Stoerung und Weckerticken
Zwischen Störung und Weckerticken
Wie aber hat es in den Ohren der Rundfunkteilnehmer geklungen? Wer hörte denn überhaupt Radio?
Nur so viel: In den ersten Monaten war der gesamte Sendebetrieb mehr oder weniger improvisiert. Immer wieder störten technische Defekte die Übertragung oder ließen sie ganz zusammenbrechen. Notdürftig hergerichtete, mit Decken, Teppichen und Vorhängen gedämpfte sogenannte Besprechungsräume und nicht zuletzt die ewigen Klang- und Mikrophonproben prägten den Sendealltag. (Die Kopfhörer der Empfangsgeräte erinnern schon rein äußerlich an den kratzigen Klang eines Reiß- Telefons.) Musik kam oft verzerrt an, die Membranen quäkten bei Überlastung entsetzlich und vom „Vollprogramm“ war man noch weit entfernt: Zwischen den Vormittags- sowie Nachmittags- und Abendsendungen – insgesamt etwa acht bis zehn Stunden Programm – empfingen die MIRAG-Hörer das Ticken eines Weckers. Trotzdem erlebte die Teilnehmerzahl wie überall in Deutschland mehrstellige Zuwachsraten, vergleichbar mit denen heutiger Online-Dienste und des Internets. Am Ende des Jahres 1924 gab es im mitteldeutschen Sendebezirk etwa 50 000 Teilnehmer (also schätzungsweise viermal soviele Hörer), in ganz Deutschland etwas über eine halbe Million. Bereits 1925 wurde die Millionengrenze überschritten.
Die vergleichsweise moderaten Rundfunkgebühren von zwei Reichsmark (eingezogen durch die Reichspost) dürften diese Entwicklung begünstigt haben. Diese Gebühr blieb bis 1969 unverändert. Auch unter den Radiogeräten gab es preiswerte Bausätze bzw. fertig montierte Geräte, sodass Rundfunk von Anfang an nicht einer pekuniär gutsituierten Oberschicht Vorbehalten, sondern für die große Mehrheit erschwinglich war. Hinzu kam die rasche Vervollkommnung der Sende- und Empfangstechnik.
Natürlich blieben diejenigen, die in den Geburtswehen des Rundfunks ein kulturelles Erdbeben erblickten, nicht stumm und mit dem Erscheinen des Rundfunks entbrannte auch die kulturpolitische Debatte über ihn. In Sachen Musik war einer ihrer vehementesten Protagonisten Alfred Szendrei.
Sorry, the comment form is closed at this time.