Das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig

Seine Vorgängerorchester 

von Jörg Clemen und Steffen Lieberwirth

 

 

Das Philharmonische Orchester unter Hans L’hermet

In Nachfolge des Winderstein-Orchesters stellte der Kapellmeister Hans L’hermet mit Hilfe der Ortsverwaltung des Deutschen Musikerverbandes im Jahre 1919 das „Philharmonische Orchester“ auf. Verpflichtet wurde das Ensemble damals unter anderem von der „Gesellschaft der Musikfreunde zu Leipzig“ (Sinfoniekonzerte) und von der städtischen Oper als „Ersatz“ für das Gewandhausorchester. Das Schicksal des Ensembles liegt bis heute im Dunkeln.

L’hermet, 1887 in Magdeburg geboren, ging nach Studien in Würzburg als Theaterkapellmeister zunächst nach Meißen (1907/08), dann nach Soran-Grünberg (1908/09), Stendal (1909-11), Bodenbach (1911/12), Zwickau (1912-14), später als Dirigent des Belvedere-Orchesters nach Dresden. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete er als Militärkapellmeister.

Für alle Orchester auf privater Grundlage – L’hermet war Unternehmer und Dirigent in Personalunion – bestand das größte Problem in der Sommer- bzw. Saisonpause. Wurde für diese Zeit keine ausreichende Beschäftigung etwa als Kur- oder Unterhaltungsorchester gefunden, löste sich das Ensemble am Saisonschluss de facto auf und musste für die nächste Spielzeit erneut gegründet werden.
Abgesehen von ständigen personellen Veränderungen – jeder Musiker musste bestrebt sein, eine feste oder zumindest zeitlich garantierte Anstellung zu erhalten – wirkte sich dieser Umstand negativ auf die künstlerische Entwicklung und Leistungsfähigkeit des Orchesters aus.

Zeitzeugen, unter ihnen Alfred Malige, der ab 1921 als Geiger und Kapellmeister in Leipzig wirkte, berichteten mehrfach über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Philharmonischen Orchesters, aber auch über den zähen Ehrgeiz L’hermets und seine Versuche, das Ensemble fest im Musikleben Leipzigs zu integrieren.
Das Auf und Ab spiegeln nicht zuletzt die jährlichen Eintragungen im „Deutschen Musikerkalender“ bis 1934 unter der Rubrik „Ständige Konzertreihen“.

Im Kalender von 1928 ist das Orchester mit einer Stärke von 46 Mitgliedern ausgewiesen.
Ein Jahr später sind lediglich 32 Musiker vermerkt, 1932 sind es 42 und 1934 schließlich 50. Auch die Angaben über die Konzerttätigkeit schwanken:

1929:  
Philharmonische Konzerte im Städtischen Kaufhaus, organisiert von der Konzertdirektion Reinhold Schubert; im Sommer Kurorchester des staatlichen Bades Meinberg-Lippe

1932:  
10 große Volkssinfoniekonzerte im Städtischen Kaufhaus

1934:  
16 Philharmonische Konzerte der Philharmonischen Gesellschaft in der Alberthalle

Eine andere Quelle, das „Jahrbuch der Deutschen Musikorganisation 1931″, weist darauf hin, dass die meisten Spielverpflichtungen des Philharmonischen Orchesters, darunter die Operndienste, vom neugegründeten „Leipziger Sinfonie-Orchester“ übernommen wurden.

Die schwankenden Mitgliederzahlen sowie die von Saison zu Saison wechselnden Spielverpflichtungen des Orchesters, aber auch die Tatsache, dass das Leipziger Sinfonie-Orchester offensichtlich die geeignetere Vertretung des Gewandhausorchesters in der Oper darstellte, sprechen für eine gewisse Diskontinuität der künstlerischen Leistungen des Philharmonischen Orchesters.

Nach 1934, da L’hermet eine Laudatio auf die „Fünfzehnjährige erfolgreiche Tätigkeit des Philharmo­nischen Orchesters“ verfasste, fehlt von dem Ensemble jede Spur.

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