Wie ein Echo aus längst vergangener Zeit …

Die Bach-Kantaten-Sendungen aus Leipzig  ·  1931-1939

 

 

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„Zum allererstenmal werden nun die sämtlichen uns überlieferten Bach-Kantaten systematisch aufgeführt.
Ganz Deutschland wird Gelegenheit haben, an dieser großen Kulturarbeit des Mitteldeutschen Rundfunks teilzunehmen.
Meister Karl Straube führt uns in das bisher nur teilweise bekannte musikalische Wunderland, die Thomaner, das Gewandhausorchester, Günther Ramin (Orgel), ausgewählte Solisten werden ihm zur Seite stehen.
Möge jede Darbietung zu einem Fest für die Ausführenden wie für die Hörer werden!“

DIE MIRAG, 4. April 1931

Die beiden 105 Meter hohen Sendemasten des Leipziger „MIRAG-Großsenders“ waren ab 1926 betriebsbereit und standen zwischen dem Gebäude der Deutschen Bücherei und dem Ausstellungsgelände der Technischen Messe. Von hier wurde auch die sonntägliche Bach- Kantate auf Mittelwelle 259,3 ausgestrahlt. Foto aus dem Buch - DRA

Die beiden 105 Meter hohen Sendemasten des Leipziger „MIRAG-Großsenders“ waren ab 1926 betriebsbereit und standen zwischen dem Gebäude der Deutschen Bücherei und dem Ausstellungsgelände der Technischen Messe. Von hier wurde auch die sonntägliche Bach-Kantate auf Mittelwelle 259,3 ausgestrahlt.
© Foto aus dem CD-Buch – Quelle: DRA

 

 

Inhaltsverzeichnis

  CD-Inhalt
  Leipzig als „der Musiksender“
  Wie ein Echo aus längst vergangener Zeit
  Auf der Suche nach Übertragungsort und Sendezeit für Bach-Kantaten
  Europas „größte gemeinsame Rundfunkveranstaltung“
  „Sonntag vormittag 1/2 12“
  Das AUS für die Kantaten-Sendungen
  Akte „die Aufführungen u. Uebertragungen der Kantaten durch die Mirag betr.“
  Karl Straube in einem Interview des Mitteldeutschen Rundfunks vom 6. Januar 1948
  Dank

 

 CD-Inhalt

Die vorliegende Doppel-CD setzt die vom querstand-Label in Zusammenarbeit mit dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR Figaro) und dem Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) herausgegebene neue CD-Serie fort.
Sie enthält Aufnahmen des Gewandhausorchesters, die in den Jahrzehnten seit 1929 eingespielt wurden und seither in den Archiven schlummerten.
Zahlreiche Schätze warten darauf, gehoben zu werden und dem Hörer von heute zum einen die verblüffende Kontinuität in der Kultivierung bestimmter Klangaspekte des Orchesters, zum anderen aber natürlich auch die immense spiel- wie produktionstechnische Weiterentwicklung in diesen Jahrzehnten zu demonstrieren.
Die Verbindung zwischen dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester reicht weiter zurück als „nur“ bis 1840. In diesem Jahr wurde die Rolle des Orchesters bei der Leipziger Kirchenmusik zwar auf eine neu fixierte Basis gestellt, aber Musiker des Gewandhausorchesters begleiteten den Thomanerchor schon Jahrzehnte zuvor, und umgekehrt übernahmen die Thomaner bisweilen die Chorparts bei Gewandhauskonzerten. Diese Kooperation blieb, wenngleich in unterschiedlichen Konstellationen und Intensitäten, bis heute lebendig.
Auch bei den zwischen 1931 und 1939 von der Mitteldeutschen Rundfunk AG ausgestrahlten Sendungen mit den damals noch wenig bekannten Bach-Kantaten kooperierten die beiden Leuchttürme der Leipziger Musikwelt miteinander.
Die Doppel-CD enthält fast alle noch in abspielbarem Zustand erhaltenen Mitschnitte dieser Kantatensendungen und damit einzigartige Zeugnisse der Bachpflege in Leipzig, die eine immense Strahlkraft auch jenseits der deutschen Grenzen entfaltete.
Die CDs sind wie schon bei Vol. 1 und 2 in einem Festeinband mit DVD-Größe enthalten, das zugehörige Booklet wirft textlich und mit dem reichlichen Bildmaterial einen eindrucksvollen Blick in Leipzigs Musikgeschichte.  

 

CD 1

Plattenschneider-Aufzeichnungen von Rundfunk-Live-Übertragungen der Reichssendung „Die Bach- Kantate“
aus den Jahren 1931/32, live ausgestrahlt von der Mitteldeutschen Rundfunk-AG
aus dem Konferenzsaal des Grassi-Museums in Leipzig
sowie ab Mitte November 1931 aus dem Concertsaal des Ersten Neuen Gewandhauses zu Leipzig:

Johann Sebastian Bach 1685—1750
Lobet Gott in seinen Reichen (BWV 11)  32:52
Kantate am Fest Christi Himmelfahrt für Soli, Chor und Orchester. Textdichter unbekannt
1    Lobet Gott in seinen Reichen (1) Chor  6:53
2    Der Herr Jesus hub seine Hände auf (2) Rezitativ für Tenor  0:42
3    Ach, Jesu, ist dein Abschied schon so nah? (3) Rezitativ für Baß  1:35
4    Ach, bleibe doch, mein liebstes Leben (4) Arie für Alt  7:40
5    Und ward aufgehoben zusehends (5) Rezitativ für Tenor  0:38
6    Nun lieget alles unter Dir (6) Choral 2:09
7a  Und da sie ihm nachsahen gen Himmel fahren (7) Rezitativ für Tenor und Baß  3:08
7b  Ach ja! So komme bald zurück (7b) Rezitativ für Alt
7c  Sie aber beten ihn an (7c) Rezitativ für Tenor
  Jesu, deine Gnadenblicke (8) Arie für Sopran  5:47
9    Wenn soll es doch geschehen (9) Choral  4:20 [Eingangstakte des Schlusschorals nicht mehr abspielbar]

Anni Quistorp, Sopran I Frieda Dierolf, Alt I Hans Schubert-Meister, Tenor I Karl August Neumann, Bariton
Carl Bartuzat und Albert Hein, Flöte I Karl Biebl und Heinrich Teubig, Oboe I Günther Ramin, Orgel I Friedbert Sammler, Cembalo

Mitschnitt der Sendung vom 14. Mai 1931 im Grassi-Museum Leipzig Recording made at the Grassi Museum on May 14, 1931

 

Aus: Ich ruf ’ zu dir, Herr Jesu Christ (BWV 177)
Kantate zum 4. Sonntag nach Trinitatis für Soli, Chor und Orchester. Textdichter: Johann Agricola (1494 – 1566)
10   Ich ruf ’ zu dir, Herr Jesu Christ (1) Chor  8:35
11    Laß mich kein’ Lust noch Furcht von Dir (4) Arie für Tenor  7:42
12   Ich lieg’ im Streit und wiederstreb’ (5) Choral  2:01

Martin Kremer, Tenor Karl Münch, Violine I Fritz Rein, Horn I Carl Schaefer, Fagott I
Günther Ramin, Orgel I Friedbert Sammler, Cembalo

Mitschnitt der Sendung vom 28. Juni 1931 im Grassi-Museum Leipzig

 

Aus: In allen meinen Taten (BWV 97)
(Bestimmung nicht überliefert) Textdichter: Paul Fleming (1609 – 1640)
13   Nichts ist es spat und frühe (2) Arie für Baß  4:53
14   Orchestervorspiel vor der Tenor-Arie „Ich traue seiner Gnaden“ (4)  1:54
15   Hat er es denn beschlossen (7) Duett für Sopran und Baß  5:01
16   Ihm hab’ ich mich ergeben (8) Arie für Sopran  4:31
17   So sei nun, Seele, deine (9) Choral  1:31

Ilse Kögel, Sopran I Max Meili, Tenor I Karl August Neumann, Bariton
Karl Münch, Violine I Rudolf Kempe und Walter Heinze, Oboe I Günther Weigelt, Fagott I Max Fest, Orgel I Friedbert Sammler, Cembalo

Aufnahme vom 23. August 1931 im Grassi-Museum Leipzig
[Schellackplatten unvollständig überliefert]

 

Aus: Erhöhtes Fleisch und Blut (BWV 173)
Kantate zum 2. Pfingsttag. Textdichter unbekannt
18  Gott will, o ihr Menschenkinder (3) Arie für Alt  2:12
19  So hat Gott die Welt geliebt (4) Duett für Sopran und Baß  1:41 [Schluss nicht mehr abspielbar]
20  Unendlichster, den man doch Vater nennt (5) Rezitativ für Sopran und Tenor  1:38 [Anfang nicht mehr abspielbar]
21  Rühre, Höchster, unsern Geist (6) Chor  2:58 [In dieser Rundfunkübertragung wirkte der Thomanerchor nicht mit. Deshalb wurde der Schlusschor vom Solistenquartett gesungen.]

Ilse Kögel, Sopran I Margarethe Krämer-Bergau, Alt I Hanns Fleischer, Tenor I Kurt Wichmann, Baß
Günther Ramin, Walcker-Orgel des Neuen Gewandhauses I Friedbert Sammler, Cembalo

Aufnahme vom 16. Mai 1932 im Concertsaal des Ersten Neuen Gewandhauses zu Leipzig
[Schellackplatten unvollständig überliefert]

 

Aus: Du Hirte Israel, höre (BWV 104)
Kantate zum Sonntag Misericordias Domini. Textdichter unbekannt
22   Der Herr ist mein getreuer Hirt (6) Choral  1:57

Max Fest, Orgel I Friedbert Sammler, Cembalo

Aufnahme vom 19. April 1931 im Grassi-Museum Leipzig

 

CD2

Letzte erhaltene Plattenschneider-Aufzeichnung aus der Sendereihe „Die Bach-Kantate“ vom 18. April 1937, aufgenommen im Großen Concertsaal des Ersten Neuen Gewandhauses und ausgestrahlt vom Reichssender Leipzig:

Johann Sebastian Bach (1685 —1750)
Freue dich, erlöste Schar (BWV 30) 42:27
Kantate zum Fest Johannis des Täufers für Soli, Chor und Orchester. Textdichter unbekannt
1   Freue dich, erlöste Schar (1) Chor  4:45
2   Wir haben Rast, und des Gesetzes Last ist abgetan (2) Rezitativ für Baß  1:08
3   Gelobet sei Gott (3) Arie für Baß  5:29
4   Der Herold kömmt und meldt den König an (4) Rezitativ für Alt  1:03
5   Kommt, ihr angefochtnen Sünder (5) Arie für Alt  7:36
6   Eine Stimme lässt sich hören (6) Choral 1:47
7   So bist du denn, mein Heil, bedacht (7) Rezitativ für Baß 1:21
8   Ich will nun hassen (8) Arie für Baß 5:41
9   Und obwohl sonst der Unbestand (9) Rezitativ für Sopran 1:22
10 Eilt ihr Stunden (10) Arie für Sopran 5:55
11 Geduld, der angenehme Tag kann nicht mehr weit noch lange sein (11) Rezitativ für Tenor 1:29
12 Freue dich, geheiligte Schar (12) Chor 4:51

Helene Fahrni, Sopran I Henriette Lehne, Alt I Paul Reinecke, Tenor I Johannes Oettel, Baß
Edgar Wollgandt, Violine I Willy Gerlach und Hans Brückner, Oboe I Helmut Schlövogt, Oboe d’amore I Erwin Milzkott, Flöte I Heinrich Teubig, Trompete I
Friedbert Sammler, Cembalo I Günther Ramin, Walcker-Orgel des Neuen Gewandhauses

Einzige erhaltene Plattenschneider-Aufzeichnung der Rundfunk-Live-Übertragung der nun in „Sonntagsmusik“ umbenannten Sendung vom 22. Oktober 1939 aus dem Großen Concertsaal des Ersten Neuen Gewandhauses, ausgestrahlt durch den Reichssender Leipzig

O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe (BWV 34) 23:17
Kantate zum 1. Pfingsttag. Textdichter unbekannt
13  O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe (1) Chor 11:44
14  Herr, unsre Herzen halten dir dein Wort (2) Rezitativ für Tenor  1:06
15  Wohl Euch, ihr auserwählten Seelen (3) Arie für Alt  9:22
16  Erwählt sich Gott die heil’gen Hütten (4) Rezitativ für Baß  0:47
17  Friede über Israel! (5) Chor  0:18 [Mit den Worten „Israel“ reißt die Aufnahme ab. An dieser Stelle ist die Schellackplatte zerstört.]

Charlotte Wolf-Matthäus, Alt I Paul Reinicke, Tenor I Richard Franz Schmidt, Baß
Friedbert Sammler, Cembalo I Heinrich Fleischer, Walcker-Orgel des Neuen Gewandhauses

Letzte nachgewiesene Rundfunkaufnahme Karl Straubes als Thomaskantor 
[Schellackplatten unvollständig überliefert

 

Bonus-Tracks: 

18   Karl Straube in einem Interview des Mitteldeutschen Rundfunks
vom 6. Januar 1948 anlässlich seines 75. Geburtstages    11:43

Aus: Sie werden euch in den Bann tun (BWV 44)
Kantate am Sonntag Exaudi für Soli Chor und Orchester. Textdichter unbekannt
19  So sei nun, Seele, deine (7) Choral  1:02

Max Fest, Orgel I Friedbert Sammler, Cembalo I Walter Heinz und Karl Biebl, Oboe

Aufnahme vom 17. Mai 1931 im Grassi-Museum Leipzig Recording made at the Grassi Museum on May 17, 1931 [Schellackplatten unvollständig überliefert]

 

Karl Straube mit dem Thomanerchor und Mitgliedern des Gewandhausorchesters während einer Kantaten-Übertragung im Neuen Gewandhaus

Karl Straube mit dem Thomanerchor und Mitgliedern des Gewandhausorchesters während einer Kantaten-Übertragung im Neuen Gewandhaus

 

Leipzig als „der Musiksender“

Wohl jeder hat die markante Bläsersignal-Kennung schon einmal gehört, mit der heutzutage europaweit ausgestrahlte Radiosendungen festlich eröffnet werden. Aber kaum jemand weiß noch, dass die Geburtsstunde dieses Sender übergreifenden Radio-Zusammenschlusses für turnusmäßige Musikübertragungen im Jahr 1931 schlug. Und zwar ausgehend von Leipzig!

Doch nicht etwa die Gewandhauskonzerte stoßen damals auf internationales Interesse; es ist das Renommee der Leipziger Bach-Pflege durch den Thomanerchor unter der Leitung von Karl Straube, das quasi als klingendes Markenzeichen Sonntag für Sonntag die mitteldeutsche Musikstadt repräsentiert.

Damalige Leipziger Zeitungen sprechen stolz und völlig zurecht von der bis dato „größten gemeinsamen Rundfunk-Veranstaltung Europas“!

Rundfunktechnisch war der Mitteldeutschen Rundfunk AG (MIRAG) als dem „Gebenden Sender“ Meisterliches gelungen, bedenkt man, dass die Aufnahme- ebenso wie die Übertragungstechnik des Rundfunks noch immer recht störanfällig waren. Gerade deshalb verlangte der Tatendrang jener Rundfunkpioniere Respekt und hat ihn wohl von der Hörerschaft auch bekommen, denn von nun an nannte man das Leipziger Funkhaus dank seines erlesenen Programmangebotes deutschlandweit liebevoll nur den „Musiksender“ …

 


Wie ein Echo aus längst vergangener Zeit

Bach-Kantate-PfingstenEs ist ein ebenso radiogeschichtlicher wie dokumentarischer Glücksfall, dass der Mitteldeutsche Rundfunk seine Live-Übertragungen des ersten Bach-Kantatenjahrganges 1931/32 parallel zu deren Ausstrahlung auf Wachsfolie aufgezeichnet hat. Später ließ die MIRAG davon in geringen Stückzahlen Schellackplatten zu Dokumentationszwecken und wohl auch für den Programmaustausch der Sender pressen. Natürlich bekamen zudem der Thomanerchor, das Gewandhausorchester und Karl Straube für rein private Zwecke die Schellackplatten mit den Mitschnitten ihrer Konzerte.

Zwar nicht mehr vollständig, aber doch in beachtlichen Teilen erhalten, „überlebte“ in Leipzig wohl nur die Sammlung des Thomanerchores. Heute werden diese zerbrechlichen Rundfunk- Tondokumente als Dauerleihgabe von den Mitarbeitern des Leipziger Bach-Archivs sorgfältig behütet.

Auch das Berliner Archiv der Reichsrundfunk-Gesellschaft RRG besaß Leipziger Kantaten-Schellackplatten. Diejenigen, die nicht Opfer von bewussten Zerstörungen oder als Beutekunst in den Nachkriegswirren geraubt worden sind, werden heute in den Sammlungen des Deutschen Rundfunkarchivs in Frankfurt am Main verwahrt.

Trotz der unwiederbringlichen Verluste sind immerhin 28 Kantaten – wenngleich größtenteils nicht mehr vollständig – überliefert. 22 davon sind Aufzeichnungen der ersten Kantatensendungen des Jahrganges 1931 aus dem Grassi-Museum und sechs Kantaten dokumentieren die Sendung nach ihrem Umzug in den Großen Concertsaal des Neuen Gewandhauses ab 1932 bis 1939. Gleichzeitig bekommen wir dank dieser frühesten erhaltenen Tondokumente einen Eindruck von Charakter, Ansprechhaltung und Klangbild mitteldeutscher Radiosendungen.

 

Aus dem Rundfunkstudio im Grassi-Museum

www 03 GrassiZur Übertragung der Bach-Kantaten schaltete das MIRAG-Funkhaus am Markt 8 jeweils sonntags 11.30 Uhr in den Saal des Grassi-Museums zum Rundfunksprecher, der von dort die Hörer der angeschlossenen Sender begrüßte und eine kurze Werkeinführung gab. [CD 2 Track 13]

Die Aufnahmen selbst – knapp 12 Stunden sind erhalten – geben viel von jener Anspannung und elektrisierenden Konzentration einer Live-Übertragung im Radio preis. Da purzeln Noten auf die Cembalo-Tastatur, da wird das Mikrofon während der Aufnahme umgesetzt oder gar ausgetauscht, da regelt der Tontechniker die Lautstärke mittels handtellergroßer Schalthebel hörbar nach und wir erleben Straube, wie er mit einem akzentuierten Fußaufschlag seinem Einsatz Nachdruck verleiht oder wie er deutlich erleichtert nach einer schweren Orchesterstelle durchatmet. Doch all das macht eben den ganz besonderen Reiz der knisternden Schellackmitschnitte aus. Ja, es scheint so, als würden wir im Nachhinein beim Zuhören noch selber mitfiebern, auf dass nur keine allzu großen Pannen passieren mögen.

Und noch ein wichtiges Detail am Rande darf nicht vergessen werden: Im gleichen Jahr 1931, da die MIRAG mit ihren Sendungen des Bach- Kantatenzyklus begonnen hatte, gab sich der Leipziger Sender ein neues, höchst bezeichnendes Pausenzeichen:
Er meldete sich ab 20. Juli 1931 durch Schläge auf Metallzungen mit dem Motiv „b-a-c-h“!

Steffen Lieberwirth

 

www 03 Thomanerchor Grassi

 

Auf der Suche nach Übertragungsort und Sendezeit

Der Entscheidung für den Kongresssaal des Grassi-Museums waren aufwendige Überlegungen und rundfunktechnische Prüfungen vorausgegangen:

„Besprechung mit Herrn Prof. D. Dr. Straube und Herrn Prof. Dr. Neubeck wegen Rundfunkübertragung von Bach-Kantaten am 29. 12. 1930:
– Die Aufführung der Kantaten am Sonntag Nachmittag (gedacht war an 18 Uhr) ist nicht möglich, weil der Thomanerchor dadurch seinen freien Nachmittag in der Woche einbüßen würde.
– Die Aufführung am Vormittag 9 Uhr in der Thomas- und Nikolaikirche an Stelle der bei den Kirchenmusiken gespielten gekürzten Kantaten ist nicht möglich, weil die auswärtigen Sender, auf die die Aufführungen regelmäßig übertragen werden sollen, für diese Zeit ihre Programme schon anderweitig festgelegt haben.
– Außerdem würden durch die Kirchenbesucher, die während der Aufführungen kommen würden (Beginn des Gottesdienstes ½ 10 Uhr), die Übertragungen gestört werden.
– Sodann eignet sich die Nikolaikirche nicht für Übertragungen, weil sie überakustisch ist.
– Da Orgel und Cembalo benötigt werden, kämen außer der Thomaskirche für die Aufführungen nur das Konservatorium oder die Universitätskirche (Cembalo würde hier durch ein vorhandenes Tafelklavier ersetzt werden können) in Frage.
Es soll versucht werden, die Kantaten um 11 oder ½ 12 Uhr im Konservatorium aufzuführen.
Herr Prof. Dr. Neubeck erklärte sich damit einverstanden, dass an den Rat für die Orchestergestellung für jede Übertragung – gleichgültig welche Besetzung erforderlich ist – eine Pauschalsumme von 600 RM gezahlt wird. (Herr Prof. D. Dr. Straube erklärte, daß die Kantaten mit der gleichen Besetzung wie die bisherigen Kirchenmusiken aufgeführt werden.)
Eine etwaige Entschädigung der Stadtorchestermitglieder würde Sache des Rates (der Stadt Leipzig) sein.
Die Entschädigung für Herrn Prof. D. Dr. Straube, den Thomanerchor, die Miete für das Konservatorium, die Kosten für Notenbeschaffung und alle sonstigen Unkosten würden von der MIRAG getragen werden.
Die Möglichkeit, die Kantaten um 11 oder ½ 12 Uhr anzusetzen (4 Dienste! Kirchenmusik, Kantate, Oper nachm. Oper abends.), ist zunächst erst noch mit dem Orchester zu besprechen. Würde dieser Plan scheitern, so soll erwogen werden, für die Aufführung das Sinfonieorchester (des Rundfunks) heranzuziehen. (…)

 

Europas „größte gemeinsame Rundfunk-Veranstaltung“

Mitte Dezember 1930 erhielt Thomaskantor Straube ein Schreiben vom Intendanten der MIRAG mit folgendem Inhalt:

Vertrag der MIRAG zur Übertragung der Bach-Kantaten durch das Gewandhausorchester vom 28. März 1931

„Sehr verehrter Herr Professor!
Verzeihen Sie, wenn ich mir erlaube, heute Ihre Aufmerksamkeit für eine ausserordentlich bedeutsame Sache in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich um folgendes:
Schon vor längerer Zeit trugen wir uns mit dem Gedanken, einmal sämtliche Kantaten von Bach durch Rundfunk zu übertragen.
Vor mehreren Monaten, fast zu gleicher Zeit, fasste auch die Berliner Funkstunde denselben Plan und begann mit der Einstudierung einer Kantate. Aber die Schwierigkeiten waren auch dort zu gross, und nun hat der Intendant der Funkstunde, Dr. Flesch, bei unserer letzten Konferenz wiederum den Plan erwogen und den Vorschlag gemacht, unsere Arbeitsgemeinschaft, Berlin, Königsberg, Breslau und Leipzig, möge Mittel und Wege finden, damit vom Januar [1931] an sämtliche Bach-Kantaten unter Ihrer Leitung mit den Thomanern übertragen werden können.
Ich halte diese Angelegenheit für so hochbedeutsam und so kulturell einschneidend, dass unsererseits nichts unversucht gelassen werden kann.
Daher richte ich an Sie die höfliche Anfrage, ob Sie geneigt wären, Ihre Zustimmung zu geben.
Darf ich bitten, mir postwendend zu antworten bzw. anzugeben, wann und wo wir uns sprechen könnten? Berlin drängt auf eine schnelle Entscheidung.

Mit hochachtungsvoller Begrüssung
Ihr sehr ergebener gez. Dr. Neubeck“

 

 

Sonntag vormittag 1/2 12 Uhr

Gruene-Post-_19_4_1936_Kantatensendung_11-for-webAm 5. April, Ostersonntag 1931, war es so weit:
Zum ersten Mal erklang eine Bach-Kantate mit den Thomanern im Rundfunk („Christ lag in Todes Banden“ BWV 4).
Regelmäßig sonntags 11.30 Uhr folgten weitere Übertragungen, die, zumindest in den ersten Jahren, von allen deutschen und u. a. von holländischen, finnischen, norwegischen, schwedischen, tschechischen und österreichischen Sendern übernommen wurden.

Die Leipziger Presse sprach von der „größten, gemeinsamen Rundfunk-Veranstaltung Europas“, und auch in einige außereuropäische Länder sollen Übertragungen stattgefunden haben. Sendelücken traten nur während der Ferien, bei Konzertreisen und zeitweise in der Passionszeit auf.

Lösten die Sendungen der damals zum großen Teil noch unbekannten Bach-Kantaten schon weitreichende Aufmerksamkeit aus, so übten erst recht die Mitwirkenden – der Thomanerchor und das Gewandhausorchester, insbesondere aber Karl Straube – eine starke Anziehungskraft auf die Hörer aus. Dem Thomaskantor war es schließlich zu verdanken, dass die Werke Bachs wieder einen festen Platz im Musikleben der Stadt Leipzig einnahmen, was so nicht immer der Fall gewesen war.

Als Straube 1903 nach Leipzig kam, um das Amt des Thomasorganisten zu übernehmen, stellte er fest, dass „die Kunst des großen Thomaskantors in der vielgerühmten Bach-Stadt in Wahrheit nur wenig gepflegt wurde“ [aus einem Rundfunkinterview 1948, vgl. CD 2, Track 18]. Dieser Zustand sollte sich allerdings bald ändern, denn die Musik Bachs erklang fortan weit häufiger als zuvor an der Sauer-Orgel der Thomaskirche und in den Konzerten des ebenfalls 1903 von Straube übernommenen Bach-Vereins. Nicht genug damit, dass die Leipziger nun in ungewohntem Maße Bach – und Reger – zu hören bekamen, sie wurden auch mit einem ganz neuartigen Aufführungsstil konfrontiert: dynamisches Wogen vom dreifachen Pianissimo bis zum dreifachen Fortissimo, markante Akzente, romantisiert und emotionsgeladen bis in die Spitzen.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die überfrachteten Vortragsanweisungen in ihrer Kleingliedrigkeit auch Praktiken des 18. Jahrhunderts einbeziehen, was sicher kein Zufall war. Da mit Straubes musikalischem Verständnis stets die Frage nach geistigen und geschichtlichen Zusammenhängen einherging, studierte er neben zeitgenössischer Literatur zu Fragen der Aufführungspraxis auch Originalquellen (Einsicht in Bach-Autographe der Königlichen-, später Staatsbibliothek Berlin; Literatur: J. J. Quantz: „Versuch einer Anweisung …“). Anzeichen für neue Denkansätze sind auch bei seiner Aufführung des 4. Brandenburgischen Konzerts mit kleiner Besetzung 1904 (insgesamt 14 Mitwirkende) und bei seinen Bemühungen um die Wiedereinführung des Cembalos festzustellen. Straubes Sensibilität für Fragen der Aufführungspraxis und nicht zuletzt sein Wirken als Thomaskantor (1918 bis 1939) beeinflussten auch spätere Bach-Aufführungen. Die alles überwuchernde romantisierende Ebene trat in den Hintergrund, während erste Ansätze hin zu werkgerechten Aufführungen, besonders im Bereich der Artikulation, beibehalten und weiterentwickelt wurden. Auch an Fragen der Besetzung blieb Straube stets interessiert. In seinem letzten Lebensjahr erinnerte er sich: „Ich habe lehrend von den Thomanern unendlich viel gelernt … [Sie] gaben mir … die letzte Gewißheit, daß sich Bach selbst in seinen gewaltigsten Chorwerken nicht an einen Riesenchor und ein großes Orchester wendet …“ (aus: „Rückblick und Bekenntnis“). 1935 verwirklichte Straube seinen langjährigen Wunsch und führte die Matthäus-Passion nur mit den Thomanern auf. Damit unterbrach er eine fast 80-jährige Tradition in Leipzig, die Matthäus-Passion von einem gemischten Chor mit über 200 Mitwirkenden singen zu lassen. Bach-Kantaten mit dem Thomanerchor konnten die Leipziger bereits seit der Übernahme des Kantorats durch Straube häufig in der Nikolai- und der Thomaskirche hören. Mit seinen Bemühungen, die Kantaten wieder in den Gottesdienst einzugliedern, stieß der Thomaskantor jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten, die in der Thomaskirche noch stärker als in der Nikolaikirche auftraten. Es erklangen im Gottesdienst oft nur der Eingangschor und der Schlusschoral der Kantate. Wenn doch einmal ein Rezitativ und eine Arie hinzukamen, so wurden diese überwiegend von Knaben ausgeführt (Arien: etwa 3 bis 5 Sänger, nach Mitteilung des ehemaligen Thomaners Hans Hauptmann 1997). Da Straube mit seinem Knabenchor bereits seit 1920 regelmäßig Konzertreisen unternahm, hatten die Thomaner inzwischen im In- und Ausland einen Namen als „Bach’s Choir“.

Die wertvollen Tondokumente aus dem ersten Rundfunk-Kantaten-Jahrgang 1931 sind glücklicherweise bis heute erhalten geblieben und liegen unserer CD zu Grunde. Die hier veröffentlichten sind auf teilweise unvollständigen und stark beschädigten Schellack-Musterplatten oft nur noch bruchstückhaft erhalten. Diese Unikate wurden wahrscheinlich als Belegexemplare für den Thomanerchor gefertigt. (Sie befinden sich heute als Dauerleihgabe aus dem Besitz des Thomanerchors im Bach-Archiv Leipzig.) Die europaweiten Rundfunkübertragungen erfolgten nicht, wie in der Rundfunkzeitschrift „Mirag“ angekündigt, aus der Thomaskirche, sondern vorerst aus dem Saal des neu erbauten Grassi-Museums.

www 03 Straube OrgelFür die Wahl dieses Raumes gab offenbar die dort befindliche Orgel den Ausschlag. 1929 entstand diese als erster Orgelneubau in Leipzig, der nicht dem „Orchester- oder Klangmassenideal“ folgte (H. Schultz, Die Karl-Straube-Orgel des Musikwissenschaftlichen Instituts und Instrumenten-Museums der Universität Leipzig, Leipzig 1930). Im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Orgelbewegung wurde das Instrument nach barockem Vorbild von der Firma Furtwängler & Hammer (Hannover) erbaut. Mit 19 klingenden Stimmen, mehreren Koppeln sowie Spielhilfen, elektrischer Traktur und einem freistehenden, fahrbaren Spieltisch war sie zugleich eine recht moderne Orgel. Thomasorganist Günther Ramin übernahm die Prüfung des Instruments, das dann den Namen „Karl-Straube-Orgel“ trug. Leider ist der Klang dieser Orgel auf den CD-Aufnahmen nicht gut wahrnehmbar, da erfahrungsgemäß in diesen Jahren nur ein Mikrofon für Chor und Orchester zur Verfügung stand.

 

 

www 03 Straube Thomanerchor Neues Gewandhaus


Das Neue Gewandhaus wird zum „Sendesaal“

Die akustischen Verhältnisse erwiesen sich im Saal des Grassi-Museums ohnehin bald als weniger günstig als erwartet, so dass ab Mitte November 1931 aus dem Gewandhaus gesendet wurde. Da die Kirchenmusik von etwa 9.30 Uhr bis 9.45 Uhr dauerte und die Musiker von der Thomas- oder Nikolaikirche mindestens einen 15-minütigen Fußweg zum Grassi-Museum oder Gewandhaus zurücklegten, konnte die einzig mögliche Probe für die Rundfunkaufnahme kaum vor 10.00 Uhr beginnen. Weitere Probenmöglichkeiten standen dem Orchester und den Solisten nicht zur Verfügung.

Der ehemalige Thomaner Ekkehard Tietze erinnerte sich 1992:
Es wurde sozusagen bis 11.29 Uhr geprobt, und 11.30 Uhr begann die Sendung, immer direkt übertragen.

Den Chor bildeten die 55 bis 60 Thomaner (Erweiterungen des Chores auf etwa 80 und später noch einmal auf etwa 90 Sänger erfolgten erst nach dem Kantorat Straubes).

Neben Leipziger Gesangssolisten wie Marianne Weber, Dorothea Schröder, Elly Hartwig-Correns, Hans Lißmann und Hanns Fleischer wurden Sängerinnen und Sänger aus verschiedenen deutschen Städten engagiert, so Albert Fischer und Frieda Dierolf aus Berlin, Grete Welz aus Weimar, Georg A. Walter aus Stuttgart sowie Alfred Paulus aus Braunschweig.

Sowohl Orgel als auch Cembalo erklangen innerhalb einer Kantate, wobei Rezitative und Arien zumeist vom Cembalo begleitet wurden.

In den späteren dreißiger Jahren zog Straube bei Rezitativen die Orgelbegleitung vor. Häufig übernahmen Günther Ramin (Thomasorganist von 1918 bis 1939, danach Thomaskantor als Nachfolger Straubes) oder Max Fest (Organist der Matthäikirche und mehrerer Vereine) den Orgelpart, Friedbert Sammler (Klavier- und Gesangslehrer, Mitarbeiter beim Mitteldeutschen Rundfunk seit 1924) spielte das Cembalo (wahrscheinlich ein Instrument der Firma Neupert aus dem Besitz Ramins).


Das AUS für die Kantatensendung im Rundfunk

Die anfängliche Begeisterung seitens des Rundfunks für das über mehrere Jahre hin geplante Kantaten-Projekt ließ jedoch bald nach. Bereits im Sommer 1932 drängte die Rundfunkgesellschaft auf finanzielle Kürzungen, anderenfalls würden die Kantatensendungen in Frage stehen. Am 19. Juni 1933 wurde der Rundfunkvertrag zum 31. Dezember 1933 gekündigt – für Straube und offenbar auch für den Rat der Stadt Leipzig völlig überraschend. Auf eine Anfrage Straubes beim Rundfunk hin hieß es in einer Mitteilung vom 21. Juni, „daß in einer Sitzung aller deutschen Rundfunkintendanten im Februar dieses Jahres in Nürnberg, als Herr Professor Neubeck noch nicht anwesend war, einstimmig beschlossen worden ist, daß die Bachkantaten nicht durchgeführt werden sollten. Herr Professor Neubeck … hat aber vorsichtshalber bei der Regierung angefragt und von dieser die Anweisung bekommen, den Vertrag sicherheitshalber zum erstmöglichen Termin zu kündigen“.

Die eigentliche Ursache für die Kündigung lag aber kaum bei dem immer wieder angeführten Finanzproblem, sondern in dem Missfallen darüber, dass die günstige Sendezeit nicht für Propagandazwecke genutzt werden konnte.

Durch Verhandlungen wurde erreicht, dass die Kantate noch bis zur Verstaatlichung des Rundfunks am 1. April 1934 wöchentlich zustande kam (in dieser Zeit stellte die Stadt das Gewandhausorchester kostenlos zur Verfügung), danach höchstens zweimal im Monat, jedoch bald nicht mehr an Feiertagen. Die weiteren Sendungen bis zum Abschluss des Kantatenzyklus im Dezember 1937 fanden unter immer größeren Schwierigkeiten und Behinderungen statt.

Da sich der Mitteldeutsche Rundfunk durch die Kantatensendungen andererseits auch profilieren konnte, wurde ab November 1938 unter Straube und ab 1940 unter Ramin weiterhin etwa einmal im Monat eine Bach-Kantate gesendet.

Geprägt sind die MIRAG-Mitschnitte einerseits vom musikalischen Empfinden der dreißiger Jahre: oft langsamere Tempi als heute üblich, besonders bei Chorälen, Rezitativen und einigen Arien Ritardandi, zeitgebundenes Timbre der Vokalstimmen, gelegentliches „Anschleifen“ der Töne bei Sängern sowie Streichern und anderes mehr.

Zeitgenössische Rezensenten bemerkten allerdings, dass Straube Ritardandi und Fermaten ausgesprochen sparsam gebraucht. Die damals hervortretende und heute durchaus nachvollziehbare Eigenart der Aufführungen unter Straube ist eine rhetorisch orientierte, artikulierte Vortragsweise, vorrangig in Chorsätzen und einigen Instrumentalsoli.

Bei Chorälen und Arien lässt sich eher die Neigung zu einem pathetischen, um 1930 wohl gewohnteren Klangbild feststellen. Für die Besetzung der Arien mit einigen Knaben entschied sich der Thomaskantor bei den Rundfunk-Aufnahmen nur selten. Doch oftmals ließ er solistische Passagen in Chorsätzen von der jeweiligen Stimmgruppe ausführen.

Wenngleich das Orchester bereits bei Straubes Dienstantritt meinte, den „Anforderungen durch die in vielen Kirchenkonzerten gewonnene Vertrautheit mit dem Bachschen Stil auch ohne jedesmalige Probe gewachsen“ zu sein [1919], so ersparte ihnen der Thomaskantor dennoch die mühevolle Aneignung seiner Einrichtungen nicht. Auseinandersetzungen mit dem Notentext erstreckten sich nicht etwa nur auf die erstmalige Aufführung eines Werkes, häufig wählte Straube bei weiteren Darbietungen andere Ausführungsmöglichkeiten. Die Musik Bachs blieb ihm zeit seines Lebens eine Herausforderung.

Maria Hübner, Bach-Archiv Leipzig
© Text aus dem Buch zur CD

 


Akte „die Aufführungen u. Uebertragungen der Kantaten durch die Mirag betr.“

Die unter der im Stadtarchiv Leipzig verwahrte „Akte Kap. 32 Nr. 38“ des Kulturamtes des Rates der Stadt Leipzig beinhaltet die Korrespondenz, Verträge, Pressebesprechungen sowie Streitschriften zwischen dem Rundfunk, der Stadt Leipzig, der Orchestervertretung des Gewandhausorchesters sowie handschriftliche Argumentationsschreiben des Thomaskantors Karl Straube.

 


Karl Straube in einem Interview des Mitteldeutschen Rundfunks vom 6. Januar 1948

 Prof. Dr. Karl Straube anlässlich seines 75. Geburtstages, Aufnahmeort: Mitteldeutscher Rundfunk, Sender Leipzig, Funkhaus Springerstraße