Gewandhausorchester-Logo

 


Hermann Paul Maximilian Abendroth

 

Abendroth-for-web

Hermann Paul Maximilian Abendroth
* 1883 in Frankfurt am Main, † 1956 in Jena
Foto aus dem Booklet – Gewandhausarchiv

Von einer Zeit des „Bewahrens und Bewährens“ spricht die Chronik zu den „Gewandhauskonzerten zu Leipzig“ von Johannes Forner und umschreibt mit dieser Charakterisierung die Situation für das Leipziger Orchester und seinen Kapellmeister in den braunen Jahren zwischen 1933 und 1945.
„Als die Nachricht von der Berufung Hermann Abendroths die Runde machte, konnte ein allgemeines Aufatmen konstatiert werden. Schon einmal war der Chef des Gürzenich-Orchesters (von 1915 bis 1934), Gründer des Kölner Kammerorchesters und Professor am Kölner Konservatorium als Kandidat für das Leipziger Amt im Gespräch gewesen: 1922, nach Nikischs Tod, galt er als Favorit des Orchesters. (…)
Immerhin war dies schon erstaunlich, daß ein relativ junger Dirigent als Nachfolger der singulären Persönlichkeit Nikischs eine Chance gehabt hatte. Doch Abendroths Vorzüge wie Werkkenntnis nicht nur des üblichen Konzertrepertoires, Solidität im handwerklichen Können, das unbedingte Streben, sich in den Dienst des Werkes zu stellen, sein sicheres Auftreten als Konzertdirigent (der war er zeit seines Lebens vornehmlich), nicht zuletzt seine gute äußere Erscheinung lassen damalige Wünsche durchaus verständlich sein. Letztendlich fiel dennoch die Wahl auf Wilhelm Furtwängler. Nun aber, 1934, war Abendroth der Wunschdirigent geworden: ‚Wenn Abendroth eine so wichtige und einflussreiche Stellung wie seinen Kölner Wirkungskreis aufgibt und dem Rufe an das Gewandhaus folgt, so kann man wohl ohne weiters annehmen, daß ihn die besondere Eigenart dieses Instituts anzieht und daß die Übersiedlung nach Leipzig für ihn mehr bedeutet als einen bloßen Stellungswechsel’, so die ‚Zeitschrift für Musik’ zum Amtsantritt des Neuen Gewandhauskapellmeisters im Oktober 1934.“

Allerdings darf heute auch jener bittere Beigeschmack, den es mit seiner Berufung gab, nicht verschwiegen werden, denn Abendroth trat die Nachfolge von Bruno Walter an, der wegen seiner jüdischen Herkunft auf Anweisung des Sächsischen Innenministeriums aus seinem Amt als Gewandhauskapellmeister vertrieben worden war.

Künstlerisch zeichnet sich die Ära Abendroth aus durch „Solidität im handwerklichen Können“ und ein „unbedingtes Streben, sich in den Dienst des Werkes zu stellen“, so die Gewandhaus-Chronik. Keinem jedoch konnte entgehen, wie sehr die Spielplanpolitik unter der nationalsozialistischen Rassenlehre litt. Nach der Eliminierung aller Werke jüdischer Komponisten wurden zunehmend auch solche von Tonsetzern aus den „Feindstaaten“ aus dem Repertoire gestrichen.
Daher war nur noch eines möglich: die verbleibenden Werke des 18. und 19. Jahrhunderts in überzeugenden Wiedergaben aufzuführen“, so die Chronik. Oder sich auf die Suche nach vergessenen Werken zu begeben und diese dann für die wöchentliche Radiosendung des Deutschlandsenders – mitten im „Totalen Krieg“ – aufzunehmen, wie beispielsweise die wiederentdeckte „Maurische Rhapsodie“ von Engelbert Humperdinck. Dass das Gewandhausorchester vom Großdeutschen Rundfunk überhaupt als Träger einer eigenen Sendereihe auserkoren wurde, dürfte nicht zuletzt der Tatsache einer im August 1944 erfolgten Eintragung von Abendroths Name in die von Adolf Hitler genehmigte „Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Dirigenten“ und seiner damit verbundenen Präsenz geschuldet sein.
Wenn nun dadurch Abendroth nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ politisch als schwer belastet galt, sollten wir heute aber auch bedenken, dass er – seine Bekanntheit nutzend – das Gewandhausorchester vor einem Kriegseinsatz und der daraus resultierenden Auflösung bewahren konnte. Am 29. November 1945 dirigierte Abendroth sein letztes Konzert als Gewandhauskapellmeister, da die Stadt Leipzig sein Dienstverhältnis auf Anweisung der Landesbehörden Sachsens auflösen musste. Obwohl er 1945 kurzfristig auf der „Schwarzen Liste“ der US-Militärregierung stand, wurde er an die Hochschule für Musik in Weimar als Leiter der Dirigentenklasse und zum musikalischen Oberleiter des Deutschen Nationaltheaters und damit der Staatskapelle Weimar berufen und 1947 zum Generalmusikdirektor ernannt.
1949 übernahm er die Leitung des Rundfunk-Sinfonieorchesters des Mitteldeutschen Rundfunks und 1954 des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters.
Seine letzte Ruhestätte fand er 1956 auf dem Ehrengräberfeld des Historischen Friedhofs in Weimar.

Steffen Lieberwirth
Text aus dem Booklet

  zurück


 

CDs mit Hermann Abendroth

Titel-Edition-Gewandhausorchester-Vol-4-for-web