Vom Sender Leipzig
zum Mitteldeutschen Rundfunk
Zeitzeugen erinnern sich
Jeder Autofahrer kennt ihn: den sogenannten „Hinz-Triller“.
Seit Anfang der 1970er Jahre signalisiert der Pieps-Ton Anfang und Ende vieler Verkehrsmeldungen im Radio.
Durch den – nach seinem Erfinder Werner Hinz benannten – hohen „Pieps“-Ton schalteten sich Autoradios bei Verkehrsmeldungen automatisch ein oder laut.
SACHSEN-RADIO durfte sich glücklich schätzen, den früheren Technischen Direktor des Deutschlandfunks 1990 für die technischen Installationen der jungen Anstalt gewonnen zu haben.
Für die MDR-Rundfunkzeitschrift „TRIANGEL“ (11-2000) ließ Wermer Hinz den technischen Aufbau der Sendestudios bis zum Programmstart der neuen Drei-Länder-Anstalt 1992 im Zeitraffer Revue passieren:

Bis 1991 wurde die Sachsen Radio-Sendungen an sogenannten „Drei-Teller-Cuttermaschinen“ produziert.
Foto: Sachsen Radio – Sammlung Lieberwirth
Sachsen Radio – Ein Intermezzo
Mitspieler und Bühnenarbeiter
von Werner Hinz
Es beginnt Herbst zu werden in Deutschland.
Es ist eine Zeit der turbulenten Tage Ende des Jahres 1990, da in der Weihnachtswoche 1990 zwei Herren vor meiner Wohnungstür in Köln auftauchten und mich darum baten, in Sachsen an der Gestaltung einer neuen Rundfunkorganisation mitzuarbeiten.
Es waren Manfred Müller, damals Chef von Sachsen Radio mit Sitz in Leipzig, und Uwe Eckart Böttger, sein Chefredakteur in Dresden.
Aus diesem Besuch entwickelte sich eine Zusammenarbeit über etliche Monate, die sehr aufregend war, aber auch sehr reizvoll. Dabei waren mir am Anfang wichtige Mitspieler und Drahtzieher in diesem Spiel unbekannt. Sie sind während der Arbeit in Leipzig teilweise sichtbar geworden.
Aber erst manche Aussagen, die vor einigen Monaten in der Programmzeitschrift TRIANGEL und anderen Veröffentlichungen des Jahres 2000 zu lesen waren, haben zu weiteren Erhellungen darüber geführt, wie es denn seinerzeit wirklich zugegangen ist.
Als zeitweiliger Mitwirkender auf dieser Rundfunkbühne vermisse ich heutzutage jedoch im MDR so manche Hinweise auf Mitspieler und Bühnenarbeiter – um im Bild zu bleiben – sowie auch auf damals bereits neue Bühnenbilder.
Wenig klärend klingt in diesem Zusammenhang übrigens ein Buchtitel, erschienen Anfang 2000, der eine Dokumentation zu der Wiedervereinigung des deutschen Rundfunksystems ankündigt.
Was sollte da eigentlich wieder zusammengeführt werden? Rundfunk war, zumindest nach der Aussage seiner Erfinder in der alten Bundesrepublik, Sache der Länder. Das heißt doch wohl, dass man es den neuen Ländern hätte überlassen müssen, wie sie ihren Rundfunk organisieren wollten!
Ich kam jedenfalls am Anfang des Jahres 1991 nach Leipzig zu Sachsen Radio, dessen technische Einrichtung man überwiegend an das deutsche Museum hätte abgeben können. Aber die Mannschaft war viel weniger museal, sondern sehr motiviert und produzierte intensiv bereits neue Programme und Programmvorschläge, weg vom alten zentralen DDR Rundfunk. Da brummte der Bär, wie man so sagt.
Draußen allerdings ballten sich ziemlich dunkle Wolken über dieser zarten Rundfunkpflanze zusammen. Wir hatten nur nicht die Zeit dauernd nach oben zu blicken, denn am Boden war viel zu tun.
Beispielsweise gehörten anfangs die Mitarbeiter der Technik noch zur Deutschen Post und wurden erst im Februar 1990 von Sachsen Radio übernommen, das seinerseits leider der finanziellen und auch sonstigen Hoheit der nach Artikel 36 des Einigungsvertrages gebildeten Einrichtung in Adlershof unterstand. Es waren Eingruppierungen und Dienstzeiten neu zu regeln, aber auch Eingriffe dieser zentralen Struktur aus Berlin abzuwehren.
Die Mitarbeiter fühlten sich jedenfalls von Anfang an als Teil von Sachsen Radio und kamen bereits kurze Zeit nach meinem Tätigkeitsbeginn zu mir, um die Lösung eines speziellen Problems zu erbitten.
Im Sommer 1990 hatte die Post unter den Angestellten eine Abstimmung veranstaltet, in der eine Antwort auf die Frage gesucht wurde, ob bestimmte Personen weiterhin ihre alten Leitungsfunktionen behalten sollten oder nicht. Die Mannschaft hatte seinerzeit dazu nein gesagt, aber die Post überließ es den Betroffenen selbst, daraus Konsequenzen zu ziehen oder nicht.
Bei Sachsen Radio ging es um drei Personen, und wir haben sie gerechterweise schließlich aus ihren alten Positionen entfernt, eine Situation, die mich sehr an die Zeit nach 1945 erinnerte.
Dennoch kam es danach noch zu einer ziemlich hässlichen Fragebogenaktion der Einrichtung, in der jeder Mitarbeiter seine früheren Beziehungen zu Organen der Staatssicherheit offen legen sollte. Auch aus dem sächsischen Landtag wurde in diesem Zusammenhang geschossen. Dessen Angehörige brauchten allerdings keinen Fragebogen auszufüllen. Dafür entpuppte sich einer der lauteren Schreier schließlich als ehemaliger Mitarbeiter der politischen Polizei der DDR. Dieses gesellschaftspolitische Streufeuer hat uns aber nicht von unsrer Hauptaufgabe abgehalten, für die technische Herstellung und Verbreitung unserer Programme optimal zu sorgen.

Der betagte Schaltraum des Leipziger Funkhauses
Diese Technik war bis Dezember 1991 in Betrieb
Foto: Sachsen Radio – Sammlung Lieberwirth
Zwar standen alle Sender unter der Leitung der Post, die sich langsam zur Telekom wandelte, und auch alle Leitungen wurden von ihr betreut, aber sämtliche erforderlichen Messungen wurden in guter Zuammenarbeit erledigt.
Die war auch nötig, denn z.B. die Sendeleitungen waren in so schlechtem Zustand, dass sie sämtlich alle zwei Wochen vom Studioausgang bis zu den Sendern durchgemessen werden mussten, und je nach Wetterlage konnten wir entweder eine gute Kanaltrennung der Stereoleitungen erreichen oder geringe Phasendifferenzen.
Aber das erste Programm von Sachsen Radio kam gut an und erzielte bereits am Jahresende 1990, eine Hörerbeteiligung von 46% nach der Medienanalyse. Davon kann man heute nur noch träumen. Dennoch versuchte Manfred Müller mit dem Entwurf einer Programmreform weitere Punkte zu machen. Leider erhielt die Einrichtung davon durch Pressemeldungen vorzeitig Kenntnis und stoppte das Vorhaben aus finanziellen Gründen, wie die offizielle Aussage hieß. Dafür sollten wir dann die 40-Stunden Woche einführen, obwohl die dazu nötige Einstellung neuer Mitarbeiter nicht möglich war. Das waren schon reife Leistungen, die uns da aus Berlin angeboten wurden.
Mir selber machte es dennoch Spaß, in einer solchen Pionierphase dabei sein zu können und besonders schön war es, wenn irgendein westlicher Vertreter mich als scheinbaren Ossi geschäftlich über den Tisch ziehen wollte.
Es war eine Zeit lang vielleicht so eine Art Republik Schwarzenberg, in der wir da lebten.
Leider wurde diese äußerst kreative Phase durch die ziemlich knöchernen politischen Realitäten von draußen wieder platt gemacht. Falls jemand mit dem Namen Schwarzenberg nichts mehr anfangen kann, sei er daran erinnert, dass dieser kleine sächsische Ort von den einmarschierenden Amerikanern 1945 übersehen, einige Zeit lang so ein Dasein im staatsfreien Raum führen durfte und erst durch die Sowjets später zum realen Sozialismus bekehrt wurde.

Die Moderatorinnen Barbara Friedrici (l.) und Ulla Reichelt nehmen im Frühjahr 1991 den neuen Sprecherraum von SACHSEN III KULTUR in Betrieb.
Foto: Sachsen Radio – Hopf – Sammlung Lieberwirth
Innerhalb des Hauses war die Zusammenarbeit gut. Herr Kühn als Verwaltungsdirektor auf Zeit und ich als für die Technik Verantwortlicher haben uns mit den Redakteuren in allen Sitzungen gut zusammengerauft und in dem ereignisreichen Jahr 1991 verblüffenderweise doch etliche Studios (unter anderem für den Kulturkanal Sachsen III) und Anlagen erneuern können, so dass Sachsen Radio seine fast drei Programme – das dritte konnte nicht den ganzen Tag lang gesendet werden – technisch ziemlich ungehindert verbreiten konnte.
Darüber hinaus gab es auch noch eine mehrstündige Ausstrahlung von Obersorbisch, eine im Studio Bautzen produzierte Sendereihe. Zu dieser „Fremdsprachen“-Redaktion fuhr ich ebenfalls einige Male, um Studioerneuerungen mit den dort arbeitenden Redakteuren zu besprechen. Anfangs mit etwas Vorbehalt wegen des mit seiner schlimmen Vergangenheit belasteten Namens. Aber Bautzen zeigte sich als normale Kleinstadt, die zu erreichen allerdings etwas schwierig war, denn der Weg über die Autobahn bedeutete auch eine Fahrt über eine streckenweise mit Kleinpflasterung versehene Fahrbahn, die außerdem ab und zu, als kleine Schikane, mit schlimmen Längsrillen verziert war.
Außer diesem Außenstudio gab es bei Sachsen Radio aber noch ein weiteres, wesentlich größeres, das Studio Chemnitz. Es war im Dachgeschoss des Museums untergebracht und selbst auch von sehr musealem Charakter. Natürlich nur technisch gesehen. Immerhin 40 Mitarbeiter waren hier unter der Leitung des Herrn Uhlig tätig.
An beiden Orten haben wir nach Kräften versucht, technische Erneuerungen vorzunehmen, hatten allerdings immer wieder Probleme, rechtzeitig genügend Mittel von der Einrichtung dafür zu erhalten. Man war dort der Meinung , dass die alten Studios und sonstigen technischen Einrichtungen baldigst von umfassenden Neubauten abgelöst werden würden.
Im Laufe des Sommers kam in diesem Zusammenhang der Rundfunkbeauftragte der Einrichtung für Sachsen zu einem Besuch und verkündete unter anderem, dass man in die Springerstraße als den Sitz von Sachsenradio möglichst nichts mehr investieren sollte, denn in zwei Jahren wären die neuen Funkhäuser vom MDR fertig. Meine Meinung dazu war ziemlich anders, und glücklicherweise konnten wir gegen den anfänglichen Widerstand der Einrichtung in der Springerstraße z.B. wenigstens die Fernmeldezentrale, den Schaltraum und einige Studios erneuern, ohne die ein Start des MDR Hörfunks zum Jahresanfang 1992 nicht möglich gewesen wäre.
Das Haus in der Springerstraße ist vom MDR bekanntlich auch erst Ende 1999, also nach vollen acht Jahren Betriebszeit aufgegeben worden. Solche technischen Einzelheiten werden von Politikern natürlich höchstens als Selbstverständlichkeit empfunden, weshalb es im inzwischen entstandenen Schattenreich des MDR in der Kernorganisation auch kaum noch eine Rundfunktechnik gibt.
Der Name MDR tauchte übrigens bereits am Jahresanfang 1991 auf. Mir sagte er etwas, da mir die Geschichte des mehrfach untergegangenen Mitteldeutschen Rundfunks nicht unbekannt war. Es gab auch schon eine ausführliche, viele DIN A4 Seiten umfassende Funkhausplanung. Allerdings wurden derartige Vorschläge mit Sachsen Radio nicht offiziell besprochen, weil es als ephemere Erscheinung dieses Wissen wohl nicht verdiente. Dennoch haben wir unabhängig von äußeren Einflüssen versucht, dem MDR möglichst viele Wege offen zu halten, damit er einen guten Start hätte.
Bis es dazu kam, haben wir allerdings noch einiges erlebt. Nur nebenbei gesagt, war der Winter 1990/91 ziemlich kalt und meine späten Heimfahrten an den Wochenenden in diesem Jahr nicht ganz ungefährlich. Ich hatte mehrere Reifenpannen, erlebte allerhand Staus auf der stark beschädigten A4, A9 und auf verschneiten Landstraßen sowie Fahrten übers freie Feld, wenn der Stau zu groß war. Die Straßenglätte hatte auch einen kleinen Ü-Wagen von SARAD in den Graben fahren lassen, und dessen Reparatur führte zu einem äußerst unerfreulichen Briefwechsel mit dem bei der Einrichtung für die Kasse zuständigen Mitarbeiter, der aus Köln stammte und den Schrotthaufen unbedingt auf die billigste Art wieder herstellen lassen wollte.
Schließlich hatten wir auch noch erhebliche Probleme beim Telefonieren. Die geringe Leitungszahl und ihre miserable Qualität brachten uns manchmal zur Verzweiflung, und Herr Kühn und ich haben ernsthafte Gespräche mit einer Firma über den Ankauf eines Satellitentelefons geführt, weil die Verbindung zwischen Leipzig und Dresden so schlecht und so schwierig war. Allerdings kostete damals eine Station noch über 80.000,- DM. Zwei hätten wir gebraucht. Das war zu teuer und ist dann unterblieben. Vielleicht war es aber ein großer Fehler. Denn der Chefredakteur in Dresden hatte so wahrscheinlich nicht den richtigen Draht zu seinem Landesrundfunkdirektor in Leipzig, was dann schließlich zu einer Art Katastrophe führte. Sie ereignete sich in einer Phase intensivster Arbeit.
Anfang April musste Manfred Müller noch einige Flaschen Sekt öffnen lassen, nachdem es uns gelungen war, zwei kleine Senderegien (unter anderem auch für SACHSEN III KULTUR) samt den dazugehörenden Sprecherräumen neu herzurichten. Außerdem waren wir dabei, mit den meist wohlmeinenden ARD Anstalten über einen Anschluss an den ARD-Hörfunkstern zu verhandeln.
Daneben waren neue Reportagegeräte beschafft worden und zur Verbesserung des Agenturempfangs auch neue Fernschreibgeräte. Schließlich hatten wir auch noch den Umzug der Redaktion in Dresden vor uns, die bis dahin im dortigen Hygienemuseum untergebracht war. Zur Erholung hatte uns eine größere Delegation des Bayerischen Rundfunks unter Führung ihres Intendanten besucht und wir hatten zusammen gekegelt. Ein Herr Dr. Reiter war auch dabei gewesen, der später in Leipzig eine noch größere Kugel schieben sollte. Sachsen Radio hat den Besuch der Bayern erwidert und ist mit einer größeren Delegation nach München gereist. Eine gute Idee, die auch die Arbeitsfreude weiter erhöhte.
Und dann gab es am 17. April ein großes Konzert in der Leipziger Messehalle 7: “ Ein deutscher Traum“, Tristan 1. Akt modern eingerichtet, sowie „Gruppen“ von K.H. Stockhausen für drei Orchester. Ein voller Erfolg für Manfred Müller und seine Kulturchefs Detlef Rentsch und Steffen Lieberwirth, was wir nach dem Konzert auch mit einem Umtrunk für alle Beteiligten feierten. Aber doch nicht ohne eine gewisse Spannung, denn am Tag zuvor hatte Manfred Müller seinen Chefredakteur Uwe Eckart Böttger fristlos gekündigt, was mir und dem Verwaltungsdirektor erst am Abend bekannt wurde. Die Temperamente waren wohl zu unterschiedlich. Die Reaktion aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten.
Es kamen drei FAX-Schreiben. Manfred Müller wurde von der Einrichtung ebenfalls fristlos gekündigt, Uwe Eckart Böttger wurde in sein Amt wieder eingesetzt, und Detlef Kühn erhielt als Verwaltungsdirektor die Leitung von Sachsen Radio zusätzlich angetragen. Diese explosionsartige Entscheidung hat dann bis zum Jahresende gehalten, aber doch zu einem erheblichen Stimmungseinbruch bei Sachsen Radio geführt.
In diesen ereignisreichen Tagen haben wir auch eine Organisationsänderung in der Technik eingeführt. Wolfgang Kier übernahm als Leiter die Betriebsabteilungen und Peter Schiffel die technische Planung. Das war auch eine Vorentscheidung für den neuen MDR, obgleich dort dann vieles wieder neu organisiert wurde.

Die museale Fernmeldezentrale des Leipziger Funkhauses
Diese Technik war bis Dezember 1991 in Betrieb
Foto: Sachsen Radio – Sammlung Lieberwirth
Auch noch im April konnten wir Verhandlungen mit zwei Firmen über eine neue Fernmeldezentrale führen. Die alte war in Hebdrehwählertechnik ausgeführt und neigte aufgrund ihres Alters zu erheblichen Störungen. Zur Verringerung ihrer Kontaktprobleme bin ich nach Berlin gefahren und habe dort in einem Warenhaus Geräte beschafft, die den Raum der Zentrale in eine Art dampfende Sauna verwandelten und solange erfolgreich benutzt werden mussten, bis wir schließlich im Herbst 1991 doch noch eine neue Zentrale einschalten konnten.
Im Mai fanden auch noch Verhandlungen über die in den neuen Ländern nutzbaren MW-, UKW- und Fernseh-Frequenzen statt. Sie liefen, mit einigen Korrekturen, auf eine Festschreibung des status quo hinaus. Leider fehlte der Mut, nach Auflösung der politischen Blöcke in Europa wenigstens entlang des ehemaligen eisernen Vorhangs eine Neuordnung der Frequenzverteilung vorzuschlagen. Und Sachsen Radio wurde natürlich zu den Verhandlungen erst gar nicht offiziell eingeladen
Auch für den Verkehrsfunk haben wir etwas getan. Es gab Verhandlungen mit der Polizei über die Lieferung von Verkehrsmitteilungen, und weil das noch nicht recht klappte, brachten wir – für die Kommunikation mit einem Flieger – auf dem ‚Weisheitszahn‘ (dem Universitätsturm) in Leipzig mit Hilfe der Telekom eine Antenne für einen UHF Sender und Empfänger unter. Unser Partner sollte mit einer kleinen einmotorigen Maschine für uns die Autobahn zwischen dem Schkeuditzer und dem Hermsdorfer Kreuz beobachten. Es war eine einwandfreie Sache, denn der Mann hieß auch noch Storch. Das Hermsdorfer Kreuz war zu dieser Zeit noch in einem katastrophalen Zustand und ziemlich häufig Ursache von Staus. Die Zulassung für die Funkerei zog sich allerdings einige Monate hin.
Von den Sendungen dieser Zeit ist mir nur eine in Erinnerung geblieben. Sie war ein Schrecken für unseren Verwaltungsdirektor und musste immer mit den Worten: „Liebes Volk“ beginnen. Jeder brave Sachse konnte sich melden, um seinen Kummer dort über den Sender zu schicken. Glücklicherweise dauerte sie nur 15 Minuten.
Zwischendurch habe ich mir auch die Arbeitsbedingungen von Sachsen Fernsehen in Dresden angesehen. Die Mannschaft arbeitete in einer alten Großvilla am Wilden Mann. Das Haus hatte kaum irgendeinen Schallschutz, niedrige Decken und kleine Räume mit ziemlich dünnen Türen, die alle Geräusche durchließen. Keine guten Bedingungen zur Programmherstellung. Der Leiter, Herr König, und ich haben zur Unterrichtung der damals politisch Verantwortlichen ein Papier erstellt, in dem wir die technische Situation von Sachsen Radio und Sachsen Fernsehen beschrieben haben, und das alles unter dem schönen Spruch, der im Treppenhaus der Fernsehmannschaft zu lesen war: Providentiae memor!
Was ich mir in unserer hilfeheischenden Situation übersetzte: Der Vorsehung sich erinnernd!
Bei Sachsen Radio gab es derweil nach dem Wegfall von Manfred Müller mehrere Sitzungen in denen wir einigermaßen deprimiert versuchten, Festlegungen sowohl organisatorischer als auch programmlicher Art zu treffen, die über die Zeit von Sachsen Radio hinaus Gültigkeit haben könnten, und die es uns erlaubten, weiterhin gute Programme zu machen. Dazu gehörten natürlich auch finanzielle Mittel.
Laut Artikel 36 des Einigungsvertrages war der Rundfunkbeauftragte gehalten, unverzüglich einen Haushalt aufzustellen. Das tat er allerdings, entgegen seinem Auftrag, erst zum Ende des Jahres 1991. Nach einigem Verhandeln erhielten wir aber so viel Planungssicherheit, dass die Verwaltung ein ‚Tertial‘ aufstellen konnte.
Immerhin gab es genug Arbeit für alle Mitarbeiter, und bei Problemen ging es meist um den Abbau angefallener Überstunden, die z.B. bei zu zahlreichen Ü-Dienst-Aufträgen anfielen, und auch um Umgruppierungen, weil manche Mitarbeiter sich zu niedrig eingruppiert fühlten. Das Übliche also.
Im Hintergrund aber und für Sachsen Radio Mitarbeiter nur wenig erkennbar, wurde fleißig an der Zukunft, d.h. an der Konstruktion des MDR gebastelt. Bereits im Februar waren sich die Ministerpräsidenten der drei betroffenen Länder einig und im Juni erfolgten die Unterschriften unter den Staatsvertrag über den MDR, der dann am 1. Juli in Kraft getreten ist. Eine sehr anschauliche Darstellung dieser Vorgänge ist in der Diplomarbeit von Andreas Rummel nachzulesen. Er hat sie bezeichnenderweise überschrieben: „Die Rolle der Parteipolitik beim Aufbau des Mitteldeutschen Rundfunks“. Ohne die Parteien wäre es sicher nicht gegangen, aber hier haben nur Parteimitglieder in einer sehr beunruhigenden Weise gewirkt.
Der Intendant wurde schon am 7. Juli offiziell in sein Amt gewählt, wobei es im Grunde keine Wahl gab, da das Ergebnis schon einige Zeit vorher feststand. Die Wahl der Direktoren erfolgte wenige Tage später unter heftigem Parteiengeklüngel.
Wir haben jedenfalls dem ersten Mitarbeiter des neuen MDR, Udo Reiter, Zimmer zur Verfügung gestellt, damit er seine Arbeit beginnen konnte. Um ihn herum bildete sich auch bald ein kleiner Kreis neu eingestellter Mitarbeiter, während parallel dazu die Arbeit im Sachsen Radio und Sachsen Fernsehen scheinbar unbeeinflusst weiterlief, obwohl natürlich viele Blicke und Ohren auf das Geschehen in den Räumen des neuen MDR gerichtet waren. Für mich war im MDR kein Platz vorgesehen. Für andere bewährte Kräfte – z.B. Detlef Kühn oder Uwe Eckart Böttger – auch nicht.

Die Wachablösung: Inbetriebnahem des neuen Schaltraumes.
In Anwesenheit der zukünftigen Hörfunkdirektorin des MDR, Karola Sommerey, wird im Dezember 1991 durch den Sachsen Radio-Hauptabteilungsleiter Betriebstechnik, Wolfgang Kier, die moderne Schaltzentrale im Funkhaus Springerstraße eingeweiht.
Foto: Sachsen Radio Hopf-Sammlung Lieberwirth
Ich hatte dem Intendanten zwar angeboten noch maximal zwei Jahre für ihn arbeiten zu wollen, aber das ließ die politische Lage nicht zu. So habe ich nur noch mitgeholfen, den Vertrag für den neuen Hörfunkschaltraum auf den Weg zu bringen. Die Anlage konnte in der Woche nach Weihnachten glücklicherweise in Betrieb gehen und erlaubte so dem MDR einen guten Start am 1. Januar 1992, obwohl der in der Einrichtung für die Mittelbeschaffung zuständige Mitarbeiter dies wohl gern verhindert hätte.
Diesen Start und das Ende von Sachsen Radio habe ich in Leipzig nicht mehr miterlebt. Auch die Beendigung aller Dienstverträge und die Neueinstellungen der Mitarbeiter für den MDR konnte ich nur von außen erleben. Hier taten sich die Politiker und auch der neue Intendant schwer. Da war immer wieder die Rede davon, dass man ja noch keinen Mitarbeiter und keine Studios, sowie keine Programme für den MDR habe.
Das war allenfalls formal richtig. Realistisch war es nicht. Denn wenn man nicht die vorhandenen und gut funktionierenden Ressourcen nutzen wollte, hätte man wohl zwischen Juli und Dezember 1991 Anlagen und Mitarbeiter vom Mars einfliegen müssen.
So bleiben meine besseren Erinnerungen an das Jahr 1991 immer gebunden an die vielen guten Mitarbeiter von Sachsen Radio und die etwas verrückte Rundfunk-Pionierphase in Leipzig, Dresden, Chemnitz und Bautzen.
Bleibt vielleicht noch nachzutragen, dass wir natürlich alle Anlagen in analoger Technik erstellt haben. Anderes wäre damals noch nicht möglich gewesen.
Der Übergang von der Originalität dieses Rundfunks zu seiner heutigen Digitalität war dann schon vollständig eine Aufgabe für den neuen MDR und ist wohl erst mit dem Bezug der Funkhausneubauten voll zum Tragen gekommen.
© Werner Hinz für TRIANGEL.Das Radio zum Lesen
→ | Erinnerungen des ersten Juristischen Direktors des MDR an die „Einrichtung“ |
→ | Wie sich die Kultur in Sachsen nicht abschalten ließ: SACHSEN III KULTUR |
Das Dokument
Die technische Einbindung des Leipziger Funkhauses in die ARD

Empfehlungsschreiben des Technischen Direktors, Werner Hinz, an den sächsischen Landesrundfunkdirektor, Manfred Müller, zur technischen Anbindung von Sachsen Radio an die ARD (Sternpunkt Frankfurt) für gemeinsame Ausstrahlung bzw. den Austausch von Sendungen.
Dokument: Sammlung Hinz

Schreiben des sächsischen Landesrundfunkdirektors, Manfred Müller, an die Deutsche Bundespost mit der Bitte um technische Anbindung an die ARD in Frankfurt („Sternpunkt“) vom 24. Januar 1991
Dokument: Sammlung Hinz
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