Paul Schmitz
Der zweimalige Leipziger Generalmusikdirektor
Paul Schmitz stammt aus einem kaufmännischen Elternhaus. Musikalisch vorbelastet ist er nicht. Zum Glück aber wird die Begabung des Jungen schon frühzeitig erkannt und gefördert.
Seine Lehrer sind Ernst Toch für Komposition, Willy Rehberg für Klavier, Arno Landmann für Orgel und Wilhelm Furtwängler für Dirigieren. Das praktische „Handwerkszeug“ hält eine erste Tätigkeit als Korrepetitor in Kiel für ihn bereit. Es folgen jugendliche „Wanderjahre“, die ihn als Liedbegleiter bis in die USA führen.
Wieder zurück in Deutschland verdient sich Schmitz seinen Unterhalt in Ermangelung einer geeigneten Anstellung als Pianist einer Unterhaltungskapelle. 1921 bekommt er dann endlich die erste solide Anstellung für zwei Jahre als Kapellmeister in Weimar und danach bis 1927 als Zweiter Kapellmeister am Stuttgarter Opernhaus.
Der bedeutungsvolle Karrieresprung folgt schließlich 1927 mit der Ernennung zum Ersten Staatskapellmeister der Staatsoper München. Damit tritt er die Nachfolge von Bruno Walter, Hans Knappertsbusch und seinem unmittelbaren Vorgänger Karl Böhm an.
1933 erreicht ihn unerwartet die Berufung als Generalmusikdirektor und musikalischer Oberleiter an das Opernhaus Leipzig.
Ein Wunsch des Leipziger Opernintendanten Hans Schüler und des Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler, ihm auch das Amt des Gewandhauskapellmeisters als Nachfolger des wegen seiner jüdischen Abstammung vertriebenen Bruno Walter anzuvertrauen, scheitert im zuständigen Berufungsgremium wegen seines jungen Alters und der noch fehlenden Erfahrung als Konzertdirigent einerseits, andererseits aber auch wegen der Doppelbelastung durch beide Ämter, die schon Arthur Nikisch beklagt hatte, als er ab 1905 für ein Jahr diese Doppelfunktion ausübte.
Nichtsdestotrotz übernimmt er die Leitung des Gewandhauskammerorchesters (Aufnahmen von diesem werden ebenfalls in der Edition Gewandhausorchester erscheinen). Zudem veranstaltet Schmitz Opernhauskonzerte und ist in jeder Gewandhaussaison als Gastdirigent vertreten.

Das Gewandhausorchester mit Professor Edgar Wollgandt (1), Gewandhauskapellmeister Professor Hermann Abendroth (2), Generalmusikdirektor Paul Schmitz (3) und dem Ersten Opernkapellmeister Oskar Braun (4)
© Foto aus dem CD-Booklet – Sammlung Erika Schmitz
In den achtzehn Jahren seiner ersten Leipziger Amtszeit bringt er das Gewandhausorchester in der Oper künstlerisch weiter voran, so dass Leipzig – nicht zuletzt durch Sänger wie Margarete Bäumer, Irma Beilke, Friedrich (auch Frederick) Dalberg und August Seider – unter den führenden Städten der deutschen Opernszene rangiert.
Daneben sind es die Uraufführungen, durch die das Leipziger Opernensemble und Schmitz für Furore sorgen: Carl Orffs „Catulli Carmina“ hatten wir an anderer Stelle schon genannt, dazu kommen heute so gut wie vergessene Opern wie „Die pfiffige Magd“ von Julius Weismann, „Die Windsbraut“ von Winfried Zillig, „Schlaraffenhochzeit“ von Siegfried Walther Müller oder dann 1948 „Die Nachtschwalbe“ von Boris Blacher. Und Schmitz setzt sich auch für Werke ein, die im Dritten Reich verboten waren. So ist er der erste Dirigent, der Hindemiths „Cardillac“, Tschaikowskis „Zauberin“ und „Eugen Onegin“ sowie Mussorgskis „Boris Godunow“ im Interimstheater „Drei Linden“ in Leipzig-Lindenau wieder auf die Bühne bringt.
Der Abschied aus dem Amt und von Leipzig im Jahre 1951 fällt nicht nur ihm, sondern auch dem Gewandhausorchester und seinem Publikum schwer. Zu seinen Ehren ist die Bühne üppig mit Blumen geschmückt. Das Ensemble, als dessen große Stärke in den letzten Jahrzehnten seine Geschlossenheit angesehen wurde, beginnt mehr und mehr zu zerfallen. Namhafte Sänger entfliehen einer sich ausbreitenden kulturpolitischen Doktrin und der geistigen Enge in der DDR.
Auch Schmitz folgt schweren Herzens – aber letztlich einer humanistischen Ausbildung seiner beiden Töchter zuliebe – einem Angebot aus dem Westen Deutschlands. Er geht als Nachfolger Karl Elmendorffs nach Kassel und kann als Generalmusikdirektor und musikalischer Oberleiter des Staatstheaters nun auch die Leitung der Symphoniekonzerte übernehmen. Eben noch mit der Goethe-Plakette gewürdigt, schickt ihn das Land Hessen 1963 in Pension, weil er das Rentenalter erreicht hat.
Das aber ist die willkommene Gelegenheit für Leipzig, ihn erneut an die Musikstadt zu binden. Also zögert er keine Sekunde und wird nach einem Gastspielvertrag im Jahr darauf zum zweiten Mal Generalmusikdirektor der Oper Leipzig. Diesmal tritt er das Amt im ersten Opern-Neubau der DDR an. Das 1960 eingeweihte Opernhaus steht an gleicher Stelle wie der im November 1943 nach Bombentreffern ausgebrannte Langhanssche klassizistische Opernbau, dessen Untergang Schmitz schmerzlich miterleben musste.
Mit Verdis „La Traviata“ steht Schmitz 1973 ein letztes Mal vor „seinem“ Gewandhausorchester im Orchestergraben und beendet damit ein künstlerisch hocherfülltes Berufsleben. Den legendär gewordenen „Joachim-Herz-Ring“ studiert Paul Schmitz mit dem Ensemble noch musikalisch ein. Ihn zu dirigieren, traut ihm die Leipziger Generalintendanz dann doch nicht mehr zu; altershalber.
Steffen Lieberwirth
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