Feigheit?
War es pure Angst um die persönliche Existenz und das kollektive Wohl in einem Augenblick, da die tagsüber in der Stadt nationalsozialistisch aufgeheizte Atmosphäre nun unmittelbar um sie herum, an der – wie sie noch immer glauben mochten – unantastbaren, „geheiligten Stätte der Kunst“ eskalierte?
Wie dem auch immer sei: Wer niemals in einer Diktatur gelebt hat, sollte sich heute in Zurückhaltung üben bei seinen Urteilen oder Verurteilungen jener Vorgänge im Orchestergraben.

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Aus Furcht und echter Verräterei

Wenige Tage später, am 19. März 1933, erschien folgende Mitteilung in der Presse:
Sämtliche Vorstände und die Mehrzahl der Mitglieder der Sächs. Staatsoper in Dresden haben dem kommissarischen Volksbildungsminister eine Entschließung zugeleitet, in der dem kommissarischen Generalintendanten Geheimrat Dr. Adolph die Bitte unterbreitet wird, zu verhindern, dass Generalmusikdirektor Fritz Busch in irgendeiner Funktion an die Sächsische Staatsoper zurückkehre. Busch sei weder künstlerisch noch menschlich qualifiziert, an der Staatsoper zu wirken. Der Regierung werde darüber eine Denkschrift zugehen.

Busch-Entschluss-Ensemble-for-WebDie Entschließung gegen Busch vom 12. März 1933 trägt die Unterschriften von:
Dr. Waldemar Staegemann · Kapellmeister Kurt Striegler · Friedrich Plaschke · Kapellmeister Hermann Kutzschbach · Karl M. Pembaur · Georg Brandt · Ludwig Eybisch · Ernst Hintze · Robert Burg · Heinrich Tessmer · Arthur Börner · Max Hirzel · Rudolf Schmalnauer · Willy Bader · Angela Koniak · Helene Jung · Robert Büssel · Eugenie Burkhardt · Hanns Lange · L. Ermold · Rudolf Dittrich · Curt Taucher · Horst Falke · Liesel von Schuch · Martin Kremer · Kurt Böhme · Rolf Schröder · Sven Nilsson ·Ernst Richter · Leo Wurmser · Elisa Stünzner · Tino Pattiera · Jesayka Koettrik · Maria Cebotari · Margit Bokor · Paul Schöffler · Elsa Wieber.

Nur Wenige brachten Mut und Kraft auf, dieses Pamphlet nicht zu unterschreiben. Der Mehrzahl der Mitglieder führte wohl, wie Alfred Reucker im Nachhinein feststellte, „Borniertheit, überwallender Unmut, Mißgunst, Neid, demagogische Verleitung, Furcht und echte Verräterei“ die Hand.
In der Kapelle selbst regte sich vereinzelter Widerstand, auch dagegen, dass einige NSDAP-Mitglieder hinter dem Rücken des Orchesters ein eigenes Memorandum gegen Busch verfaßt hatten.

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Die deutsche Kunst säubern

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Reichskommissar von Killinger

Inzwischen hatte eine Vollversammlung des Personals der Staatsoper stattgefunden, in der die neuen Parolen propagiert wurden, u.a. von Reichskommissar von Killinger:
„Es ist vorbei mit Pazifismus und Feigheit…
Wir wollen die deutsche Kunst wieder säubern…
Wir brauchen deutsche Kunst, sie soll unser Volk nicht zu Pazifisten erziehen, sondern zu Helden und Soldaten“
, und zu den Parteigenossen gewandt: „Ich weiß, was ihr zu erdulden hattet unter der falschen Führung…
Die alten Leiter der Staatstheater sind fort, mögen sie nicht wagen, weiter gegen die neuen Verhältnisse zu intrigieren!“

Der kommissarische Generalintendant Adolph forderte die Belegschaft auf, sich fortan leiten zu lassen „von dem Blick auf Adolf Hitler, den Verehrer Richard Wagners“ und fügte mit unüberhörber drohendem Unterton hinzu: „Dem Personal steht es frei, sich auf diesem Wege anzuschließen. Wer sich nicht anschließen will, der soll es aussprechen, er soll dann seinen Weg gehen.

Es ist klar, dass Fritz Busch ganz und gar nicht mehr in eine solche Welt gepasst hätte. Dem Kapellkollegen Strelewitz schrieb er 1947: „Es war vielleicht ganz gut so, wie es kam. Weggegangen aus Deutschland wären meine Frau, die Kinder und ich auf jeden Fall, da mir, wie Sie wissen, der Nazismus von seinen Anfängen aus tiefster Seele verhasst war.

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Nur fünf Dresdner Sängerinnen der jüngsten Generation brachten Mut und Kraft auf, die Entschließung gegen Busch nicht zu unterschreiben.
Das geht aus den maschinegeschriebenen Erinnerungen der persönlichen Assistentin von Fritz Busch hervor.
Die Fotos zeigen (v.l.n.r.:) Hilde Clairfried (im Dresdner Feuersturm am 13. Februar 1945 umgkommen), Erna Berger, Marta Fuchs, Camilla Kallab und Maria Elsner.
Dokument und Fotos: Historisches Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden

 

Die wenigen Tapferen

Obwohl es nicht ungefährlich und als „Intrigantentum“ im Sinne des Reichskommissars auszulegen gewesen wäre, hielten einzelne Musiker weiterhin Kontakt zu Fritz Busch.

Von meiner Frau bin ich darüber unterrichtet, wie Sie und Kollege Strelewitz neben dem prachtvollen Theo Bauer unermüdlich in meinem Interesse und zur Aufklärung der Wahrheit tätig sind. Niemals habe ich geglaubt, dass ich mich so gegen die gröbsten Unsinnigkeiten und Entstellungen einmal hätte verteidigen müssen …
Grüßen Sie, lieber Herr Tröber, insbesondere Herrn Strelewitz und alle diejenigen, die meiner noch wohlwollend gedenken.
Reger hatte recht: „Es gibt nichts dümmeres als die Mitwelt; das Schwein und der Künstler werden erst nach ihrem Tode geschätzt!“ Vorläufig lebe ich noch, und solange ich lebe, kämpfe ich.

Fritz Busch an Arthur Tröber, 30. März 1933

 

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Der Kapell-Musiker Theo Bauer
© Foto aus dem Booklet – Historisches Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden

Von Ihrer Erlaubnis, den Freunden in und außerhalb der Kapelle die Berichte über Ihre Ruhmestaten und deren begeisterte und allseitige Anerkennung durch Publikum und Presse mitzuteilen, habe ich ausgiebigen Gebrauch gemacht und dabei bestätigt gefunden, was mir eigentlich nie zweifelhaft war, dass nur ganz wenige etwas gemein haben wollen mit dem, was in der Panikstimmung des März an Geschichtsfälschung geleistet worden ist…
Ich wünsche Sie manchmal als Mäuschen in die Stimm- und Probenzimmer, damit Sie Zeuge sein könnten der Wandlungsfähigkeit in Bezug auf Überzeugungen und Werturteile.
Inoffiziell darf man es schon wagen, die letzten 11 Jahre der Entwicklung des Dresdner Opern- und Konzertwesens als besonders glücklich und die Ernte als außerordentlich ergiebig zu bezeichnen. Ich hoffe es aber zu erleben, dass auch der Chronist sich zu demselben Zugeständnis wird bequemen müssen…

Der Film „Tannhäuser“-Ouvertüre wurde vor geladenem Publikum – Kapelle und Anhang – vorgeführt.
Er läuft noch in vielen deutschen Städten und soll besonders in Stuttgart und Leipzig sehr bejubelt worden sein.
Hier blieben ihm die großen Lichtspielhäuser verschlossen – irgendwo in Striesen war man weniger ängstlich.

 Theo Bauer an Fritz Busch, 26. Oktober 1933

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Und Strauss hüllt sich in Schweigen

Theo Bauer schrieb an Richard Strauss, der Busch nach den großartigen Uraufführungen mit höchstem Lob bedacht hatte und ihm die zur Uraufführung in Dresden anstehende „Arabella“ widmen wollte:
„In den Sonnabendblättern stand die Meldung zu lesen, dass sämtliche Vorstände und das gesamte Solopersonal der Oper dem Kommissarischen Generalintendanten die Bitte unterbreitet hätten, er möge verhindern, dass Fritz Busch in irgendeiner Form wieder an die Dresdner Oper zurückkehre, da er menschlich und künstlerisch nicht qualifiziert sei, an diesem Institut zu wirken. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass die Kapelle und ihr Vorstand dieser Petition, der eine Denkschrift folgen soll, fern steht.
Ohne zu den einzelnen Vorwürfen, die gegen Busch erhoben werden, Stellung zu nehmen, kann ich versichern, dass innerhalb der Kapelle auch von persönlichen Gegnern des Generalmusikdirektors diese Wendung der Dinge tief bedauert wird, und dass man die Erklärung des Solopersonals, Busch fehle die künstlerische Eignung für seine Stellung, geradezu als grotesk empfindet. Obwohl durch die Situation eine gewisse Zurückhaltung in Äußerungen geboten ist, stehe ich nicht an, es auszusprechen, dass ein Teil der Unterzeichner in persönlicher Verärgerung gegen seine bessere Überzeugung Busch als Künstler angreift, dass bei vielen anderen die Angst vor eventuellen Nachteilen den Ausschlag gab und wieder andere bloße Nursänger, die wie Papageien abgerichtet werden müssen, gar nicht in der Lage sind, einen Dirigenten zu beurteilen…
Der kommissarische Generalintendant ist Jurist und nicht Künstler, und so gewinnt die Erklärung des Solopersonals leider eine verhängnisvolle Bedeutung …
Die Kapelle hat s. Z. die Berufung Buschs gegen den Willen des Solopersonals durchgesetzt und würde, wäre sie nicht teilweise verhetzt oder verschüchtert, auch heute noch die Macht haben, sein Verbleiben auch gegen die Unterzeichner jener Eingabe durchzusetzen. Aber es scheint nicht die Absicht zu bestehen, die Kapelle überhaupt zu befragen. Als altes Mitglied nahe an der Altersgrenze, habe ich nichts anderes im Auge, als das Wohl des Instituts, wenn ich auch als Jünger zum Meister und alter Bekannter heute in Ehrerbietung zu Ihnen komme und Sie vertraulich und herzlich bitte, womöglich einen Weg zu finden, um Busch in irgend einer Form eine Genugtuung zu verschaffen.

Theo Bauer an Richard Strauss, 20. März 1933

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„Fritz Busch war uns verloren“

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Auf dem Weg in die Emigration 1933:
Fritz Busch mit Sohn Hans Peter auf dem Dresden Hauptbahnhof
© Foto aus dem Booklet – BrüderBuschArchiv

Der unermüdliche Theo Bauer startete außerdem eine mutige Intervention beim Orchestervorstand mit der Forderung, dass dieser sich im Namen der Kapelle von jener „missverständlichen Erklärung der Vorstände und der meisten Mitglieder des Solopersonals mit tunlichster Beschleunigung“ distanzieren müsse, dass Busch menschlich und künstlerisch unfähig sei, ein Institut wie die Sächsische Staatsoper zu führen:

Da sie (die Kapelle) 10 Jahre lang der Überzeugung lebte, einen der bedeutendsten lebenden Dirigenten an ihrer Spitze zu haben, wäre sie auf ewige Zeiten blamiert, wenn sie diesen Unsinn unwidersprochen liesse.
Und: „Es ist nicht anzunehmen, dass alle die Tausende und Abertausende, die in der Dresdner Oper Zeugen sehr vieler glanzvoller Aufführungen gewesen sind, an der gleichen bedauerlichen Gedächtnisschwäche leiden wie die Unterzeichner jener Erklärung.

Busch-Reisepass-1933-for-webAber auch dieser Vorstoß blieb folgenlos. Arthur Tröber, Schüler und Freund Bauers, resümierte resigniert:
All unser Bemühen war vergeblich. (…) Die Folgen des Pfeifkonzerts in unserem Opernhaus vermochte niemand mehr zu reparieren.
Fritz Busch war uns verloren.
“ 

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Mit Dank für die konstruktive Zusammenarbeit
an das Historische Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden
und das Max-Reger-Institut – BrüderBuschArchiv

Alle Texte, Dokumente, Fotos und Videos aus:  CD/DVD-Box Edition Staatskapelle Dresden Vol. 30