_00-Logo-Uhr-ohne-Rand-for-webDie Chronik-Seiten der SEMPEROPER EDITION

1924  Intermezzo

Uraufführung

 

 

SLIDESHOW: Fotos von der Uraufführung
mit Lotte Lehmann und Josef Correck
Fotos: SLUB – Deutsche Fotothek – Ursula Richter

 

Besetzung

Richard Strauss
Uraufführung Intermezzo im Schauspielhaus am 4. November 1924

Dirigent: Fritz Busch
Regie: A. Mora
Bühnenbild: A. Mahnke

Kapellmeister Storch: Josef Correck
Christine: Lotte Lehmann / Grete Nikisch [Eva Plaschke hatte gehofft, die Partie zu bekommen]
Kapellmeister Stroh: Hanns Lange
Baron Lummer: Theo Strack
Kammersänger: Willy Bader
Justizrat: Adolf Schoepflin
Kommerzienrat: Ludwig Ermold
Notar: Robert Büssel
Dessen Frau: Elfriede Haberkorn
Anna: Liesel von Schuch

 

Frau Hofkapellmeister Storch alias Strauss!

Fritz Busch, der Dirigent der Uraufführung hielt seine Sichtweise auf die Uraufführung der Oper in seiner Autobiografie fest:

„Es war das Verdienst des Generalintendanten Reucker, alsbald nach seiner Berufung die mehrere Jahre lang unterbrochene Verbindung zwischen Richard Strauss und der Dresdner Staatsoper wieder angeknüpft zu haben. Strauss, dessen Opern ihre Uraufführung fast ausschließlich in Dresden unter Ernst von Schuch und mit dem glänzendsten Erfolg auch für diesen großen Dirigenten erlebt hatten, übergab uns nun die Weltpremiere seiner Kammeroper ‚Intermezzo‘.
Der kluge und erfahrene Komponist wußte die Vorzüge sehr wohl zu würdigen, die ihm Dresden für die Einführung seiner Werke in das Reich der Bühne bot. Mit dem Weltruf seines herrlichen Orchesters vereinte Dresden Eigenschaften, wie sie die unruhevollen Hauptstädte, etwa Berlin mit seiner drängenden Überfülle von künstlerischen Ereignissen und Tagessensationen, nicht bieten konnten: eine gewisse aristokratische Geschlossenheit und Sammlung, die dem herausgestellten Werk zugute kam. Alle Strahlen trafen sich hier in einem Punkte und gaben ihm einen besonderen Glanz. Strauss wußte, daß sich der Geist dieser seltenen Konzentration auch dem gehetzten Volk der Presse mitzuteilen pflegte. In der idyllischen und charmanten Atmosphäre des alten Dresden, die für einige kurze, trügerisch glückliche Jahre nun zurückkehrte, wurden diese geplagten und zersplitterten Menschen einmal durch nichts abgelenkt. Sie kamen nicht atemlos aus weiten Entfernungen im letzten Augenblick in die Aufführung gestürzt, sondern saßen behaglich in dem distinguierten Hotel Bellevue neben der Oper. In voller Ruhe konnten sie dort das zur Diskussion stehende Werk studieren, konnten mit den aus aller Welt zusammenströmenden Fachkollegen ihre Meinungen austauschen oder – wenn irgendeinen Sonderling dieser Wunsch anwandelte – die landschaftlichen Reize der Sächsischen Schweiz und des Erzgebirges genießen, als wären sie zu einem Ferienausflug, nicht zu beruflicher Arbeit gekommen.
Feiertagsstimmung erfaßte wie ein ganz leichter, angenehmer Rausch die Kritik nicht minder als das Publikum. Wer würde das leugnen, der Dresdner Uraufführungen je miterlebt hat!
In dem unfaßbaren Elend des heutigen Deutschland, nicht minder aber im Auslande und ganz besonders unter den Engländern und Amerikanern, die jahraus, jahrein gern nach Dresden zu kommen pflegten, wird sich mancher wehmütig der heiteren und unbeschwerten Atmosphäre jener Tage erinnern.

Seine künstlerischen Forderungen für ‚Intermezzo‘ wurden dadurch erfüllt, daß man Lotte Lehmann, die er sehr schätzte, für die weibliche Hauptrolle des Werkes – Frau Hofkapellmeister Storch alias Strauss! – verpflichtete und dem Dichterkomponisten versprach, sein prächtiges Garmischer Heim, in dem sich ein wesentlicher Teil der Handlung abspielt, möglichst naturwahr auf die Bühne zu stellen.
Dem intimen Charakter des Werkes entsprechend, wurden die Aufführungen diesmal ins Schauspielhaus verlegt.

Das Studium der Partitur beglückte mich, da die musikalische Faktur des Werkes eine Sorgfalt der Arbeit und eine Meisterschaft aufweist, die den Musiker fesseln müssen. Weniger wollte mit der Exhibitionismus des von Richard Strauss selbst verfaßten, auf eigenen Erlebnissen basierenden Librettos gefallen, wenn auch Max Reinhardt es mir gegenüber einmal als ‚höchst talentvoll‘ bezeichnete. Am Ende der Oper das Ehepaar Strauss nach ewigem häuslischen Gezänk in sentimentaler Fis-Dur-Kantiele singen zu hören: ‚Es ist halt doch eine glückliche Ehe‘ – schuf mir Mißbehagen.
Übrig blieb der Spaß, die leichtflüssige, beschwingte und mit größter Sicherheit gestaltete Musik einzustudieren und mit einem virtuosen Orchester und erstklassigen Solisten aufzuführen.

Ich hatte viel Freude daran, nun in engere persönliche Verbindung mit Richard Strauss zu treten, den ich bisher nur flüchtig kannte. Er traf Ende Oktober 1924 zu den letzten Proben in Dresden ein, und es zeigte sich, daß wir uns musikalisch ausgezeichnet verstanden. Strauss sprach mit großer Offenheit über fachliche und allgemeine künstlerische Fragen. Kritische Einwendungen meinerseits nahm er nicht nur gerne an, sondern bat mich oft, ihm aufrichtig meine Meinung über diese oder jene Einzelheit in der Komposition zu sagen.“

Fritz Busch
in: Fritz Busch. Aus dem Leben eines Musikers

 

Szenenfotos der Zweitvorstellung

SLIDESHOW: Fotos mit Grete Nikisch als Zweitbesetzung
Fotos: SLUB – Deutsche Fotothek – Ursula Richter

 

Grammophonaufnahme

Es überrascht, dass für die „Intermezzo“-Schallplatenaufnahme nicht mit Lotte Lehmann, der Sängerin der Uraufführung auf ausdrücklichen Wunsch von Richard Strauss aufgenommen worden sind, sondern mit Grete Nikisch, der Dresden Zweitbesetzung.
Lotte Lehmann hatte nach bisherigen Erkenntnissen nur in der Uraufführung gesungen.

 

Intermezzo-Label-for-webIntermezzo
daraus: Schluss-Duett (2. Akt)
Grete Merrem-Nikisch (Sopran)
Theodor Scheidl (Bariton)
1 Wer war denn das? Matr.Nr.: 2073 as
2 Er ist sicher kein Gauner Matr.Nr.: 2074 as
3 Du bist mein schöner, reiner. prachtvoller Mann Matr.Nr.: 2075 as
Mit Orchesterbegleitung
(Orchester und Dirigent nicht genannt)

Original Platten 78 rpm Polydor
Deutsche Grammophon Gesellschaft, Berlin 66127 & 66128
Mechanische Trichteraufnahme

Aufgenommen in Berlin, Ende 1924 (genaues Aufnahmedatum nicht zu ermitteln)
Quelle: Collection Dr. Jens Uwe Völmecke

 

Fritz Busch über Richard Strauss

„Unter den bedeutenden Musikern, die ich persönlich näher kennengelernt habe, nimmt Richard Strauss eine merkwürdige Stellung ein.
Schon seine Erscheinung und sein Wesen, so überaus einfach es sich gab, waren zwiespältig. Vergegenwärtigt man sich den Kopf – der oft zur Karikatur verführte – mit der kugeligen Stirn und den fast ausdruckslosen, wasserblauen Augen, getragen von einem hohen, schlanken, leicht vorn übergebeugten Körper, so berührt er gelegentlich, besonders auf Jugendbildern, simpel, beinahe platt. Jedoch kann er sich ins Großartige verwandeln und statt des alltäglich Bedeutungslosen die überlegene Schlichtheit des genialen Menschen zeigen.
Ebenso weist sein Dirigieren eine sonderbare, mit nichts zu vergleichende Mischung von Phlegma und meisterlicher Einfachheit auf, die keineswegs des suggestiven Elements entbehrt. Erregung tritt in dieser Dirigierkunst fast nie zutage. Sie kann jedoch mitunter beim Hörer hervorgerufen werden. Dann ist die Empfindung der Berührung mit dem Genius unmittelbar.
Das Geheimnis aber, worin er eigentlich besteht, verrät weder die gemessene Stabführung, die abgewogene Sparsamkeit der Gesten, mit der sich die feinen, geistigen Hände bewegen, noch der gleichmütige Gesichtsausdruck des großen, gepflegten Mannes.
Strauss war bereits ein Sechziger, als ich in nähere Berührung mit ihm trat, und meine Eindrücke beziehen sich durchweg auf sein höheres Lebensalter. In der Jugend soll er ungewöhnlich lebhaft, temperamentvoll, oft sogar heftig dirigiert haben. Trotz seiner gesunden Gesichtsfarbe, die das Ergebnis planmäßiger Lebenshaltung ist, und der ungezwungenen Jovialität seines Wesens hatte Strauss nicht das mindeste vom Naturburschen an sich. Auf den ersten Blick war er der Grandseigneur; man hätte ihn etwa für einen Bankpräsidenten ansehen können. Für einen Künstler – für die glänzendste und vielseitigste Begabung auf dem gesamten Gebiet der modernen Musik – würde ihn niemand gehalten haben. (…)
Den Mangel an eigentlicher Gefühlswärme, den die Strauss’sche Musik oft an sich trägt, empfand der Komponist selber; er kannte genau die Stellen, an denen er ins Sentimentale und Kitschige abgeglitten ist. Nichts war ihm unsympathischer, als wenn Kapellmeister, darunter recht berühmte, sich in seinen lyrischen Ergüssen »badeten« und ihm dadurch seine Sünden peinlich vor Augen führten. Er selbst ging, je älter er wurde, desto gleichgültiger und unmerklicher beim Dirigieren über solche Partien hinweg, als schäme er sich, sie komponiert zu haben. Zwiespältigkeit zeigte er aber wiederum darin, daß er Ähnliches trotzdem weiter schrieb.“


Logo-SLUBMit Dank für die konstruktive Zusammenarbeit
an das Historische Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden
und die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden