Grotrian Steinweg Orchester unter Scherchen

 

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig

Seine Vorgängerorchester 

von Jörg Clemen und Steffen Lieberwirth

 

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Das Grotrian-Steinweg-Orchester mit Hermann Schrchen
© Foto: Orchesterarchiv

 

Das Grotrian-Steinweg-Orchester unter Hermann Scherchen

In seinen persönlichen Erinnerungen berichtet der spätere Rundfunk-Dirigent Hilmar Weber, dass „man sich weiterhin bemühte, ein Orchester aufzustellen, für das die Klavierfirma Grotrian-Steinweg stark eintrat“.

Das geschah 1920 auf Betreiben des Leipziger Konzertvereins mit – vor allem finanzieller – Unter­stützung der renommierten Klavierbaufirma Grotrian-Steinweg. Das Orchester trug ihren Namen. Ver­heißungsvoll war für diesen Klangkörper vor allem, dass Hermann Scherchen die Leitung der Konzerte im Centraltheater übernommen hatte.
Scherchen propagierte in den damaligen Programmen konse­quent die Meister der Moderne: Paul Hindemith, Igor Strawinsky, Arthur Honegger. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit Scherchen ab 1920 sicherte allerdings nicht die Existenz des Grotrian-Steinweg-Orchesters.
Von wirtschaftlichen Sorgen bedrängt, musste es mit dem Musikagenten und Unterhaltungskapellmeister Günter Koblenz zusammenarbeiten und trat mit einer Reihe von kurzweiligen Programmen im Leipziger Palmengarten und im Zoologischen Garten auf.
Die Leitung dieser Veran­staltungen übernahm Julius Goldberg oder der Pianist Arthur Schmidt-Elsay. Am Pult des Konzertmei­sters saß der damals bekannte Geiger Emil Luh. Später hatte er die gleiche Position in der Hauskapelle des Rundfunks inne.

Über die künstlerische Qualität dieser Konzerte gibt vielleicht am besten der Umstand Auskunft, dass sie sämtlich ohne vorherige Proben stattfanden, die üblichen Opern- und Operettenquerschnitte und Potpourris also „vom Blatt“ gespielt wurden.

Auch Scherchen gab sich über die Leistungsfähigkeit des Orchesters keinen Illusionen hin.
In einem Brief (Poststempel: Leipzig, 10. Oktober 1920) schrieb er:
„Es ist das schwerste Stück Arbeit, das ich hier vorhabe. Die Musiker geben sich zwar die allergrößte Mühe, daß ich trotz ihres zum Teil noch mangelhaften Könnens Freude habe, doch es braucht Zeit, bis die reellen Leistungen wachsen. So sind aus den ursprünglich geplanten 3 Proben 5 geworden.“

Als hoffnungslos beurteilte er die Lage aber keinesfalls:
„Das Orchester, das mir zur Verfügung steht, ist neu zusammengestellt aus z.T. minderwertigen Musikern. Es ist also erhöhte Arbeitsleistung erforderlich, es sind aber auch erhöhte Resultate möglich. Anscheinend wird das hier wirklich eine große Arbeit werden. Die Musiker sind begeistert hingegeben, so daß in Anbetracht so schwieriger Verhältnisse Verblüffendes geleistet wird.“

Schuld am Scheitern des Ensembles trugen demzufolge nicht künstlerische Hürden, sondern die in Deutschland grassierende Inflation. Scherchen, der in Leipzig trotz etlicher Bemühungen keine feste Anstellung fand, übernahm mit der Saison 1922/23 unter anderem die Leitung der Frankfurter Museumskonzerte. Deutschlands Pleiß-Athen sah ihn nur gastweise wieder.

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