Zerstoert Rundfunk Musikeben
Heftige Debatten: Zerstört der Rundfunk unser Musikleben?
Mit der Entstehung des Rundfunks begann auch die öffentliche Debatte über ihn. Sie wurde von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlichen Zielen geführt und durchzieht beinahe die gesamte Presse der zwanziger und dreißiger Jahre. (So entstanden zwei neue journalistische Genres: die Rundfunkkritik in den Zeitungen und die Zeitungsrezension im Rundfunk.) Zunächst ging es hauptsächlich um Sinn oder Widersinn des Mediums überhaupt. Immer wieder malten diejenigen, die im Massenmedium ein Krankheitssymptom des Abendlandes sahen, wahre Horrorszenarien von atomisierter Gemeinschaft, allgemeinem Kulturverfall und Maschinisierung der Wirklichkeit. Damit war eine breite Strömung, ein gutes Stück Zeitgeist im Deutschland der Weimarer Republik genau fokussiert. Nicht von ungefähr ging in jenen Zeiten politischer wie wirtschaftlicher Unsicherheit Oswald Spenglers apokalyptischer Wälzer „Der Untergang des Abendlandes“ gerade in seiner siebenundvierzigsten Auflage seit seinem Erscheinen 1917 über den Ladentisch.
Nicht selten allerdings verbarg sich hinter den Argumenten der „Kulturbewahrer“ ein handfestes wirtschaftliches Interesse. Musikverleger etwa fürchteten angesichts der rasanten Verbreitung von Musik um die Nachfrage an gedruckten Noten, Konzertveranstalter um das Publikum. Ganz von der Hand zu weisen waren diese Argumente nicht. In den städtischen Kulturzentren mochte es sich der eine oder
andere Rundfunkteilnehmer tatsächlich überlegen, ob er „seine“ Musik bequemerweise lieber zu Hause konsumierte. Doch die Erfahrungen der vergangenen siebeneinhalb Jahrzehnte haben es tausendfach bestätigt: Ersetzt hat der Rundfunk die Konzertpraxis nie.
Waren Nutzen und Segen des Wortprogramms sehr bald allgemein anerkannt, blieben die -teilweise mit schärfster Polemik hervorgebrachten – Einwände gegen die Ästhetik der Rundfunkmusik bis weit in die dreißiger Jahre hinein erhalten. So ist beispielsweise die folgende Bemerkung Richard Steins in der Zeitschrift „Die Musik“ (Heft 4, 1930) schon fast als Bekehrung eines Saulus zu werten: „Da die Übertragungstechnik wie auch die Qualität der Empfangsapparate sich so wesentlich gebessert haben, daß die heutigen Musikaufführungen in technischer Hinsicht befriedigen, darf der Rundfunk jetzt Anspruch auf ernsthafte Würdigung seiner Darbietungen erheben.“ Verblasste auch das Stigma mangelhafter Tonqualität im Laufe der Jahre, so wurde stattdessen umso heftiger über die Programmgestaltung innerhalb der Rundfunkmusiken diskutiert. Einer der ersten, der zu beiden Problemen öffentlich Stellung bezog, war wiederum Szendrei.
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