Das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Die Wurzeln des Leipziger Rundfunkorchesters 1923
Eine multimediale Chronik von Jörg Clemen und Steffen Lieberwirth
Die Situation des Leipziger Musiklebens nach 1900
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde im öffentlichen Musikleben Leipzigs lebhaft über die Notwendigkeit eines zweiten Orchesters diskutiert. Das Stadtorchester war ausgelastet durch regelmäßige Verpflichtungen in Gewandhaus, Oper, Thomas- und Nikolaikirche. Auch standen die Pforten des Gewandhauses durchaus nicht allen Bevölkerungsschichten gleichberechtigt offen. Aufgrund der stark konservativen Einstellung der Direktion blieben die Anrechtskonzerte im Wesentlichen führenden Persönlichkeiten und großbürgerlichen Schichten (Patronatsscheine wurden vererbt) vorbehalten.
Als Leipziger Arbeiter 1915 zum ersten Mal das Gewandhaus betreten durften, wertete die Presse dies fast als eine Sensation.
Die „Leipziger Volkszeitung“ beispielsweise schrieb über das Ereignis bereits im Voraus:
„Dank der Bemühungen Barnet Lichts, dem musikalischen Leiter des Leipziger Arbeiter-Bildungs-Instituts, ist den Arbeiterkreisen Gelegenheit geboten, am Sonntag, den 21. März, vormittags II Uhr und Dienstag, den 23. März, abends 1/2 8 Uhr, den beiden letzten Proben des am darauffolgenden Donnerstag stattfindenden letzten diesjährigen Gewandhauskonzertes beizuwohnen.“
Den gesamten Bedarf an künstlerisch hochwertiger Orchestermusik in Leipzig hätte das Gewandhausorchester trotz dieser Zugeständnisse unmöglich befriedigen können, so dass die Frage nach einem leistungsfähigen ständigen zweiten Sinfonieorchester von verschiedenen Seiten immer wieder gestellt wurde. Dass die Kriterien ,Leistung und Dauerhaftigkeit‘ eine entscheidende Rolle spielten, kam nicht von ungefähr.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg existierten in Leipzig verschiedene Orchester auf privater Grundlage. Beispielsweise findet sich auf einem Programmzettel des Riedel-Vereins (Konzert vom 23. März 1905) unter der Rubrik „Mitwirkende“ folgende Notiz:
„Gewandhausorchester, Vier Nebenorchester: Mitglieder verschiedener hiesiger Kapellen“.
Zur Aufführung gelangte damals das Requiem von Hector Berlioz unter Leitung von Georg Göhler.
Die sogenannten „hiesigen Kapellen“ in Leipzig
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